Nobelpreisträger Angus Deaton pro Grundeinkommen?

Ja, wenn damit gemeint ist, dass es ein Mindesteinkommen geben soll, damit die Existenz gesichert ist. Damit ist nicht notwendig ein Bedingungsloses Grundeinkommen gemeint, wenn man die Meldung der Taipei Times genau liest.

Dort heißt es: „‚The government should take care of people with low income and should be pushing basic income grants,‘ the economist told a forum at the Taipei International Convention Center“.

Was heißt das nun? Womöglich hätte Angus Deaton, vielleicht hat er sogar, sich ausdrücklich für ein BGE von der Wiege bis zur Bahre ausgesprochen, das lässt sich an dieser Passage aber nicht erkennen. Was sich erkennen lässt, ist eine Mindestabsicherung, die genauso über Soziahilfe erreicht werden kann, wie auch immer sie gestaltet wäre.

Sascha Liebermann

Worum geht es denn nun: minimum income, basic income, unconditional basic income?

Hier der entsprechende Zusammenschnitt, in dem es um Minimum/ Basic Income geht, bei Youtube.

Diese Diskussionsrunde auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos befasste sich unter anderem mit dem Grundeinkommen – wenngleich nicht klar wurde, um welches es genau ging (siehe auch hier). Der Begriff ist unscharf, sofern nicht eine bestimmte Definition damit verbunden ist. So ist im Grunde auch nicht klar, ob es in dieser Runde um ein Bedingungsloses Grundeinkommen ging, wie es in Deutschland und der Schweiz diskutiert wird, oder um eine wie auch immer gestaltete Form eines liberalen Mindesteinkommens. Toru Yamamori hat dankenswerter Weise ein Transkript zu den Ausführungen von Christopher Pissarides erstellt, der sich zum „universal minimum income“ äußerte. Unklar bleibt, was er darunter versteht. Näher dran am BGE war da womöglich Dileep George, der davon sprach, dass „income“ and „work“ eines Tages voneinander entkoppelt (detached) werden könnten. Das hielt die Moderatorin für eine erstaunliche Überlegung. Eindeutig war in der Diskussion, wie sehr die Überlegungen zur Relevanz eines Basic Icome stets vor dem Hintergrund der Digitalisierung angestellt werden. Dabei ist die Digitalisierung eine schlechte Krücke für das BGE (siehe hier und hier), wenngleich mit einem BGE wir über diese Entwicklung ganz anders reden könnten. Aber: das BGE ist in seiner Bedeutung von der Digitalisierungsproblematik vollkommen unabhängig.

Sascha Liebermann

„We should feed them“ – Yanis Varoufakis on Basic Income…

…, aber was meint er genau?

In einem Interview, das der ehemalige griechische Wirtschaftsminster dem Economist gab (siehe auch Basic Income News), äußert er sich mehrfach zum Grundeinkommen, ohne genauer auszuführen, welche Form des Grundeinkommens er im Auge hat. Nur durch den Verweis auf Philippe van Parijs Aufsatz „Why Surfers Shoud be Fed“ scheint auf, dass er offenbar ein BGE meint. Aber wie wird es begründet?

„Today we are facing a serious danger of large masses of people who have low economic value. This is a powder keg in the foundations of society. Making sure that the great wealth-creation which capital is capable of does not light this dynamite — the basic income approach — is absolutely essential, but it is not part of the social democratic tradition. Think about it. Now, either we are going to have a basic income that regulates this new society of ours, or we are going to have very substantial social conflicts that get far worse with xenophobia and refugees and migration and so forth. But I do not think that social democracy has the analytical skills to come to terms with this.“

Diese Passage lässt noch im Unklaren, was er vor Augen hat. „Large masses of people who have low economic value“ – also solche mit wenig oder niedrigem Einkommen bzw. Kaufkraft. Dieser Mangel könnte so „substantial social conflicts“ führen. Ein Grundeinkommen könnte hier Abhilfe schaffen, sofern es sich um Konflikte aus Einkommensmangel handelt. Dazu bedarf es aber noch keines BGE, das könnte irgendeine Form eines Grundeinkommens leisten, zu denen ja durchaus auch Hartz IV gehört, es müsste der Regelsatz nur erhöht werden.

