Ein Ausblick auf das Wahlkampfjahr – das bedingungsloses Grundeinkommen bei Maischberger

Am 10.3. war Susanne Wiest, Initiatorin der Petition zum bedingungslosen Grundeinkommen an den Deutschen Bundestag, bei Maischberger (Link zur Sendung) zu Gast. Schon der Titel der Sendung „Panik um den Job. Muss der Staat uns alle retten“ der war irreführend, denn der Staat ist nicht das Almosenamt, von dem wir etwas erbeten, der Staat ist die Gemeinschaft der Bürger. Wenn wir uns an ihn wenden, wenden wir uns an uns selbst.

Gibt es Neues über die Einwände gegen das BGE zu berichten?

Nein. Frau Wiest hat es verstanden, genau diesen Zusammenhang, dass wir eine Bürgergemeinschaft sind und uns fragen müssen, wie wir ein Leben in Würde und Selbstbestimmung ermöglichen können, deutlich zu machen. Unbeirrt von statistischen Nebelkerzen zum gegenwärtigen Beschäftigungsstand, die die Politprofis gerne zünden, und diese als „Tatsachen“(Lesen Sie die Ausführungen von Wolfgang Strengmann-Kuhn) feilbieten, hat Frau Wiest die Freiheit, die das BGE eröffnen würde, verteidigt. Angesichts der geballten Kraft der Talkshowprofis in der Runde war das kein leichtes Unterfangen, denn diese grundsätzlichen Fragen wollte niemand stellen.

Wolfgang Clement meinte noch zu Beginn der Sendung, Freiheit sei ein Grundwert der SPD – man fragte sich unweigerlich, von welcher Partei er sprach, denn in unserem Land setzt sich die SPD für die Freiheit, die das BGE meint, nicht ein – andere aber auch nicht. Keiner der Herren in der Runde, auch Herr Wallraff weder in seinem Kleinkrieg mit Herrn Clement noch in seinem anklagenden Ton (die Besserverdienenden sollen das BGE nicht bekommen), hat die Tragweite des BGE verstanden. Mit ihm wären alle Bürger dadurch anerkannt, dass sie als Bürger das BGE erhalten und nicht würden sie „versorgt“, wie Herr Röttgen meinte. Das BGE ist kein Versorgungsinstrument, sondern ein Mittel zur Ermöglichung, es schüfe mehr Freiräume. Ob sie sich dann noch beraten lassen oder qualifizieren wollen, läge in ihrer Hand.

Wer wie Wolfgang Clement zu seiner Amtszeit „Vorrang für die Anständigen“ forderte, um gegen den vermeintlich hohen Sozialleistungsmissbrauch zu kämpfen, von dem kann man wohl nicht erwarten, dass er ein Auge für die Selbstbestimmung der Bürger hat. So legt sich dann die paternalistische Bevormundung den Mantel der Fürsorglichkeit um, plädiert statt für die Freiheit für Qualifizierungsmassnahmen, die natürlich immer auch bedeuten: Massnahmen der Arbeitsagentur, Zwangsqualifizierung statt Bildung durch Selbstbildung – oder kurz gesagt: Integration von oben auf ein bestimmtes Ziel hin. Auch hier konterte Frau Wiest treffend (sinngemäß): Ich kann mich selbst um meine Bildung kümmern und muss nicht „versorgt“ werden.

Herr Röttgen (CDU) bemühte für sein Verständnis von Eigenverantwortung und Solidarität das Subsidiaritätsprinzip, das in diesem Zusammenhang gerne angeführt wird, weil es angeblich gegen ein BGE spreche. Herr Röttgen hätten selbst stutzen müssen, als er davon sprach, der Mensch als tätiges Wesen habe laut Katholischer Soziallehre Vorrang – ja, ganz recht, nicht aber als Erwerbsarbeiter. Subsidiarität und BGE sind kein Gegensatz, wie er behauptet hat. Wer allerdings Eigenverantwortung auf individualistische Autarkie verkürzt, der ist davon überzeugt, wie Herr Röttgen, dass der Einzelne sich zuerst einmal selbst zu versorgen habe. Eine weltfremde Vorstellung, denn der Einzelne kann sich nicht selbst versorgen, er lebt von den gemeinschaftlichen Leistungen aller – immer und überall. Das ist kein Missstand, der beseitigt werden müsste, es ist vielmehr eine Notwendigkeit unseres Zusammenlebens: Wir sind alle notwendig „Kostgänger“ unseres Gemeinwesens. Es wäre ein Schritt der Befreiung anzuerkennen, dass Freiheit nur durch Gemeinschaft der Bürger möglich ist.

