„Grundsicherung, aber wie?“ – In jedem Fall ohne Grundeinkommen,…

…da ist sich Andreas Peichl, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Uni München und Mitarbeiter des ifo-Instituts, in seinem Beitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung sicher.

Peichl befasst sich in seinem Beitrag mit dem Vorhaben einer „Neuen Grundsicherung“, das die Gelegenheit biete, Verbesserungen im bestehenden bedarfsorientierten System der sozialen Sicherung zu erreichen. In diesem Zusammenhang äußert er sich zum konkurrierenden Vorschlag eines Bedingungslosen Grundeinkommens, das durch die Präsentation der Ergebnisse des Pilotprojekts von Mein Grundeinkommen kürzlich wieder medial größere Aufmerksamkeit erhalten hat (siehe z. B. hier und hier). Er weist – wie manche schon – auf die Grenzen der Studie von Mein Grundeinkommen und deren positiver Ergebnisse hin, was deswegen interessant ist, weil er sie mit den „negativen Ergebnissen“ einer anderen Studie aus den USA vergleicht, ohne deren Begrenzung allerdings zu benennen. Das ist schon ein interessantes Framing für einen solchen Beitrag, weil damit behauptet wird, die Ergebnisse der anderen Studie seien belastbarer. Dabei haben Guy Standing und Scott Santens auf ebendiese Grenzen der US-amerikanische Studie schon lange hingewiesen.

Warum schließt Peichl das BGE als mögliche Alternative aus? Ganz überraschend kommt diese Stellungnahme nicht, denn schon in der Vergangenheit hatte er sich wiederholt dagegen ausgesprochen (siehe z. B. hier und hier). Um die Folgen eines BGE auszumalen greift er auf die Ergebnisse einer Studie zurück, an der er selbst mitwirkte:

„Für eine vierköpfige Familie ergäbe sich ein Betrag von 3784 Euro pro Monat, was zu einem jährlichen Finanzierungsbedarf von rund 1100 Milliarden Euro führen würde. Dem stünden mögliche Einsparungen bei den bestehenden Sozialausgaben von nur rund 230 Milliarden Euro gegenüber, sodass eine Finanzierungslücke von rund 870 Milliarden Euro pro Jahr verbliebe. Um diese Lücke zu schließen, müsste die Steuerquote massiv erhöht werden. Das würde sich zwangsläufig negativ auf Arbeitsanreize, Investitionen und Standortattraktivität auswirken [Hervorhebung SL].“

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„Was das Grundeinkommen wirklich verändert“

Darüber schrieb David Gutensohn auf Zeit Online, nachdem die Ergebnisse des Pilotprojekts Grundeinkommen nun vorliegen. Zuerst berichtet er über eine Gewinnerin und was sie mit dem Grundeinkommen über drei Jahre gemacht hat. Diesen Abschnitt beschließt er mit folgender Passage:

„Korves ist dankbar für das bedingungslose Geld, steht dem Grundeinkommen aber trotzdem kritisch gegenüber. Sie finde es toll, dass Menschen damit ihre Träume verwirklichen können, frage sich jedoch: ‚Würden andere das Geld so sinnvoll einsetzen wie ich?'“

Da für dieses Zitat keine Quelle angegeben wird, nehme ich es so, wie es präsentiert wird. Die Gewinnerin sieht die positive Seite des Grundeinkommens, hat sich etwas aufgebaut als Schwimmtrainerin und ist dennoch skeptisch – aber nicht sich selbst gegenüber. Diese Skepsis gegenüber den Anderen, was die wohl damit machen würden, ist eines der interessantesten Phänomene in der Debatte und taucht schon im ersten Film über das Grundeinkommen von Daniel Häni und Enno Schmidt auf (ab Minute 26). Genauso hätte sie davon ausgehen können, dass Andere eben das tun, was ihnen sinnvoll erscheint, das tut sie aber offenbar nicht. Dieser Haltung bin ich in meiner Forschung zum BGE immer wieder begegnet, sie ist die eigentliche Crux, wenn es um eine Einführung überhaupt einmal gehen sollte. Woher aber rührt diese Skepsis, wenn doch im Alltagshandeln sich diese Skepsis nicht gleichermaßen zum Ausdruck bringt wie in den Deutungen, die zu diesem Handeln entwickelt werden?

Andere Gewinner ziehen ja durchaus andere Schlüsse. Es spricht einiges dafür, dass hinter dieser Skepsis eine ähnliche Haltung sich artikuliert, wie sie gegenüber Bürgeldbeziehern immer wieder zu vernehmen ist, ganz gleich, was Studien dazu zu sagen haben. Da wird über „Totalverweigerer“ phantasiert, über die Chance, bei der nächsten Gelegenheit, die Stelle zu kündigen, um endlich Bürgergeld zu beziehen usw. Dass solche Überlegungen einem durch den Kopf gehen mögen, ist das eine, daraus allgemeine Behauptungen zu machen, ist das andere. Doch befinden sich diese Vorbehalte in guter Gesellschaft, wenn andere in einem BGE „Opium für das Volk“ sehen (Thomas Satterlberger), ein „süßes Gift“ (Anke Hassel) oder „Wahnsinn mit Methode“ (Norbert Blüm).

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Ernüchterung oder realistische Einschätzung? Welche Schlüsse können gezogen werden?