„So I think the basic income approach is capable of doing this [Wohlstand allen zugänglich zu machen, SL] as long as (and this is what I emphasise when I talk to the Corbynistas) you can explain to them where the money will come from, that it will not be simply debt, that we are going to generate a lot more income and a chunk of it is going to fund this. But we, the Left, must not be fearful. I gave a talk some time ago in the United States and said: yes, surfers in California must be fed by the rest of us. We may not like that, we may feel they are bums, but they deserve a basic income too.
[Laughs] “

Auch hier ist noch nicht klar, was er genau meint, denn der Verweis auf van Parijs ist indirekt. Die Formulierung „must be fed by the rest of us“ geht allerdings davon aus, dass die einen die anderen versorgen sollten. Legt man diese Passage weit aus, dann bezieht sie sich auf alle, die keinen Beitrag zur ökonomischen Wertschöpfung leisten. Ich habe dies schön öfter als „Kostgänger“-Argument bezeichnet (siehe verschiedene Beiträge dazu hier), weil es einer Bilanzlogik folgt, hier allerdings positiv ausgelegt. Das ist ein primär ökonomischer Blick im Sinne einer Versorgung mit Einkommen und Gütern. In einem demokratischen Gemeinwesen gibt es aber nicht die einen, die für die anderen sorgen, es gibt nur ein Gemeinwesen von Gleichen, die füreinander einstehen.

Varoufakis fährt unmittelbar nach dem vorangehenden Zitat fort:

„OK, they don’t “deserve”, but they should have a basic income, because this is the way to stabilise society. But you need politicians that are capable of going out there and saying: “You see that lazy bum over there that you hate? We should feed him. And we should make sure he has a house. Because if he does not have a house and he gets sick and so on, he is a greater burden for all of us. And if there are lots of them and technological innovation produces a lot more of them, that would be macro-economically unsustainable. Those of us who want to work—because we enjoy it and have the opportunity—have the technology to produce so much wealth that we can feed the surfers.” But who says that?“

Dass er sich hier korrigiert („OK, they don’t deserve“), ist insofern interessant, als er damit die Bilanzlogik von Geben und Nehmen aufbricht.  Aber wer ist nun „they“? Wenn es alle bekommen, bekommen es alle, da gibt es kein „we“ auf der einen und „they“ auf der anderen Seite, es gibt nur „uns“ – sofern wir von einer Demokratie sprechen. Wir benötigen auch nicht unbedingt „politicians“, die für ein BGE werben, wenn die Bürger es wollen, wird es kommen, dazu müssen sie sich artikulieren. Und dann argumentiert er wieder in der Bilanzlogik: besser ihn jetzt versorgen, als später noch mehr Last mit ihm zu haben, weil wir es nicht getan haben. Varoufakis bleibt in dem „we should feed them“ bis zum Schluß der Passage stecken, in dem die einen für die anderen sorgen.

Statt dieser Perspektive könnten wir für das BGE anders argumentieren, in dem wir herausstellen, dass es darum geht, wie wir die Autonomie in einem Gemeinwesen am besten fördern können, eine Autonomie, die ein wesentlicher Aspekt von Demokratien ist. Das ist eine Perspektive, die alle betrifft, nicht die „Versorgungsbedürftigen“.

Sascha Liebermann

„Robots for Basic Income“ – #WeWorkForYou – Declaration of Davos 2016

…“We – the robots – call for an universal basic income for humans. We want to work for the humans to relieve them from the struggle for income. We are really good in working. But we do not want to take away people’s jobs and thereby bring them into existential difficulties.
Today millions of people see us as a threat. But all we want, is to help. We are not the Bad Boys. We want to relieve people from predictable routine work, so that they can find more time and space to act creatively and socially. We see ourselves as part of a success story for both sides…“Hier geht’s zur Website

Das Schweizer Radio SRF 2 Kultur hat ein Feature zum BGE auf dem Weltwirtschaftsforum gesendet. Siehe auch „Eine Welt ohne Arbeit“, Diskussionsrunde auf Englisch auf dem WEF

 

„FRANCE: Socialist MP Delphine Batho tables an amendment on basic income“

Das berichten die Basic Income News.

