…“bedingungslose[s] Grundeinkommen…für die ‚Nutzlosen'“?…

…so zumindest deutet Suanne Gaschke in ihrem Beitrag „Merkel verbeugt sich vor den digitalen Herrn“ auf Welt online die Überlegungen der „Herrn“ aus dem Silicon Valley zum Bedingungslosen Grundeinkommen. Doch, weshalb überhaupt konzentriert sie sich auf diese und weitet nicht den Blick auf die breite Diskussion zum BGE, auf die die Herrn nur aufgesprungen sind? Was schreibt sie zum BGE?

„Die meisten von ihnen [den Menschen, die zur Randerscheinung eines digital-kapitalistischen Komplexes geworden sind, SL] sind „Nutzlose“, weil die Maschinen ihnen die Arbeit wegnehmen und sie es irgendwie nicht schaffen, sich allesamt zu Informatikprofessoren fortzubilden. Ihnen bleiben nur Massenkonsum und Schwachsinnsunterhaltung.

Darum, so Bitkom, sollten sich die „entrückten“ Politiker endlich mal kümmern – zum Beispiel mit einem „bedingungslosen Grundeinkommen“. Für die „Nutzlosen“, so darf man vermuten.“

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Bedingungsloses Grundeinkommen? Aber nicht ohne Umwandlung der Bildungssysteme

Richard David Precht hat sich schon öfter zum Bedingungslosen Grundeinkommen geäußert, ich habe seine Ausführungen immer wieder einmal kommentiert und finde die jüngsten in einem Interview mit Tilo Jung ebenso kommentierenswert. Wie begründet Precht seine Haltung zum BGE (Ab Stunde 1:43)?

Wenn die „Auflösung der Arbeitsgesellschaft“ bevorstehe, dann sei ein BGE aus verschiedenen Gründen wichtig, sagt er: 1) Um den Binnenmarkt zu stärken (Kauftkraftstabilisierung; 2) für das Glück jedes Einzelnen, um seine Bedürfnisse zu befriedigen, und 3) weil ein BGE in Verbindung mit einem umgewandelten Bildungssystem erlaube, auch dann ein erfülltes Leben zu haben, wenn man keinen „nine-to-five-job“ habe.

Ob die „Arbeitsgesellschaft“ sich auflösen wird im Sinne mancher Prognosen bezüglich etwaiger Folgen der Digitalisierung sei dahingestellt. Es mag so sein, vielleicht auch nicht, und wenn es so kommen sollte, so können wir über den Umfang der Auswirkungen nichts Genaues sagen.Technologienutzung ist ein sozialer Prozess und erfolgt nicht automatisch. Das zeigte der französische Historiker Marc Bloch schon für die Verbreitung der Wassermühle. Darüber hinaus steht in Frage, ob es überhaupt angemessen ist, unsere heutigen Lebensverhältnissen als „Arbeitsgesellschaft“ zu bezeichnen, siehe meine früheren Ausführungen dazu hier und hier. Eine Demokratie stützt sich nicht auf Erwerbstätige, sie benötigt Bürger, die sie tragen.

Dass ein BGE den Binnemarkt stärken würde, steht außer Zweifel, denn die Kaufkraftstabilisierung würde zugleich eine Stabilisierung von Investitionen und Verbrauch nach sich ziehen können. Ein Argumente, das viel zu selten bemüht wird.

Von daher wäre es auch erheblich einfacher für den Einzelnen, seinen Bedürfnissen nachzugehen, sofern er dazu ein stabiles Einkommen benötigt. Die normative Relativierung von Erwerbstätigkeit würde dazu führen, heute degradierte Tätigkeiten aufzuwerten, so dass sie zu Haupttätigkeiten werden könnten, ohne sich dafür rechtfertigen zu müssen. Das wäre ein großer Unterscheid. Precht spricht von solchem Engagement allerdings gar nicht konkret, es ist also nicht ganz klar, was er an dieser Stelle vor Augen hat.

