Treffende Entgegnung auf kein Argument und Behauptungen

Der Beitrag von Thieß Petersen, auf den David Stier Bezug nimmt, weist auf „große Unsicherheiten“ bezüglich der Folgen im Falle einer Einführung eines BGE hin, das sind aber nur Vermutungen: „Im Ergebnis sind die makroökonomischen Folgen, die sich aus der Einführung eines BGE ergeben, mit einer hohen Unsicherheit verbunden. Diese Folgen hängen maßgeblich von den Verhaltensänderungen der privaten Haushalte und der Unternehmen ab. Deren Reaktionen ’sind jedoch bei großen strukturellen Veränderungen schwer vorauszusehen‘.“ Die entscheidende Frage ist also, auf Basis welcher „Verhaltensannahmen“ wird argumentiert und wie lassen sich diese empirisch belegen?

Sascha Liebermann

„Das bedingungslose Grundeinkommen und die Schweiz. Eine republikanische Perpektive“…

…nachdem jüngst verkündet wurde, dass es in der Schweiz wieder eine Eidgenössische Volksinitiative zum Bedingungslosen Grundeinkommen geben soll, sei ein Literaturhinweis erneuert, den wir schon für die Volksabstimmung 2016 veröffentlicht hatten.

Im Jahr 2010 veröffentliche Eric Patry seine Doktorarbeit, für die er an der Universität Sankt Gallen promoviert wurde. Sie erkundet die Wurzeln des Schweizer Republikanismus und untersucht, welche Anknüpfungspunkte das Schweizer Gemeinwesen historisch und politisch konkret für das Bedingungslose Grundeinkommen aufzuweisen hat. Die Arbeit folgt damit einem Zugang zur Thematik, der äußerst selten gewählt wird und ist deswegen angesichts der bevorstehenden Volksabstimmung von besonderem Interesse.

Bedauerlicherweise scheint der Verlag das Buch nicht mehr anzubieten, Grund genug für eine Neuauflage.

„Eine Möglichkeit, wieder aktiv zu werden“ – Rückschau auf ein instruktives Missverständnis

Viele Jahre liegt es zurück, da gab Philippe Van Parijs, anlässlich des Grundeinkommenskongresses 2005 in Wien, neues deutschland ein Interview. Es war die Zeit, als die BGE-Diskussion wieder in Gang gekommen ist (zu Entstehung und Verlauf der Debatte siehe hier und hier), die dazu beigetragen hat, dass der Vorschlag heute seinen festen Platz in der sozialpolitischen Diskussion hat. Van Parijs spricht im Interview über seine Anfänge in der Beschäftigung mit der Idee, über BIEN, dessen Gründungsmitglied er ist, und äußert sich zum Slogan „Freiheit statt Vollbeschäftigung“, mit dem meine Mitstreiter und ich damals anfingen, uns für eine öffentliche Debatte einzusetzen. Was sagte Van Parijs?

„Nicht alle Grundeinkommensbefürworter – auch auf dem Kongress – stimmen damit überein, dass der Begriff der Arbeit so eng an das Grundeinkommen geknüpft ist. Das kann zu Missverständnissen führen.

Das habe ich gemerkt. In Deutschland gibt es eine kleine Organisation für die ich Sympathie habe. Aber ihren Slogan: »Freiheit statt Vollbeschäftigung« kann ich nicht gutheißen. Für mich ist das nicht die richtige Opposition. Bezahlte Arbeit darf zwar nicht das einzige Ziel im Leben sein aber man sollte auch nicht einen derartigen Kontrast zwischen Grundeinkommen und Vollbeschäftigung herstellen. Wenn man Vollbeschäftigung nicht als Vollzeitarbeit für alle deutet, sondern als Möglichkeit für alle Leute, die eine Arbeit wollen, eine Arbeit zu finden, bekommt der Begriff eine ganz andere Dimension. Grundeinkommen bedeutet nicht die Arbeit aufzugeben. Im Gegenteil – es ist eine Möglichkeit, dass die Leute wieder aktiv werden. Zur Zeit gibt es eine repressive Form des aktiven Sozialstaates – wie in Deutschland Hartz IV. Aber es gibt auch eine emanzipatorische Form des aktiven Sozialstaates: das Grundeinkommen.“

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„Zahl der Mehrfachbeschäftigten steigt deutlich“…

…die Folge dieser Mehrfachbeschäftigten bzw. der steigenden Zahl an Erwerbspersonen auch in Haushalten mit Kindern ist, dass Eltern weniger Zeit für Familie haben. Auch wenn das heute als hehres, emanzipatorisch verklärtes Ziel gilt und die Degradierung familialer Sorgebeziehungen voranschreitet, muss man sich die Folgen vor Augen führen. Erheblich eingeschränkt werden dadurch elementare Solidarerfahrungen, für die Eltern-Kind-Beziehungen der entscheidende Ausgangspunkt sind, auf denen andere aufbauen. Kinder machen damit schon früh die Erfahrung, dass Erwerbstätigkeit wichtiger ist, als für sie da zu sein.