Auch wenn der Titel der Kolumne Marcel Fratzschers irreführend ist und es sich bei den jüngst vorgestellten Ergebnissen des Pilotprojekts Grundeinkommen weder um ein allgemeines BGE noch um eines über die Lebensspanne handelte, weist er doch selbst auf die Beschränkungen des Projekts hin und die Vorsicht, mit der die Ergebnisse bewertet werden sollen. Von daher können diesbezüglich keine Schlüsse auf ein allgemeines BGE gezogen werden.

Zwei Aspekte seien in dem Beitrag herausgehoben. Fratzscher schreibt erstens:

„Ein bedingungsloses Grundeinkommen führt vermutlich nicht per se dazu, dass sich deutlich mehr Menschen selbstständig machen. Ausschlaggebend für eine solche Entscheidung sind die individuellen Fähigkeiten, Chancen und Informationen. Oder andersherum formuliert: Mehr Geld ist meist keine essenzielle Voraussetzung für eine Verhaltensänderung in Bezug auf Arbeit und Qualifizierung, sondern mehr Geld ist das Resultat von Qualifizierung und Anstrengungen.“

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Was muss ein BGE leisten, um als relevant beachtet zu werden?

„Wirkt das Grundeinkommen Wunder?“

So ist der Beitrag von Johannes Pennekamp in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung übertitelt, der sich mit den Ergebnissen des Pilotprojekts Grundeinkommen befasst, die gestern präsentiert wurden. Der Beitrag ist nüchtern gehalten, polemisiert nicht und stellt Fragen, die andere auch stellen. Insofern, könnte man schlußfolgern, sind die Ergebnisse der Feldstudie also unspektakulär, regen nicht auf, weisen nicht auf negative Effekte hin, es gibt nichts zu beklagen. Zu dieser Nüchternheit passt der Titel allerdings überhaupt nicht. Wer würde ernsthaft „Wunder“ erwarten, wo er es mit realen Menschen zu tun hat, die sind, wie sie sind? Ist der Titel doch Ausdruck der Messlatte, die an ein BGE angelegt wird? Drunter lohne eine Einführung ohnehin nicht?

Was wäre nun aus dem nüchternen Befund zu schließen? Er wäre der CDU-Kampagne gegen das Bürgergeld gegenüberzustellen, mit den Einsichten abzugleichen zu den angeblichen „Totalverweigerern“ (siehe auch hier) usw.

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„Pilotprojekt Grundeinkommen“ – Forschung mit qualitativen Daten,…

…wie er dabei vorgeht, dazu gibt Prof. Antonio Brettschneider Auskunft in einem Interview (hier die Verschriftung dazu auf der Website von Mein Grundeinkommen). Die von ihm vorgestellte Forschung mit nicht-standardisierten Daten, wie die „qualitativen Daten“ besser zu nennen wären, ist insofern nicht selbstverständlich, als dass sie in der Sozialpolitikforschung eine eher randständige Rolle spielt, ganz wie in der Forschung zum Bedingungslosen Grundeinkommen auch (siehe meine Anmerkungen dazu hier). Forschungsgespräche, gemeinhin als Interviews bezeichnet, sind nur eine Form nicht-standardisierter Daten, ihre Erhebung ist das eine, wichtiger noch ist ihre Auswertung, wie dabei vorgegangen wird, wie Deutungen (Rekonstruktionen) belegt werden. So gibt es in der sogenannten qualitativen Forschung eine Spannbreite von geradezu wiederum standardisiert (subsumierend) vorgehenden Auswertungsverfahren, die den Zweck ins Gegenteil verkehren über Verfahren, deren Auswertungsweg nicht klar ist, bis zu solchen, die der Bedeutungsstruktur von Handeln möglichst nahe zu kommen versuchen (in Anlehnung an die hermeneutische Tradition, allerdings mit methodisch strengen Maßstäben, besonders elaboriert in der Objektiven Hermeneutik Ulrich Oevermanns (siehe auch hier).
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„Ich brauche nicht nachzuweisen, ob ich bedürftig bin“…

…darüber schrieb Hannes Koch in der Frankfurter Rundschau. Das ist der entscheidende Unterschied zu heutigen Leistungen. Im Beitrag geht es auch um das Pilotprojekt Grundeinkommen (siehe hier und hier) sowie die Frage, inwiefern das Bürgergeld ein Schritt Richtung BGE sei und welchen Finanzierungsaufwand es mit sich bringe. Hier allerdings schaut Koch nur auf die Brutto- und nicht auf die Nettokosten der Finanzierung (siehe z. B. hier, hier und hier), er sagt also nichts über die Einnahmeseite und spricht nur über die Ausgaben. Erwähnt wird nicht, dass wir einen Grundfreibetrag in der Einkommensteuer haben, der statt Besteuerungsvorbehalt zu bleiben auch Ausschüttungsbetrag werden könnte im Sinne von linke Tasche, rechte Tasche. Es bleibt die Frage, welchen Stellenwert dann Erwerbstätigkeit hätte und weshalb sie weiterhin attraktiv sein könnte, das ist zumindest die meist gestellte Frage (siehe hier und hier).

Sascha Liebermann

„Unterschwellige Sorgen“…

…es klingt beinahe so, als habe die Probandin die Sorgen, die sie umtrieben, erst zulassen können, nachdem sie eine sichere Basis zur Verfügung hatte. Vorher musste sie sie abweisen oder von sich weisen. Die Sicherheit würde dann einen realistischeren Blick auf die eigene Lage erlauben.

Sascha Liebermann