…Interview mit Johannes Geyer auf Spiegel Online. Gegen Ende entgegnet er auf einen nicht treffenden Vergleich:
„Diese Analogie zur Klimawissenschaft, in der ein System in einen Zustand wechselt, aus dem es kein Zurück gibt, ist Unsinn. Wegen der Abgaben verlassen wohl nur sehr wenige Hochqualifizierte, die überall arbeiten können, das Land. Ein Treiber großer Migrationsbewegungen sind sie nicht, zumal auch andere Industriestaaten überaltern. Nicht zuletzt ist der Sozialstaat selbst ein Argument für Deutschland. Er kostet nicht nur, sondern leistet auch – und er stützt eine friedliche und sichere Gesellschaft.“
Ist nicht der Vorrang von Erwerbsarbeit ein Teil des Problems, der hier nicht angesprochen wird? Sozialleistungen sind deswegen „nachrangig“, weil Erwerbsarbeit der Vorrang „gebührt“. Beihaltet das nicht selbst ein Moment der Desintegration?
…ist es aber nicht gerade der Vorrang von Erwerbstätigkeit, der genau Moment der Desintegrationsdynamik ist? Zugehörigkeit im Sinne vollumfänglicher Rechte und eines entsprechenden Status hat man in einer modernen Demokratie zuallererst durch Staatsbürgerschaft. Dadurch wird der entscheidende „Zusammenhalt“ zum Ausdruck gebracht und befestigt, sie ist die stärkste Form der Inklusion oder auch Integration. Ein entsprechender Sozialstaat müsste also diese Zugehörigkeit zum Ausgangspunkt der Einkommenssicherung machen, das widerspricht jedoch dem Vorrang von Erwerbstätigkeit, der unseren Sozialstaat regiert.
Es ist aber eine Fiktion, dass sich der Beitrag zu dem, was verteilt wird, im Lohnsteuerbetrag erschöpft. Z. B. gäbe es ohne unbezahlte Fürsorge keine Stunde Lohnarbeit. Netto-Lohnsteuer-Zahler sind nicht die einzigen, die zum Wohlstand beitragen. #BGE#Grundeinkommen
…ja, der Sozialstaat muss zielgenau sein, wie es so oft heißt, bedarfsgeprüfte Leistungen sind das jedoch gerade nicht (siehe „non-takeup-rate, verdeckte Armut).
Die Beschränkung von Leistungsbeiträgen Lohn-Steuerzahler ist eben auch eine Fiktion, wie BGE-Eisenach zurecht hervorhebt.
„Stallfütterung“ – die Bürger im Stall und werden gefüttert, wer hat sie in den Stall gestellt und hält sie dort? Ein paternalistisches Bild, zu dem die Sorge vor dem „gefährlichen Gewöhnungseffekt“ passt, die im FAZ-Beitrag ausgesprochen wird.
Sollte es so sein, dass die Bürger im Stall stehen und sich füttern lassen wollen, dann wäre das so.
Und wieder die einseitige Auslegung des Subsidiaritätsgedankens, in dem von Erwerbsgebot gar keine Rede ist, siehe hier und hier.
Dass Einkommenserwerb Selbstverantwortung (keine Erwerb = keine Selbstverantwortung) ist, ist eine Fiktion. Sie soll die Norm legitimieren, sein #Grundeinkommen zu erwerben. Nicht-direktive Sozialpolitik (= #BGE) kann rein logisch nicht weniger Freiheit bedeuten als direktive. https://t.co/r9nqPxJQu7
Sehr geehrter Herr Bundesminister @MarcoBuschmann, Sie mögen sich auf den Kopf stellen: Jeder Einwanderer wandert auch in den Sozialstaat ein. Lesen Sie noch einmal Art. 20 GG nach. https://t.co/8b2H19Cd8i
Übrigens wäre mit diesen sozialstaatlichen Regelungen auch dem Problem der Übervorteilung bestimmter Haushalte, das in der Kritik an den aktuellen Vorschlägen gesehen wird, zumindest ein Stück weit abgeholfen. 7/25
…Diese Frage stellt sich, nachdem Jens Jessen am Ende dieses langen Gesprächs mit Isabella Weber danach fragt, was sie von einem Bedingungslosen Grundeinkommen halte (ab 2:50:39). Was antwortet sie?
