Die von Susanne Wiest Anfang 2020 initiierte und von Prof. Bernhard Neumärker unterstützte Bundestagspetition zum #Grundeinkommen ist „abgeschlossen“, wie am 12.10.23 vom Ausschuss protokolliert wurde: https://t.co/GbScNe9w4z
— BGEjetzt (@Winters_Joachim) November 8, 2023
Der „Arbeitsanreiz“ als eindimensionale Erklärung…
…dafür, welche Auswirkungen ein komplexes und in mancher Hinsicht intransparentes System von Sozialleistungen haben könnte. Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium der Finanzen hat diesen Oktober eine Stellungnahme zur Reform der Grundsicherung vorgelegt und sich darin das Zusammenwirken verschiedener Leistungen angeschaut. Bekanntermaßen ist das Leistungsgefüge äußerst komplex, unübersichtlich und uneinheitlich. Uns soll hier aber nur interessieren, wie eindimensional über die Wirkungen von Leistungen darin gesprochen wird. Exemplarisch dafür ist folgende Passage:
„Das Bürgergeld bietet durch die Hinzuverdienstregelungen Anreize, eine Arbeit aufzunehmen. Der Anreiz, die Arbeitszeit zu erhöhen bzw. sich weiter zu qualifizieren, ist hier jedoch ab einem Bruttoeinkommen von 1.200 Euro ohne Kinder und 1.500 Euro mit Kindern nicht mehr gegeben, da dann sämtliche zusätzliche Einkommen mit dem Bürgergeld verrechnet werden. Dafür bietet knapp jenseits dieser Einkommensgrenzen das zweite Grundsicherungssystem weitere Arbeitsanreize, da hier das Nettoeinkommen mit dem Bruttoeinkommen erst einmal deutlich ansteigt. Allerdings bedingen die Anrechnungsregelungen für Wohngeld und Kinderzuschlag auch hier erneut weite Einkommensintervalle, in denen Arbeitsanreize entweder gar nicht (mit Transferentzugsraten von z.T. über 100 Prozent) oder nur in geringem Ausmaß vorhanden sind. Abbildung 1 zeigt dies exemplarisch durch den Ausweis der Bereiche, in denen die Grenzbelastung aus Sozialversicherungsbeiträgen, Lohnsteuern und Transferentzug für Haushalte bei über 85 Prozent liegt (in rot) und somit die Arbeitsanreize besonders gering sind.“ (Stellungnahme S. 16)
Wie in so vielen Stellungnahmen zu dieser Frage kreist die Erörterung der Zusammenhänge um eine einzige Dimension, und zwar die, ob und ab wann es sich „lohnt“ einer Erwerbstätigkeit nachzugehen und wann das nicht mehr der Fall ist. „Lohnt“ es sich, heißt in größter Vereinfachung, wann erhalte ich mehr Geld, also, was bringt mir das, um es ganz salopp auszudrücken.
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Der Klassiker: Was ich behaupte, dass für die anderen gelte, gilt doch nicht für mich…
.@diesedaphne ist für uns #losGzogen und hat sich durch Fußgängerzonen gefragt: Was denken die Menschen über Geld, Armut und Reichtum – und die Ungleichheit in unserer Gesellschaft?
In der ersten Episode geht es darum, was die Menschen eigentlich vom #Grundeinkommen halten. 🙌️ pic.twitter.com/5rZx5FV0jr
— Mein Grundeinkommen (@meinbge) October 27, 2023
…ganz am Ende des Kurzfilms.
Wer mehr solcher Straßeninterviews zum Grundeinkommen sehen möchte, sei an den Film von Daniel Häni und Enno Schmidt erinnert, „Grundeinkommen ein Kulturimpuls“, nach wie vor sehenswert.
Sascha Liebermann
That’s it
Unconditional Basic Income, by definition, is unconditional, hence claims of it being a tool for control are nonsense, when its essence is to provide freedom from domination by those who enjoy a position of power through others‘ lack of access to what they need to exist.
— Scott Santens (@scottsantens) October 26, 2023
What Scott Santens states here, does apply to any statement that asserts, UBI could be abused or redefined, so it would not be unconditional. That might happen, but it would be no UBI anymore.
Sascha Liebermann
„Eine andere Demokratie wagen?“
“ der Witz ist, diese direktdemokratischen Instrumente, die stärken das repräsentative System“,
Francis Cheneval in der sehenswerten Sendung,
„Eine andere Demokratie wagen? Der Philosophische Stammtisch“.https://t.co/Qjj8UKQnPN— Susanne Wiest 🌿 (@susannewiest) October 22, 2023
Siehe auch diesen Beitrag hier.
Sascha Liebermann
Eigenheiten der Methodik: standardisierte Befragungen
Davon abges. gehen Umfragen davon aus, dass die Befragten klar benennen könnten, weshalb sie sich für oder gegen etwas entschieden haben. Das entspricht nicht dem, was man in offenen Forschungsgesprächen („Interviews“) antrifft. Insofern sind Umfragen erheblich überschätzt (2/2)
— Sascha Liebermann (@SaschaLieberman) October 18, 2023
„’Wer nach sechs Monaten immer noch keinen Job hat,…
… muss einer gemeinnützigen Tätigkeit nachgehen. Wer dem nicht nachkommt, dem muss die Stütze deutlich gekürzt werden‘, sagte der 46-Jährige.“ Carsten Linnemann, CDU-Generalsekretär, äußerte sich in dieser Weise laut Tagesspiegel.