Der dritte Aspekt, den er nennt, ist besonders interessant, weil sich darin eine sehr häufig anzutreffende Vorstellung von Autonomie und Bildungsprozessen zu erkennen gibt. Er unterscheidet zwei Varianten von BGE, die anthroposophisch-humanistische und die Silicon Valley-Version. Diese Gegenüberstellung ist zugespitzt, denn „die“ anthroposophische Variante gibt es ja nicht, da sich unter Anthroposophen ebenso Gegner eines BGE finden, und zwar vehemente. Unter den Befürwortern aus dem Silicon Valley gibt es auch Stimmen wie Albert Wenger, der sehr differenziert argumentiert, wenn es um das BGE geht. Dann sagt Precht etwas, was folgenreich ist. Das BGE alleine könne nicht die gewünschten oder erhofften Wirkungen entfalten, es müsse eine Umwandlung des Bildungssystems dazutreten, da es heute die Menschen „fehlkonditioniert[e]“. Nun kann man manche Kritik am Bildungssystem anbringen, doch von einer Konditionierung zu sprechen, geht in meinen Augen zu weit. Abgesehen davon, dass Bildungsprozesse sich nicht durch Konditionierung vollziehen, fördert das Bildungssystem im besten Fall Bildungsprozesse, im schlechtesten hemmt sie diese. Es kann also entweder dazu beitragen, dass der Apfel etwas weiter vom Stamm fällt oder aber eben genau dies nicht tun. Es ist aber nicht in der Lage, Menschen zu etwas zu machen, das sie nicht sind. Hier überschätzt Precht den Einfluß des Bildungssystems und unterschätzt die Bedeutung von Bildungsprozessen in familialen Zusammenhängen. Kinder müssen auch nicht „lernen“, intrinsisch motiviert zu sein, das sind sie in der Regel ohnehin. Die Frage ist vielmehr, ob dieser Erkundungsdrang von Eltern – und später vom Bildungssystem – unterstützt oder gehemmt wird.

Was traut Precht den Bürgern heute zu? Offenbar nicht allzuviel, wenn er ein BGE nur dann für erstrebenswert erachtet, wenn es ein anderes Bildungssystem gibt. Man könnte dementgegen gerade in die andere Richtung argumentieren, dass, wenn ein BGE einmal gewollt wird, das Denken über Bildung sich vermutlich ebenfalls schon verändert hat. Letztlich läuft Prechts Haltung darauf hinaus, das BGE vorzuenthalten, weil die Bürger nicht selbstbestimmt genug seien, um mit ihm umgehen zu können. Das sehen andere durchaus auch so, z. B. Wolfgang Engler. Wer aber so denkt, muss auch die Gefahr sehen, dass sich Bürger mit etwas „abspeisen“ lassen. Wenn sie das tatsächlich täten, hätten sie es nicht selbst zu verantworten? Ist es aber nicht anmaßend, davon auszugehen, dass sich jemand abspeisen lässt, ohne dafür Gründe zu haben?

Entsprechend entwirft Precht am Ende ein Szenario, welches BGE wohl zu erwarten sei und fragt „Auf wen hört die Bundesregierung“? Nun, auf wen die Regierung hört, das entscheiden die Bürger, wenn sie es wollen. Und wenn nicht, wer ist dann dafür verantwortlich? Die Bürger, wer sonst.

Sascha Liebermann

IT-Pioniere und Bedingungsloses Grundeinkommen – Mutmaßungen im Deutschlandfunk

„Es muss einen Grund geben, warum ausgerechnet viele IT-Pioniere aus dem Silicon Valley zu den Verfechtern eines bedingungslosen Grundeinkommens gehören“ – so eröffnet Thomas Fromm im Deutschlandfunk seine Besprechung des Buches von Robert Gordon „The Rise and Fall of American Growth“. Gordon widerspricht der These, dass die Digitalisierung zu neuen Produktivitätsschüben führe. In der Tat ist dies umstritten, weil die zur Beantwortung der Frage herangezogenen Statistiken, so manche, nicht all die Leistungsentstehung abbilden, die unentgeltlich erfolge. Es sei hier dahingestellt, was tatsächlich der Fall ist. Für Fromm ist Gordons Buch offenbar ein willkommener Aufhänger, um sein Misstrauen gegenüber der BGE-Befürwortung durch IT-Unternehmer und -Investoren (siehe hier ein interessantes Gespräch mit Albert Wenger, der ein solcher Investor ist) zum Ausdruck zu bringen (ähnlich vor wenigen Wochen Alfred Krüger und Adrian Lobe). Woran will man einschätzen, was zutrifft?