Etwas salopp sagt sie, „nich so en riesiger Fan“ davon zu sein, „alle sozialstaatlichen Probleme“ darüber zu lösen. Ich verstehe die Frage als eine Frage an eine Expertin, nicht danach, ob sie es befürwortet, nur in der Hinsicht könnte sie ein Fan sein. Wer schlägt denn vor, fragt man sich, über ein BGE – Weber spricht vom Universal Basic Income – alle sozialstaatlichen Probleme zu lösen? Bezieht sie sich womöglich nur auf die US-Debatte? Sie erwähnt keine Namen, außer den Milton Friedmans, insofern ist die Aussage rätselhaft, denn wohl gibt es solche Befürworter, die das anstreben, gerade in den USA und seinen libertären Kreisen (dazu kann man auch die Silicon Valley-Denker zählen), doch in Kontinentaleuropa? Hier wird doch durchaus deutlich darauf hingewiesen, dass es beim BGE um ein Sockeleinkommen gehe, über das hinaus es weiterhin bedarfsgeprüfte Leistungen und andere Infrastruktur geben müsse. Weshalb erwähnt sie das nicht? Mindestens diese Differenzierung wäre wichtig gewesen, um nicht eine solch verkürzte Einschätzung abzugeben. Die Bezugnahme auf Milton Friedman ist dazu noch an der Sache vorbei, denn er schlug eine Negative Einkommensteuer vor (siehe auch hier), die eben kein BGE ist. Damit ist der Differenzierungsverlust schon erheblich, womöglich kennt sich Weber in der Debatte nicht aus, aber dann eine solche Aussage zu machen, überrascht doch, warum sich nicht enthalten?
Guter Punkt. Es ist ja nicht so, dass dazu bei 0 angefangen werden muss: Es gibt eine sozialstaatliche Infrastruktur, Bedürftigkeitsprüfungen werden beim Wohngeld & den KdU durchgeführt. Klar, es bräuchte Regeln & Personal. Aber nix, was Warnungen vor Bürokratie rechtfertigt. https://t.co/eufTabOkKR
Mit Flickwerk wie #Wintergeld und anderen Einmalzahlungen kommen wir nicht weit.
Wir brauchen Bedingungsloses #Grundeinkommen als sichere finanzielle Basis für alle in allen Lebenslagen.
Barrierefrei, unbürokratisch, demokratisch.
Gerecht teilen statt umverteilen: #BGEJetzt❤️ https://t.co/JASd69stYF
…, nicht aber zuerst am Bedarf, der davon zu unterscheiden ist. Insofern ist der Hinweis von Susanne Wiest ganz treffend, Bedarfe können auch anders gedeckt werden, zumindest der Grundbedarf, und zwar durch ein Bedingungsloses Grundeinkommen. Bedarfe, die darüber hinaus gehen, benötigten weiterhin eine Prüfung. Hier meinen manche, dann gäbe es doch keinen Unterschied zwischen der heutigen Lösung und dem BGE. Dabei wird verkannt, dass ein Sozialstaat mit BGE die Bedarfsprüfung auf ein anderes normatives Fundament stellt. Im Zentrum stünde stets die Wahrung oder Unterstützung von Autonomie, nicht, wie heute, die Erwerbsteilnahme bzw. Prüfung auf Nicht-Teilnahme. Während im Falle eines BGEs die Bedürftigkeitsprüfung also dazu dient, die Autonomie angemessen zu unterstützen, steht im heutigen System die Erwerbsteilnahme als Ziel im Zentrum, deswegen muss Erwerbsunfähigkeit auch erst festgestellt werden. Aus dieser Orientierung an Erwerbsteilnahme als Gebot, als Norm, folgt die strukturelle Stigmatisierung der Leistungsbezieher in dem Sinne, dass sie dem Gebot nicht entsprechen. Eine weitere Folge ist die Degradierung aller Leistungen „außerhalb“ des Erwerbssystems, denn diese muss man sich dann erst leisten können. Ein BGE würde also mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen. Denkt man an die letzten Jahre zurück, hätte es sowohl in der Pandemie sofort seine Wirkung entfaltet im Sinne einer verlässlichen Basiseinkommenssicherung als auch angesichts drastisch steigender Energiepreise im kommenden Winter. Ein BGE sichert zwar auch in Krisen ab, reicht jedoch weit darüber hinaus.