Die Sendung gab einen Ausblick darauf, was uns in diesem Wahlkampfjahr erwartet – die Parteien stecken fest, sie wandeln auf ausgetretenen Pfaden, wie auch Frau Maischberger feststellte. Die BGE-Befürworter sind um so mehr aufgerufen, in diesem Jahr mit vielen Wahlkämpfen diese vielen Möglichkeiten zu ergreifen, um das BGE bekannter zu machen und Politiker mit ihm zu konfrontieren. Die Finanzkrise erweist sich als Chance, denn sie ist eine Sinnkrise.

Sascha Liebermann

"Arbeit und Freiheit im Widerspruch?" – Buch zum BGE bei VSA

Das Buch geht auf einen Workshop im Juni zurück, der vom Forum Neue Politik der Arbeit in Dortmund veranstaltet wurde. Er dient dazu, die Diskussion um ein BGE mit den Gewerkschaften anzustößen. Beiträge u.a. auch von Ute Fischer, Thomas Loer und Sascha Liebermann.

Hartmut Neuendorff/Gerd Peter/Frieder O. Wolf (Hrsg.)
Arbeit und Freiheit im Widerspruch?
Bedingungsloses Grundeinkommen –
ein Modell im Meinungsstreit

VSA: Verlag, Hamburg 2008
192 Seiten, 16,80 Euro

Rezension von Philip Kovce

Gleiches Kindergeld für alle, Kinder-BGE – Schritte zum BGE für alle Bürger?

Wäre ein bedingungsloses Grundeinkommen für Kinder zwingend ein Schritt zu einem allgemeinen für alle Bürger? Anlässlich eines Beitrages von Claus Schäfer, „Ein Kindergeld für alle“ (Frankfurter Rundschau vom 2. Februar), soll diese Frage erörtert werden. Er spricht sich zwar darin nicht ausdrücklich für ein Kinder-BGE aus, seine Argumente jedoch verweisen uns auf einen grundsätzlichen Unterschied zwischen Kinder- und Bürger-BGE.

Mit seinem Vorschlag will Claus Schäfer die Ungleichheit bisher gewährter Leistungen für Kinder beseitigen – ein begrüßenswerter Vorschlag. Es handelt sich allerdings nicht um eine bedingungslose Gewährung, denn die Höhe des Kindergeldes soll vom Einkommen der Eltern abhängig sein und mit steigendem Einkommen sinken. Der Vorschlag folgt damit dem Prinzip der Negativen Einkommensteuer, da das Kindergeld unterhalb einer bestimmten Einkommensgrenze in voller Höhe ausgezahlt werden soll – vergleichbar einer Steuergutschrift. Dass Schäfer an diesem Prinzip festhält, zeigt auf der einen Seite, dass Kinder eben doch nicht um ihrer selbst willen geschätzt werden. Ihr Status wird vom Einkommen der Eltern abhängig gemacht. Zum anderen ist es eben ein Kindergeld, dessen Bezug mit dem Erreichen eines bestimmten Alters bzw. bestimmter Lebensphasen endet.
Sehen wir davon einmal ab und stellen uns vor, das Kindergeld würde tatsächlich bedingungslos gewährt. Sähe es dann anders aus?