Es bleibt nur, die Argumente auf Plausibilität zu prüfen, die für ein BGE vorgebracht werden. Dass BGE und Digitialisierung nicht nur notwendig miteinander zusammenhängen, darauf habe ich schon öfter hingewiesen. Dadurch werden aber nicht die Überlegungen geschmälert, die für ein BGE sprechen und die über die Frage nach etwaigen Folgen der Digitalisierung hinausweisen. Albert Wenger bringt manche dafür vor.

Sascha Liebermann

„Grundeinkommen fürs schlechte Gewissen“…

…ein Beitrag von Alfred Krüger auf ZDF heute über die Zustimmung zum Grundeinkommen im Silicon Valley. Überlegungen in die gleiche Richtung hatte vor kurzem auch Adrian Lobe in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung angestellt.

In dem Beitrag unter „Pro“ wird Michael Opielka mit einer interessanten Äußerung zitiert:

„Impuls für Migrationspolitik: Als weiteres Argument komme hinzu, dass das Grundeinkommen ein Impuls für die Politik wäre, die Einwanderungspolitik auf klare Grundlagen zu stellen, sagt Opielka. „Die Gesellschaft müsste eindeutig klären, wem sie nach welchen Kriterien nur auf Zeit einen Schutz vor Verfolgung gewährt. Und wen sie dauerhaft aufnimmt, dem würde dann auch das Recht auf das Grundeinkommen garantiert.““

Das BGE würde also damit einhergehen müssen zu klären, wir wir als Gemeinwesen zur Einwanderung stehen. Angesichts des Hin und Her in der jüngeren Vergangenheit würde dies auch Einwanderern signalisieren, dass sie nicht einen Status erhalten, weil sie am Erwerbsleben teilnehmen, sondern weil sie in Deutschland leben wollen. Die Bedingungen dafür definieren wir.

Sascha Liebermann

„Die Angst vor der Vierzig-Stunden-Pause“…

…ein Beitrag von Adrian Lobe in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Lobe schließt damit:

„Der Staat finanzierte den Müßiggang, und die Bürger hätten alle Zeit der Welt, nicht, wie Karl Marx über das Leben in der klassenlosen Gesellschaft schrieb, morgens jagen und nachmittags fischen zu gehen, sondern noch mehr Stunden auf Facebook zu verbringen. Für die Internetkonzerne, die ohnehin kaum Steuern zahlen, wäre das die optimale Lösung. In die Freizeit entlassene Bürger könnten dem Internet mehr Zeit schenken, die wichtigste Ressource der Aufmerksamkeitsökonomie. Das hätte den netten Nebeneffekt, dass Facebook-Nutzer in der Filterblase depolitisiert werden könnten. Zur Automatisierung der politischen Willensbildung wäre es dann auch nicht mehr weit.“

Allzuviel traut Lobe den Bürgern nicht zu und selbst wenn sie wollten, was er fürchtet, es wäre die Freiheit, die ein Bedingungsloses Grundeinkommen ließe, seine Zeit zu verplempern.

Sascha Liebermann

„Das Silicon-Valley fordert ein Grundeinkommen – gut so!“

So ist ein Beitrag von Evgeny Morozov überschrieben, der in der Süddeutschen Zeitung erschien und sich damit beschäftigt, was wohl die Stimmen aus dem Silicon-Valley, die sich für das Bedingungslose Grundeinkommen aussprechen, zu besagen haben. Im englischen Original klingt der Titel allerdings ziemlich anders.

Morozov fragt sich, woher wohl die Begeisterung für das BGE komme, wenn dieselben Leute sonst eher die Ineffizienz des Sozialstaats beklagen. Das kann man allerdings auch tun, ohne marktwirtschaftlich zu argumentieren, wenn man schlicht die Frage stellt, ob der Sozialstaat heutigen Zuschnitt leisten kann, was er leisten sollte. Er schreibt z. B.:

„Das Grundeinkommen würde Tech-Firmen ein progressives, soziales Image geben, während sie den Weg frei machen zu weiteren Expansionen. Weg mit all den sozialstaatlichen Institutionen oder Gesetzen, die Arbeiterrechte garantieren! Schluss mit all dem Hinterfragen des Status quo, wem die Daten gehören oder die Infrastruktur, die diese Daten produziert.“

Dass manche diese Hoffnung haben, die Arbeitnehmerrechte könnten so beschnitten werden, leuchtet ein. Allerdings wird durch ein ausreichend hohes Grundeinkommen die Verhandlungsmacht etwaiger Mitarbeiter viel größer. Wohin sich das BGE entwickelt, hängt nicht vom Silicon Valley ab, sondern davon, was die Bürger haben wollen und für richtig halten.