Sascha Liebermann

Konjunkturen der Faulheitsdebatte

Instruktiv ist hierzu auch der ältere Beitrag von Frank Oschmiansky „Faule Arbeitslose?“. Dass manche, die heute sich so nicht mehr äußern, sich ähnlich drastisch geäußert haben, siehe dazu Oskar Lafontaine in einer Bundestagsrede im Jahr 1999.

Bayern 2-Feature zum Pilotprojekt Grundeinkommen…

…, das heute startet. Darin geht es auch um die Auswahl der Probanden. Janine Busch, die für das Projekt befragt wird, setzt ganz auf die Einsichten, die dadurch gewonnen werden können. Zur methodischen Kritik dazu siehe hier und hier.

Wieder einmal angebliche Besserstellung von „Hartz IV“-Beziehern gegenüber Erwerbstätigen

Schon öfter kam es vor, dass solche Rechnungen die Zusammenhänge nicht richtig abgebildet haben, so laut Ausführungen von Johannes Steffen auch Dietrich Creutzburg in der Frankfurter Allgemeine Zeitung vor drei Jahren. Steffen weist aber auch auf Haushaltskonstellationen hin, in denen es Widersprüche im Leistungsgefüge zu geben scheint.

Sascha Liebermann

„Abhängigkeit“ vom Staat als Schreckgespenst – als sei das heute anders…

…und als spiele es keine Rolle, worin diese „Abhängigkeit“ genau besteht, um die es hier geht. Allgemein gesprochen ist diese Abhängigkeit (siehe auch hier) gar nicht aufzuheben, es kann also nur um die Frage gehen, in welcher Form sie besteht. Hier weist BGE Eisenach auf den richtigen Punkt hin, dass ein BGE Freiräume gegenüber Fremdbestimmung eröffnet und dem Einzelnen abverlangt, sich zu diesen Möglichkeiten zu verhalten, die breiter sind als im Angesicht des Erwerbsgebots. Diese Freiheitszumutung wird meist unterschätzt. Es kann also nur darum gehen, wie das Abhängigkeitsverhältnis gestaltet wird, nicht ob es stärker oder schwächer ist, denn Freiheit ist ohne Abhängigkeit nicht zu haben.

Sascha Liebermann

Was meint Thomas Piketty, wenn er von „Basic Income“ spricht?

Was meint Piketty wohl in seinem Artikel, wenn er von Basic Income spricht? Es wird nicht weiter ausgeführt, doch diese Passage lässt erkennen, was er wohl im Auge hat:

„It is also essential to extend the basic income to include low-paid workers, with a system of automatic payment on pay slips and bank accounts, without people having to ask for it, linked to the progressive tax system (also deducted at source).“

Hier kann keine UBI im Sinne einer dauerhaft bereitgestellten Sozialdividende gemeint sein, denn die würde ja alle erreichen und müsste nicht auf eine bestimmte Gruppe – „low-paid“ workers – ausgedehnt werden.

Darüber hinaus behauptet Piketty, ein Basic Income müsse immer niedrig sein – weshalb? Und niedrig gemessen woran?

Kombinieren lassen sich alle möglichen Vorschläge, die Frage ist doch, was soll damit erreicht werden und was sind ihre Implikationen. Hier verabschiedet Piketty vorschnell das UBI, das am weitreichendsten wäre. Unbezahlte Arbeit fällt vollständig unter den Tisch, zumindest in diesem Beitrag.

Siehe meine früheren Kommentare hier und hier. Meine Kommentare zur Jobgarantie finden Sie hier und hier.

Sascha Liebermann

Frithjof Bergmann ist gestorben – Vordenker der „New Work“…

…der zum einen wollte, dass Menschen tun, „was sie wirklich, wirklich wollen“, was wenig mit dem heute verbreiteten Verständnis von Neuer Arbeit zu tun hat. Siehe den Nachruf von Detlef Borchers auf heise.de und Philipp Krohn in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Dem Bedingungslosen Grundeinkommen begegnete er mit äußerster Ablehnung (siehe meinen Kommentar hier), hielt es für eine „dumme Idee“, weil es vorsehe, den Menschen einfach Geld zu geben. Liest man die Interviews, in denen er sich dazu äußerte, gewinnt man den Eindruck, dass er die vorbehaltlose Anerkennung, um die es beim BGE geht, mit Lebenslagen verwechselte oder in einen Topf warf, in denen jemand ganz andere Hilfen benötigt – was gar kein Einwand gegen ein BGE ist. Letztlich lassen seine Überlegungen, bei allem freilassenden Geist, den sie versprühen, zugleich einen Vorbehalt gegenüber Selbstbestimmung erkennen. Für Bergmann war es wichtig, jemanden zu etwas zu bringen, ein BGE will ermöglichen, dass jemand ergreifen kann, was er ergreifen will – oder es auch lassen.

Sascha Liebermann