„Einmal infiziert, für immer verseucht“ – ein Artikel über die Frankfurter Stadtentwässerung…

…und damit über die schmutzigen und unangenehmen Arbeiten, die mit einem Bedingungslosen Grundeinkommen angeblich nicht mehr geleistet würden. Der Beitrag gibt einen Einblick in das Ethos derer, die dort arbeiten und die Anstrengungen, die damit verbunden sind. Hier geht es zum Beitrag.

„Warum versagt die Volkswirtschaftslehre“ – eine Diskussion im SWR-Radio

Der reißerischen Titel soll womöglich aufmerksam machen, die Diskussion hingegen beschäftigt sich mit der grundsätzlichen Frage, wie sich Modellbildung und Wirklichkeit zueinander verhalten, eine Frage, die in das Zentrum der Sozialwissenschaften führt, zu denen auch die Wirtschaftswissenschaften gehören. Hier geht es zur Sendung. Sehen Sie zu weiteren methodischen Überlegungen auch den Kommentar zu diesem Beitrag

Der in diesem Kommentar erfolgte Hinweis auf andere Methoden jenseits statistischer Verfahren ist zutreffend, aber missverständlich. „Fallstudien“ sind in der Regel nur deskriptive Darstellungen einer konkreten Problemkonstellation, eine methodisch kontrollierte Analyse wird damit nicht geleistet. Dazu bedarf es fallrekonstruktiver Verfahren, hier besonders elaboriert ist die Objektive Hermeneutik (siehe auch hier). Im Unterschied zu statistischen Verfahren, die alle standardisiert Vorgehen, sowohl in der Datenerhebung wie auch in der -auswertung (Phänomene werden unter zuvor gebildete Kategorien subsumiert), zielen fallrekonstruktive Verfahren auf die Bestimmung des Allgemeinen im Besonderen und des Besonderen im Allgemeinen. Diese Vorgehensweise erlaubt es erst, real operierende Sinngebilde in ihrer Konkretion zu bestimmen und geregelt Schlussfolgerungen zu ziehen. Statistische Verfahren hingegen stoßen nur auf Korrelationen, sie sind keine Kausalitäten. Reinhard Selten, Nobelpreisträger, hat vor Jahren ebenfalls die Modellfixierung auf den homo oeconomicus kritisiert. Mit ist es selbst schon wiederholt begegnet, dass Wirtschaftswissenschaftler einer Kritik an diesen Annahmen entgegenhalten, sie bräuchten jedoch ein Modell, um rechnen zu können. Was aber soll ein Modell, das der Wirklichkeit nicht entspricht, berechnen können? 

Sascha Liebermann

Umfangreiche Darstellung von Mindesteinkommensmodellen aus dem Jahr 2003

Das Bundesamt für Sozialversicherung (Schweiz) hatte diese Studie in Auftrag gegeben, deren Ergebnis im Jahr 2003 veröffentlicht wurde. Sie ist praktisch, um einen Überblick zu erhalten, allerdings nicht mehr aktuell, da in den letzten zehn Jahren zahllose Veröffentlichungen hinzugekommen sind, wenngleich Grundzüge der Argumentation im wesentlichen gleich geblieben sind.

Die Macht der Maschinen…

…so betitelte der studierte Volkswirt und für Finanzen und Wirtschaft zuständige Redakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Gerald Braunberger, einen Artikel zur digitalen Revolution. Wie aber können Maschinen Macht haben? Der Artikel endet mit dem Satz: „Die neue Welt der Wirtschaft – die Welt der Daten, der Netzwerke, der Apps und der Roboter – wird nicht zuletzt auch die Bereitschaft zu neuem Denken erfordern.“ Leider aber bringt Braunberger selbst, wie die meisten seiner Zunftgenossen, diese Bereitschaft nicht auf. Denn obwohl er mit der folgenden in Amerika kursierenden Geschichte das Problem durchaus benennt, liegt eine einfache Lösung außerhalb seines Denkens: „Ein Unternehmensvorstand und ein Gewerkschaftschef besuchen eine durch Roboter hochautomatisierte Automobilfabrik, in der nur noch wenige Menschen arbeiten. Der Vorstand fragt den Gewerkschafter mit einem hochmütigen Lächeln: ‚Wie willst du meine Roboter dazu bringen, für deine Gewerkschaft zu streiken?‘ Der Gewerkschafter lächelt zurück: ‚Und wie willst du deine Roboter dazu bringen, deine Autos zu kaufen?'“ Wir brauchen nicht Roboter, die Autos kaufen, aber wir brauchen – so der volkswirtschaftliche Clou der Geschichte – Kaufkraft. Diese muss natürlich über die Produktivität geschaffen werden – aber die Verteilung kann, wie Braunberger in seinem Artikel zeigt, nicht mehr allein und überwiegend über die Arbeitsleistung gesteuert werden und die gewerkschaftlichen Versuche, mit dieser Begründung Arbeitsplätze zu sichern, sind re-aktionär und letztlich schon überholt. Da standisierbare Arbeiten in allen Bereichen standardisiert und standardisierte Arbeiten automatisiert und damit von Maschinen erledigt werden, ist menschliche Arbeit dort überflüssig, ja kontraproduktiv. Damit kann aber die menschliche Arbeitsleistung nicht mehr Grundlage für die Verteilung von Einkommen – und damit Kaufkraft – sein. Die einfache Lösung: die politische Gemeinschaft übernimmt die Verteilung von Einkommen an ihre Bürger – das wäre neues Denken. Natürlich nur dann, wenn die Verteilung nicht an bestimmte Voraussetzungen gebunden wäre, die dann bürokratisch kontrolliert würden – das wäre der bürokratische Kontrollstaat, den das östliche Deutschland vor nicht allzulanger Zeit erst überwunden hat, der aber in unserer Sozialbürokratie nach wie vor am Werke ist; vielmehr kann die Verteilung nur bedingungslos erfolgen, wenn sie die Freiheit der Bürger nicht beeinträchtigen, sondern im Gegenteil ermöglichen soll. Durch den Titel des Artikels wird aber dieses neue Denken geradezu abgewiesen, legt er doch nahe, wir müssten den Maschinen die Macht nehmen, müssten also Maschinenstürmerei betreiben, um zu verhindern, was die MIT-Forscher, die Braunberger heranzieht, so beschreiben: „Demnach wird es nurmehr zwei Gruppen von Beschäftigten geben. Das ist zum einen die Gruppe jener Beschäftigten, die den Computern sagen, was sie zu tun haben. Die zweite Gruppe wird aus Beschäftigten bestehen, denen die Computer sagen, was sie zu tun haben. Auf eine attraktive Bezahlung wird nur die erste Gruppe rechnen können.“ In diesem Szenario sind es aber nicht die Maschinen, die Computer, die Macht haben, sondern diejenigen, die sie programmieren und einsetzen. Macht über die zu Niedrig- oder auch Mindestlohn Arbeitenden können sie aber nur haben, solange diese auf ein Erwerbseinkommen angewiesen sind. Nach Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens würde jeder selbst entscheiden können, unter welchen Bedingungen er einer Erwerbsarbeit nachgehen möchte. Gewiss würde dies die Entwicklung, die Braunberger beschreibt, noch beschleunigen: die Automatisierung vorantreiben – aber dies geschähe dann eben zum Nutzen aller.

Thomas Loer