Weiter schreibt Morozov:

„Der wahre Grund für dieses Engagement ist raffinierter: Sollten die Valley-Bosse scheitern bei dem Versuch, die Debatte um das Grundeinkommen selbst argumentativ abzustecken, könnten die Leute am Ende rausbekommen, dass das eigentliche Haupthindernis für die Umsetzung dieser radikalen Idee das Silicon Valley selber ist.“

Was meint er damit?

„Man vermeidet dadurch [durch das BGE laut Carlo Vercellone, Andrea Fumagalli und Stefano Lucarellis Theorie des kognitiven Kapitalismus, SL] strukturelle Instabilität – die unter anderem durch die steigende Prekarität der Arbeit und die stetig wachsende Einkommensungleichheit entsteht – und verbessert die Zirkulation von Ideen und deren innovativem Potenzial. Warum ist das so? Erstens kann man so alle für die Leistung entschädigen, die sie erbringen, während sie gar nicht im engeren Sinne arbeiten, eine Leistung, die im kognitiven Kapitalismus oft viel größeren Wert erzeugt als bezahlte Arbeit. Denken Sie an all die Uber-Fahrer, die nützliche Daten produzieren, was Uber dabei hilft, die Fahrzeugflotte immer noch genauer übers Stadtgebiet zu verteilen.“

Die Konzerne wollen also die Daten haben, die erzeugt werden und brauchen zugleich eine volkswirtschaftliche Stabilität durch Einkommenssicherung. Soweit, so gut.

„Zweitens: Viele Arbeit wird heute kollektiv geleistet – aber wissen Sie, wie Ihre individuelle Suche Google dabei hilft, Ihren Suchindex zu verbessern? Es ist meistens unmöglich, genau zu sagen, wie viel ein Einzelner zum endgültigen Produkt beigetragen hat. Ein Grundeinkommen trägt der Tatsache Rechnung, dass kognitive Arbeit oft im Kollektiv erbracht wird.“

Auch an dieser Überlegung ist wenig Erstaunliches, denn die Vorstellung, dass Leistung sich zurechnen lasse, war schon immer eine Illusion, weil Leistung immer auf verschiedenen Voraussetzungen ruht, die sie selbst nicht geschaffen hat: kulturelle Wissensbestände (Werkzeugerstellung und -gebrauch, Arbeitsabläufe, Rechtsverhältnisse usw.), sozialisatorische Entwicklung in Abhängigkeit vom familialen Milieu, in dem jemand aufwächst, seine Ausgangsbedingungen also usw. „Kognitive Arbeit“ ist davon nur die neuere Form und nur ein Ausschnitt davon.

„Zuletzt wird so garantiert, dass einige Produktivitätszugewinne, die Folge neuer Techniken und weiterer Rationalisierungsprozesse sind und die früher durch Mechanismen wie die Lohnindexierung weitergereicht wurden, immer noch weiterverteilt werden können, obwohl ja Tarifverhandlungen und andere Arbeiterrechte geschwächt wurden. Das könnte wiederum zu höheren Investitionen und Profiten führen, wovon auch wieder alle profitieren.“

Die Schwächung nach altem Maßstab ist zugleich eine Stärkung nach neuem, das schreibt er im letzten Satz ja selbst, wenn dann „wieder alle profitieren“.

„Die Ausführungen der Vertreter des kognitiven Kapitalismus für ein Grundeinkommen sind komplexer als meine grobe Zusammenfassung. Aber sie beinhalten zwei weitere Grundbedingungen: Der Wohlfahrtsstaat muss, in einer reformierten Form, überleben und sogar gestärkt werden – er ist eine der sozialen Schlüsselinstitutionen. Ein funktionierendes Gesundheits- und Bildungswesen geben uns erst die Freiheit, überhaupt kreativ zu sein.“

Ja.

