„Frauen übernehmen einen Großteil der Kinderbetreuung in der Coronakrise“ – angesichts der Verehrung von Erwerbstätigkeit nicht überraschend

Die in Der Spiegel referierte Studie der Hans-Böckler-Stiftung gelangt zu Einsichten, die nicht überraschen können, es sei denn man hätte die Entwicklung der letzten vierzig Jahre übersehen. „Emanzipation“ stand darin nicht im politischen Sinne, nicht bezüglich der Frage der Autonomie (nicht zu verwechseln mit Autarkie) als solcher im Zentrum, es war immer „Emanzipation“ zur Erwerbsteilnahme angestrebt oder polemisch ausgedrückt: Das Alleinernährermodell wurde allverbindlich. Auf der Strecke blieb dabei, wofür einmal Anerkennung gefordert wurde, die „unsichtbare Arbeit“ heute auch „unbezahlte Arbeit“ genannt. Der Aufwertung von Erwerbstätigkeit als für alle verbindlicher Maßstab, führte zugleich zu einer weiteren Abwertung von Haushaltstätigkeiten, damit zu einer Abwertung von Familienleben und -beziehungen.

Nun war es aber schon zu Zeiten geringerer Frauenerwerbstätigkeit ein Missstand, dass Väter so wenig präsent waren. Man muss sich nur einmal vor Augen führen, wieviel Zeit vom Tag übrigbleibt bei Vollerwerbstätigkeit. Nehmen wir den heutigen Acht-Stunden-Tag, zuzüglich Mittagspause und Pendelzeiten, sind wir schnell bei etwa zehn Stunden durchschnittlicher Abwesenheit. Allzuviel Präsenz in der Familie ist damit für Vollerwerbstätige nicht möglich, ganz gleich ob für Mütter oder Väter. Was hat sich verändert? Der Missstand gilt nun für beide, mit einem Unterschied.

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„Sie ist einfach so gut darin, sich um alles zu kümmern“ – ein irreführender Titel…

…eines Beitrag auf Zeit Online. „Sieben Väter reden über ihren Corona-Alltag“ und irreführend ist der Titel, weil er die Spannungen unterschlägt, das Hin- und Hergerissensein zwischen Familie und Beruf, die in den „Protokollen“, wie der Beitrag untertitelt ist, zum Ausdruck kommt. Deutlich wird, dass die Väter sehr wohl wahrnehmen, wie hin- und hergerissen sie sind, zwischen Familie und Beruf, die sie durch ihre Heimtätigkeit anders wahrnehmen, mehr mitbekommen als zuvor, aber nicht wirklich Schlüsse dahingehend ziehen, dass sich etwas langfristig etwas ändern müsste. Auch ihre Frauen sind erwerbstätig und dennoch übernehmen sie mehr der Aufgaben, die sich nun im Alltag aufdrängen. Auch sie aber stellen nicht in Frage, welche Dominanz dem Erwerbsleben heute zukommt. Das ist eine drastische Folge der übermäßigen Bedeutung, die Erwerbstätigkeit erhalten hat.

Siehe frühere Beiträge zu dieser Frage von uns hier.

Sascha Liebermann

„Grundeinkommen – es ist Zeit“…

…, ein Aufruf zur „ernsthaften politischen Debatte über die Einführung eines Grundeinkommens“ ist von Dagmar Paternoga, Werner Rätz, Ronald Blaschke und Franz Segbers initiiert worden. Etliche Unterstützer haben ihn schon unterschrieben. Zeitgleich zum Aufruf ist in der Wochenzeitung der Freitag ein Begleitartikel der Initiatoren erschienen. Auf der Website des Netzwerk Grundeinkommen hat Ronald Blaschke darüber geschrieben.

Die Initiative Freiheit statt Vollbeschäftigung hat den Aufruf nicht unterzeichnet. Wir sind der Auffassung, dass es eine erhebliche Debatte bereits gibt – und das schon seit langem. Der Vorschlag eines BGE ist fest etabliert und wird seit Jahren in der Öffentlichkeit in all seinen Facetten hin- und hergewendet. Nun die Öffentlichkeit zur Debatte aufzufordern, erscheint uns – anders als ein Aufruf, der sich – wie etwa die Petition von Susanne Wiest oder der Aufruf von Tonia Merz – an Entscheidungsträger richtet, redundant.

Sascha Liebermann

„Was heute Mainstream ist, war im Januar Verschwörungstheorie und umgekehrt“…

Norbert Häring weist auf einen Beitrag des Bayrischen Rundfunks im Rahmen der Sendung „Quer“ vom Januar hin, in dem diejenigen, die SARS-CoV2 für gefährlicher als die Influenza halten, als „Verschwörungstheoretiker“ eingeordnet werden. Die Sendung soll ja wohl als kritisch gelten, die Macher sollten heute einmal eine Sendung über ihre damalige Sendung machen. Heute sind diejenigen pauschal Verschwörungstheoretiker, die das Gegenteil von damals behaupten.