Man kann sich nun über den Ton ärgern, der hier angeschlagen wird, dass es Konsequenzen für unerwünschtes Verhalten geben müsse usw., man kann sich aber auch die Hinweise der Bundesagentur für Arbeit „Rechte, Pflichten und Leistungskürzungen“ durchlesen und fragen, inwiefern sich Linnemanns Vorschläge davon nun unterscheiden – außer im Ton? Gemeinnützige Tätigkeit (siehe Bürgerarbeit), das wäre etwas Neues, erinnert ein wenig an die „chain gangs“ aus der „welfare to work“-Diskussion, an dem sich manche Politiker Ende der 90er Jahre orientierten, unterstützt durch meinungsstarke Beiträge mancher Sozialwissenschaftler (von denen manch einer sich wiederum für ein Grundeinkommen erwärmen kann). Vereine, die von bürgerschaftlichem Engagement leben, würden sich gewiss bedanken, wenn nun jemand einen Dienst bei ihnen ableisten müsste oder doch dann eben „chain gangs“, Straßen kehren, Parks aufräumen?
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Das Bürgergeld, das Bürgergeld
Zwei unsachliche implizite Züge von Herrn Whittaker:
1. „Menschen in Arbeit bringen“: Er weiß nicht, ob Erwerbslose nicht unbezahlt arbeiten.
2. „…sie vom Staat abhängig machen“: Erwerbstätigkeit ist nicht Unabhängigkeit vom Staat.#BGE #Grundeinkommen https://t.co/vN3yenod9q
— BGE Eisenach (@bge_esa) October 16, 2023
Durch Sachlichkeit ist Kai Whittaker in diesem Zusammenhang in den vergangenen Jahren nicht unbedingt aufgefallen. Mit Bezug auf die Bild-Zeitung, die noch gerne skandalisiert, greift er deren Bericht darüber auf, dass Reinigungsfirmen vermelden, Angestellte würden kündigen, weil es das Bürgergeld gebe. Quelle dafür ist eine Umfrage unter entsprechenden Unternehmen. Dass die Gründe womöglich doch komplexer sind, als die Befragung zutage fördert, wird nicht einmal erwogen. Die Umfrage-Gläubigkeit ist bestechend. Wer ein wenig Erfahrung damit hat, wie anders sich Befragte in Forschungsgesprächen äußern, wieviel differenzierter und zugleich widersprüchlicher, wird auf den Befund der hier genannten Befragung nicht viel geben, schon gar nicht, ohne sie gesehen zu haben. Ein schöner Aufhänger für Bürgergeld-Bashing ist sie trotzdem.
Ein wenig vertiefende Lektüre in die Fraglichkeit solch vermeintlich einfacher Zusammenhänge wäre sinnvoll. Zu methodischen Beschränkungen standardisierter Befragungen siehe hier und hier.
Sascha Liebermann
„Mit dem bedingungslosen Grundeinkommen haben wir weniger Geld als zuvor“…
…so ist der Beitrag Christoph Sackmanns auf der Website des focus übertitelt, womit er eine Studie aufgreift, die jüngst auch in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung Gegenstand eines Beitrags war, siehe unseren Beitrag dazu hier.
Wenige Passagen seien kommentiert, denn im Unterschied zu Patrick Bernau in der FAZaS benennt Sackmann immerhin die Grenzen solcher Studien, wenn auch der Titel etwas anderes suggeriert. Zu Beginn des Beitrags allerdings erstaunt diese Bemerkung:
„Das Konzept eines bedingungslosen Grundeinkommens klingt verlockend. Der Staat zahlt jedem Bürger pro Monat einen gewissen Betrag. Es gibt keine Prüfung, ob jemand das Geld überhaupt benötigt, aber auch keine weiteren Sozialleistungen. Das Grundeinkommen soll ausreichen, damit jeder seine Existenz sichern kann und sich keine Sorgen um Wohnung und Lebensmittel machen muss. Gearbeitet werden darf trotzdem, doch der Arbeitslohn wäre dann nur noch ein Bonus.“
Als sei es selbstverständlich, stellt der Autor hier in den Raum, dass ein BGE den Sozialstaat vollständig ersetze, ohne Verweis, obwohl in der Diskussion dieser radikale Umbau nur ein Vorschlag unter anderen ist, vor allem dazu ein randständiger, den z. B. Thomas Straubhaar vertritt. Wobei man sagen muss, dass Straubhaar durchaus eingeräumt hat, dass die Ausgestaltung eine Frage der politischen Entscheidungsfindung ist und es sehr wohl weitere Leistungen geben könne. Hier wäre etwas Recherche angebracht gewesen. Allerdings kommt es öfter vor, dass der Vorschlag eines BGE mit den Ausführungen Straubhaars verbunden wird, so auch bei Georg Cremer, dem langjährigen Generalsekretär des Deutschen Caritasverbandes. Er begründet das allerdings damit, dass die anderen Versionen ja ohnehin nicht finanzierbar bzw. umsetzbar seien. Cremer sorgt sich dabei darum, dass die Einführung zu einer Verschlechterung der Lage führen würde.
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„Der Osten leert sich“…
…meldet die taz – es drängt sich die Frage auf, was diese Situation mit den geringeren Erwerbsmöglichkeiten in Ostdeutschland zu tun hatte und hat. Wie hätte sich das entwickelt, wenn die Einkommenssicherung nicht von Erwerbstätigkeit abhinge und in ihr das ehrwürdigste Ziel gesehen würde? Dazu hätte es eines Bedingungslosen Grundeinkommens bedurft, denn das hülfe auch strukturschwachen Regionen bzw. in Krisenkonstellationen. Doch, was nicht ist, kann ja noch werden.
Sascha Liebermann