Ein Pappkamerad, keine etablierte Partei stellt Sanktionen in Frage

Die Fixierung mancher darauf, Sanktionen könnten nicht hart genug sein, ist das eigentliche Problem, wenn die Empirie zum Bürgergeld berücksichtigt wird.

Sascha Liebermann

„Totalverweigerer sind sehr selten“…

…so ist ein Beitrag von Oliver Bock in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung überschrieben (Rhein-Main/ Wiesbaden). Nun liefert er zwar keine überraschenden Einsichten, ist aber doch angesichts der Gerüchte und teils gegenläufigen Stimmen selbst aus den Jobcentern informativ. „Wird ein schärferes Vorgehen gegen tatsächlich oder vermeintlich arbeitsunwillige Bürgergeldempfänger den deutschen Sozialetat spürbar entlasten? Im Sozialleistungs- und Jobcenter der Landeshauptstadt Wiesbaden ist die Skepsis groß. Zwar werden gegen eine kleine Zahl der „Kunden“ regelmäßig Sanktionen verhängt. Doch meist geht es dabei um geringe Versäumnisse bei der Einhaltung von Terminen, aber ganz selten um Pflichtverweigerung. Sogenannte Totalverweigerer seien die sehr seltene Ausnahme, heißt es.“

Wie schon früher durch Statistiken der Bundesagentur für Arbeit ausgewiesen wurde, handelt es sich bei einem großen Teil der Sanktionen um Terminversäumnisse (siehe hier und hier), wie auch die untenstehende Grafik zeigt. Das im Beitrag überhaupt von „Totalverweigerern“ ohne Anführungszeichen gesprochen wird, erstaunt, denn es ist kein Terminus des Gesetzgebers, weckt aber bestimmte Assoziationen. Selbst bei denen, die sich also verweigern, wäre genau hinzuschauen, um die Gründe zu kennen, dann stellt sich womöglich heraus, dass es bei der „Verweigerung“ um etwas anderes geht.

„In jedem Jahr gelingt es Wiesbaden, etwa jeden fünften in der Landeshauptstadt gemeldeten Langzeitarbeitslosen in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu vermitteln oder beim Sprung in die Selbständigkeit zu helfen. Rund zwei Drittel dieser „Kunden“ des Jobcenters halten länger als ein Jahr durch. Jeder Dritte ist dann wieder auf Sozialleistungen angewiesen.“

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Kosten der Bedarfsfeststellung?

Diese Frage liegt nahe, denn eine – wie schon häufiger erwogene – pauschale Bereitstellung des Existenzminimums würde Einsparungen erlauben, die anders eingesetzt werden könnten. Wenn nur noch Bedarfe oberhalb des Existenzminimums (also z. B. KdU usw.) ermittelt werden müssen.

Welche Einnahmen wären durch eine konsequentere Verfolgung von Steuerhinterziehung zu erreichen?

Warum spielen stattdessen die Einsparungen bei Bürgergeldleistungen eine so große Rolle, die anderen Fragen werden aber wenig gestellt?

Sascha Liebermann

Verwechslungsgefahr?

Diese Behauptung Heike Göbels, verantwortliche Redakteurin Wirtschaftspolitik bei der FAZ, setzt entweder voraus, dass von den Bezugsbedingungen des Bürgergelds vollständig abstrahiert wird oder sie dient nur der Skandalisierung von Mindestsicherungsleistungen. Der Begriff Bürgergeld ist in der Tat irreführend, weil er etwas nahelegt, von der Wortbedeutung, das alle erhalten. Die Bezugsbedingungen des Bürgergeldes machen aber sogleich klar, wer es nur erhalten kann und was er dafür zu tun hat. Insofern ist eine Verwechslung ausgeschlossen.

Frühere Kommentare zu Einlassungen Heike Göbels zum BGE oder ähnlichen Konzepten finden Sie hier.

Sascha Liebermann

„Bedingungsloses Grundeinkommen: Eigentor für die Wirtschaft oder Traumtor für die Gesellschaft?“

Unter diesem Titel wird am 15. Oktober, von 18-21 Uhr, an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg über ein Bedingungsloses Grundeinkommen diskutiert. Das Programm für den 15. Oktober:

Pro:
Dorothee Herzog (Mein Grundeinkommen)
Dan-Felix Sorgler (Unternehmer)

Contra:
Sarah-Lee Heinrich (ehem. Sprecherin Grüne Jugend)
Diana Kinnert (Autorin)

Einordnung & Expertise:
Prof. Dr. Sascha Liebermann

Moderation:
Vanessa Edmeier

Diese Diskussion gilt als Kickoff-Veranstaltung für die Tagung „Das Ende des Gemeinwohls?“, die am Folgetag stattfinden wird (Programm vom 16. Oktober).

Hier geht es zur Anmeldung für beide Termine.

Damals wie heute oder heute sogar noch mehr