Die Kategorisierung als „Verschwörungstheorie“ bzw. „-theoretiker“ kann dazu dienen, jede differenzierte Diskussion abzukanzeln und sollte nur gebraucht werden, wenn tatsächlich entsprechende Darlegungen zu erkennen sind. Dass es solche Theorien gibt, würde ich nicht bestreiten, aber gerade am hier vorliegenden Fall sieht man gut, wie die Abkanzelungen die Seite wechseln, je nach Stimmungslage. Journalismus hat die Aufgabe, differenziert zu berichten, statt Stimmung zu machen.

Siehe hierzu eine Rekonstruktion der Fehleinschätzungen bezüglich des Virus auf der Website der tagesschau.

Sascha Liebermann

„Arbeit – demokratisieren, dekommodifizieren, nachhaltig gestalten“ – ein blasses Manifest, erwerbsbezogen, keine Rede von Grundeinkommen…

…, das in der deutschen Fassung bei Zeit Online veröffentlicht wurde. Zur englischen und weiteren Fassungen geht es hier. Über 3000 Wissenschaftler haben unterzeichnet, teils sehr bekannte, darunter mancher, der sich für ein Bedingungsloses Grundeinkommen schon ausgesprochen hat. Statt von diesem ist im Manifest jedoch nur von einer job guarantee die Rede, in Anlehnung an Art. 23 der Erklärung der Menschenrechte. Diese Bezugnahme ist aber auch bezeichnend:

„Ein Weg, um dies zu erreichen, ist die Schaffung einer Arbeitsplatzgarantie („job guarantee“). Artikel 23 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte erinnert uns daran, dass jeder Mensch „das Recht auf Arbeit, auf freie Berufswahl, auf angemessene und befriedigende Arbeitsbedingungen sowie auf Schutz gegen Arbeitslosigkeit“ hat. Eine Arbeitsplatzgarantie würde nicht nur jeder Bürgerin und jedem Bürger Zugang zu einer Arbeit bieten, die ein Leben in Würde ermöglicht, sie würde auch unsere kollektive Fähigkeit entscheidend stärken, die vielen drängenden sozialen und ökologischen Herausforderungen zu bewältigen, vor denen wir gegenwärtig stehen. Eine Arbeitsplatzgarantie würde es den Regierungen ermöglichen, auf lokaler Ebene menschenwürdige Arbeit bereitzustellen und gleichzeitig zu den immensen Anstrengungen im Kampf gegen den ökologischen Zusammenbruch beizutragen.“

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Grundeinkommen, Negative Einkommensteuer – die normative Seite muss betrachtet werden…

…denn vom verfügbaren Einkommen aus betrachtet, scheint es auf dasselbe hinauszulaufen, normativ jedoch nicht. Im Fall einer Negativen Einkommensteuer (NES) wird das Mindesteinkommen immer in Relation zu Erwerbseinkommen gesetzt, bei Zunahme des letzteren schmilzt ersteres ab. NES und Erwerbseinkommen werden stets ins Verhältnis zueinander gesetzt. Damit bleibt das Mindesteinkommen durch NES eine Antwort auf Einkommensmangel. Ein Bedingungsloses Grundeinkommen setzt anders an, es fragt nicht, ob ausreichend Einkommen vorhanden ist, vielmehr wird es in Absehung davon bereitgestellt und nicht durch direkte Besteuerung abgeschmolzen. Zwischen BGE und Erwerbseinkommen besteht keine Abhängigkeit, in der NES ist das sehr wohl der Fall. Das ist der entscheidende normative Unterschied, denn ein BGE hebt den Vorrang von Erwerbstätigkeit auf, d. h. das Gebot Erwerbstätigsein zu sollen und diese Tätigkeit als besondere herauszuheben. Die NES macht das nicht, weil Erwerbseinkommen stets den Vorrang behält. Es ist eine der Feinheiten in der BGE-Diskussion, dass dieser Unterschied häufig nicht beachtet wird. Wenn es keine normative Direktive mehr geben soll, die über die Wertigkeit von Handeln bestimmt, muss die Person um ihrer selbst willen Anerkennung finden und nicht in Relation zum Erwerbsstreben. Das leistet nur ein BGE, nicht eine NES.

Sascha Liebermann

„Die Alleingelassenen“ – Selbständige in der Corona-Krise…

…darüber schreibt Der Spiegel auf seiner Website. Hier ein Auszug:

„Doch wenn es um die Frage geht, wie etwa Soloselbstständige in der aktuellen Situation ihre Existenz retten können, verweist der Bund lieber auf das Arbeitslosengeld II. Der Zugang zu Hartz IV sei im Zuge der Coronakrise extra erleichtert worden: Die Vermögensprüfung sei einfacher und Kosten für Unterkunft und Heizung sollen für sechs Monate ab Antragstellung in tatsächlicher Höhe übernommen werden, ohne dass die Angemessenheit der Wohnung wie sonst üblich überprüft wird.“

Wie erleichtert das vonstatten geht oder auch nicht, hängt von der Umsetzung ab, dafür sind die Länder verantwortlich. Wieder ein schönes Beispiel dafür, was ein BGE hätte leisten können, wenn wir es schon hätten.

Sascha Liebermann