„Zweitens braucht es eine fundamentale Steuerreform, um das Grundeinkommen zu finanzieren: Dafür müssen nicht nur finanzielle Transaktionen besteuert werden, sondern auch Instrumente wie Patente, eingetragene Warenzeichen und die Rechte an kollektiven Daten, Instrumente also, welche die optimale gesellschaftliche Nutzung von Wissen verhindern.

Diese radikale Interpretation des Grundeinkommens zeigt, dass das Silicon Valley nicht dessen wichtigster Fürsprecher, sondern dessen größter Feind ist. Die dort angesiedelten Firmen zahlen so wenig Steuern wie nur irgend möglich. Sie finden immer neue Wege, um den Nutzern ihre Daten abzuluchsen. Sie wollen den Wohlfahrtsstaat zerstören. Außerdem kolonisieren sie jedwede neue Spielart der sogenannten Sharing Economy und machen sie so doch wieder nur zu einer Ware.“

Von wem aber hängt es ab, dass diese Entwicklung, wie Morozov prognostiziert, auch eintritt?

„Man kann entweder für eine radikale Form des Grundeinkommens plädieren, bei der den Menschen frei steht, in welcher Form sie mitmachen wollen, da sie nicht mehr gezwungen wären zu arbeiten. Oder man kann den Plattformkapitalismus wollen, der jeden in einen prekären Unternehmer verwandeln möchte. Aber man kann nicht beides auf einmal haben.“

In der Tat ist das ein Unterschied, doch entscheidet nicht das Silicon Valley darüber, welche Gestalt das BGE annimmt, es sei denn, die politischen Gemeinschaften würden es ihm einfach überlassen. Das käme einer Selbstaufgabe gleich.

„Es wäre ein Leichtes für das Silicon Valley, die ersten Schritte in Richtung Grundeinkommen zu machen: Warum sollten wir, die Nutzer, nicht Besitzer unserer eigenen Daten werden? Das könnte uns auf jeden Fall schon mal dabei helfen, alternative, nicht-kommerzielle Anwendungen für sie zu finden. Wenn man es weiterdenkt, wäre ein Mechanismus möglich, durch den Städte, Verwaltungen und sogar Staaten, die momentan keine Chance haben, an all die Daten zu kommen, welche die großen Firmen horten, ihre Bürger für die Bereitstellung ihrer Daten durch eine Art Grundeinkommen entschädigen könnten, sei es nun direkt mit Geld oder indirekt durch die kostenlose Benutzung irgendwelcher Infrastrukturen wie des Nahverkehrs.“

Hier verkehrt Morozov nun selbst, worum es beim BGE geht. Es soll gerade keine Entschädigung für etwas sein, dass zuvor geleistet oder erlitten werden musste, auch nicht für die Bereitstellung von Daten, was letztlich das BGE wieder einer Bezahlung gleichstellt. Das BGE richtet sich ja an die Person um ihrer und des Gemeinwesens um seiner selbst willen.

„Das aber wird nicht geschehen, weil Daten der Trumpf sind, der das Silicon Valley unzerstörbar macht, und das wissen sie. Was wir stattdessen bekommen, ist das hohle Propagieren einer Agenda, die sie gleichzeitig mit aller Macht bekämpfen. Unsere Technik-Elite will uns glauben machen, dass die Regierungen genug Geld dafür aufbringen können. Aber wer wird am Ende dafür zahlen? Ganz bestimmt nicht die radikalen Valley-Mogule. Die ziehen es vor, ihr Geld offshore zu parken.“

Das klingt stark danach, sich selbst für ohnmächtig zu erklären, um dann auch ohnmächtig zu sein, eine Selbstentmündigung auf Umwegen. Wenn ein Gemeinwesen das zulässt, was Morozov prophezeit, muss es dafür auch die Verantwortung tragen.

Sascha Liebermann

P.S.: Siehe auch zwei Artikel zum BGE in der New York Times „A Plan in Case Robots Take the Jobs: Give Everyone a Paycheck“ und „A Future Without Jobs? Two Views of the Changing Work Force“.