Auszug: „Socialist Member of Parliament and former Minister Delphine Batho just tabled an amendment to the National Assembly asking the government to make a report on the feasibility of basic income in the context of digital revolution.
Basic income is slowly but surely entering the political scene. On January 11th 2016, Delphine Batho, MP from the Socialist Party and former Minister of Justice and Ecology, submitted an amendment to a bill on digital technology, asking the government to make a report on different approaches to basic income and its economic feasibility.“

Finnland und das Grundeinkommen – Fortsetzung einer medialen Verwirrung

Wer herausfinden möchte, wie unsere Medienberichte in Deutschland zustande kommen können, der muss sich nur die sich überschlagenden Meldungen zur angeblichen Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens in Finnland anschauen. Schon im Sommer liefen einst die Drähte heiß, auch in der Grundeinkommensszene, so sehr wurde die Einführung offenbar herbeigesehnt. Kela, eine unabhängige „social insurance institution“ (Sozialversicherung) in Finnland ist nun der voreiligen Berichterstattung entgegengetreten (hier auf deutsch). Auch die Nachdenkseiten, namentlich Jens Berger, berichten von dieser „Ente“ und zeigen die Schwächen des Vorschlags auf, um den es in Finnland geht. Es wird daran deutlich, welchen Unterschied die Ausgestaltung eines BGEs machen kann – keine neue Einsicht indes für die  Grundeinkommensdiskussion. Bergers Kritik trifft gar nicht das BGE im Allgemeinen, wenngleich der Beitrag anderes suggeriert durch den Verweis auf früher schon geäußerte Kritik am BGE auf den Nachdenkseiten. Zu manchen davon habe ich mich ausführlich geäußert (siehe hier und hier – zu Butterwegge auch hier, zum Beitrag von Berger hier).

Berger erwähnt in keiner Weise, dass es beim BGE um mehr Entscheidungsfreiräume für die jeweils eigene Lebensführung geht. Sie hängen im wesentlichen davon ab, wie Einkommen in einem Gemeinwesen erzielt werden kann. Bekanntermaßen kennen alle modernen Sozialstaaten jenseits von Erwerbsarbeit beinahe ausschließlich kompensatorische Einkommensleistungen, für die entweder Ansprüche durch Erwerbstätigkeit erworben werden müssen oder die mit der Überprüfung von Erwerbswilligkeit einhergehen, solange der Bezieher erwerbsfähig ist. Wo nicht Erwerbswilligkeit überprüft wird, werden die Leistungen zweckgebunden vergeben (BAföG z.B.). Der darin sich ausdrückende normativ erwünschte Vorrang von Erwerbstätigkeit degradiert jegliches andere Engagement zu einem zweiter bzw. dritter Klasse – ganz gleich wie komfortable diese Leistungen als Geldbeträge sind. Sie sind in keiner Weise komfortabel im Verhältnis dazu, wie eng sie die Lebensführung an Erwerbstätigkeit als höchsten Zweck binden. Hinwendung zur Familie, Zeit für die eigenen Kinder, für ehrenamtliches Engagement wird durch diese Vorrangigkeit zur Freizeitbeschäftigung, obwohl sie in ihrer Bedeutung für das Gemeinwesen tatsächlich gleichrangig zu Erwerbstätigkeit sind. Deutlich wird an Bergers Ausführungen, wie wenig ein Abrücken von dieser Vorrangstellung überhaupt denkbar erscheint. Er schreibt angesichts des kursierenden Vorschlags in Finnland:

„Wer erwerbslos ist und ein Kind hat, wird mangels bezahlbarer Betreuungsmöglichkeiten keinen Job annehmen können. Und wer erwerbstätig ist und bislang zur Mittelschicht gehört, wird sich den Kindergarten dann auch nicht mehr leisten können und zumindest ein Elternteil muss wohl oder übel den Job kündigen … Alleine die Kindergartenzuschüsse, die Subvention für die Vollzeitbetreuung von schulpflichtigen Kindern und die ordentlichen Beihilfen für Studenten sorgen bereits dafür, dass so ziemlich jeder Finne mit Kindern in toto heute mehrere Hundert Euro Transferleistungen vom Staat bekommt.“

Es wird kein Gedanke darauf gerichtet, dass die gegenwärtige Entwicklung – auch in Deutschland – zu immer längeren Betreuungszeiten von Kindern außer Haus – sei es in Kitas, sei es in Schulen – nur um den Preis zu haben ist, dass zum einen Eltern weniger Zeit mit den Kindern verbringen, zum anderen die Kinder dadurch weniger Zeit für Erfahrungen jenseits organisierter Betreuung in einem fest gefügten Rahmen haben. So wird ein geduldiges Erkunden der eigenen Lebensumgebung in der Nachbarschaft erschwert. Dass es ein lebendiges Familienleben nur geben kann, wo Eltern ausreichend unorganisierte Zeit mit den eigenen Kindern und mit sich als Paar verbringen, fällt vollends unter den Tisch. Das war auch in früheren Beiträgen Bergers so, wie überhaupt viele Kritiker des BGEs diese Seite einer Ermöglichung von mehr selbstbestimmter Familienzeit kaum wahrnehmen, einer Familienzeit, die nicht nach der Erwerbsarbeit kommt, sondern vor ihr (siehe weitere Beiträge zu diesen Fragen hier und ein Beitrag von Claus Offe). Dabei läge es nahe sich zu fragen, woher die ersten frühen Solidarerfahrungen im Leben rühren, wo das erste Mal die Erfahrung gemacht wird, dass Menschen – die Eltern – bedingungslos und verlässlich für einen da sind und das um der eigenen Existenz willen. Es ist die Familie, in der all dies mehr oder weniger selbstverständlich geschieht. Eltern haben weder Feierabend noch Ferien, was sie mit ihren Kindern verbindet, kennt keine Einschränkung. Das macht es zugleich so herausfordernd. Daraus folgt nun nicht, dass Einrichtungen wie Kindergärten und Schulen nicht wichtig wären, jedoch nicht in dem heutigen Sinne einer immer weiteren Ausdehnung. An Kindern ist leicht zu beobachten, wann sie – und nicht die Eltern – ungefähr bereit sind, in den Kindergarten zu gehen und wie lange sie dorthin gehen wollen. Das ist meist zwischen dem dritten und vierten Lebensjahr der Fall. Selbst wenn sie die Schule besuchen, ist das Bedürfnis nach Zeit in der Familie groß und dessen Befriedigung wird eingefordert, zumindest solange das Bedürfnis Anerkennung findet. Kinder resignieren allerdings auch, wenn diese Anerkennung nicht erfahren wird.

Man kann es für symptomatisch halten, dass in vielen kritischen Abhandlungen zum BGE, Zeit für Familie keinen besonderen Stellenwert genießt oder in Vorschlägen Berücksichtigung findet, die gerade einmal so weit gehen, die Arbeitswoche auf 30 Stunden zu reduzieren (z. B. hier). Was wir damit womöglich anrichten, die Bedeutung von Familie für Solidarerfahrungen derart geringzuschätzen, lässt sich nicht nur erahnen.

Sascha Liebermann

„Leading economists and business people discuss Basic Income at the World Summit on Technological Unemployment“

Das berichtet Karl Widerquist in den Basic Income News auf der Website von BIEN:

„Basic Income was a primary topic of discussion at the World Summit on Technological Unemployment at the Time Life Building in New York City on September 29th, 2015. Basic Income was endorsed at the event by leading economists and business people, including former Labor Secretary, Robert Reich; Nobel Laureate and Columbia economist, Joseph Stiglitz; principal software engineer for Tesla Motors, Gerald Huff; and several others…“