Man könnte meinen, es sei nur ein kleiner Schritt von der Forderung nach einem Kinder-BGE zu einem für alle Bürger – tatsächlich aber vergleicht man Äpfel mit Birnen.
Gegenwärtige Regelungen zum Kindergeld bringen zum Ausdruck, dass wir Kinder als besonders schützenswert erachten und es ihnen deswegen an einer Mindestausstattung nicht fehlen darf. Von ihnen wird nicht verlangt, eine Gegenleistung für erhaltene Transferleistungen zu erbringen. Von daher hat das Kindergeld eine große Nähe zu einem Kinder-BGE.

Doch bei aller Nähe ist der Unterschied zum allgemeinen BGE einer im Grundsatz. Erwachsene gelten nach unseren Systemen sozialer Sicherung nicht als bedingungslos schützens- oder förderungswert, dem Status der Bürgerrechte zufolge hingegen schon. Denn sie werden bedingungslos verliehen. Weil wir aber noch nicht bereit sind, aus der bedingungslosen Gewährung der Bürgerrechte die Konsequenz zu ziehen, auch Transferleistungen für Erwachsene bedingungslos zu gewähren, bleiben sie gegenwärtig an Gegenleistungspflichten gebunden. Das unterscheidet Leistungen für Erwachsene grundsätzlich von denen für Kinder. Weil wir von Erwachsenen verlangen, zuerst bestimmte Ziele (Erwerbsarbeit) zu verfolgen und selbst dann, wenn sie dies nicht können, das Erwerbsideal als normative Forderung bestehen bleibt – deswegen erhalten sie nur eine bedingte Unterstützung.

Was also auf den ersten Blick nahe zu liegen scheint, das Kinder-BGE als Einstieg in ein allgemeines zu betrachten, trügt. Es wäre erst ein solcher Schritte, wenn seine Einführung als Zwischenschritt zum Bürger-BGE ausdrücklich gälte. Ein Kinder-BGE als solches führt aber keineswegs zum Bürger-BGE.

Sascha Liebermann

"Alles ist möglich" – Radiosendung über bedingungsloses Grundeinkommen

Jürgen Torunsky greift in seiner Sendung „Alles ist möglich“ im Bermudafunk wieder einmal den Vorschlag eines bedingungslosen Grundeinkommens auf. Interviews mit Susanne Wiest, Andy Körber (Teil 1, Teil 2) und Sascha Liebermann (Teil 1, Teil 2) .

Sendetermin: 2. Februar, 22 Uhr.
Heidelberg 105,4 MHz
Mannheim 89,6 MHz
Livestream

: Bermudafunk

Orientierungslosigkeit in der Finanzmarktkrise?!

Staunen kann man gegenwärtig angesichts politischer Entscheidungen zur Stützung von Unternehmen. Jüngst hat die Teilverstaatlichung der Commerzbank für Aufruhr gesorgt, weil der Bund einen übermäßig hohen Preis für viel zu wenig Anteile an der Bank bezahlt hat (ca. 18. Mrd für 25% angesichts dessen, dass die Bank nur 4 Mrd. wert sein soll; siehe Nachdenkseiten; siehe auch Lucas Zeise in der Financial Times Deutschland). Nicht einmal ausreichend Einfluss hat er sich gesichert, um über das Geschäftsgebaren mitreden zu können.

Warum das alles? Sehen wir einmal von Vorwürfen der Verfilzung von Politik und Finanzwirtschaft ab, die nun häufiger zu hören sind, dann zielt das am meisten vorgebrachte Argument für die staatlichen Maßnahmen – auch in Sachen der Automobilindustrie – auf die Erhaltung von Arbeitsplätzen. Wir wissen zwar nicht, ob diese Maßnahmen dazu beitragen, Arbeitsplätze, die erhaltenswert sind, auch zu erhalten. Die Begründung wird zumindest bemüht – und sie verfängt, wie es scheint (jüngst wird auch von der systemischen Bedeutung bestimmter Unternehmen gesprochen, die gestützt werden müssten, damit die Gesamtwirtschaft nicht Schaden nimmt). Es mangelt auch nicht an Alternativvorschlägen zum Vorgehen der Bundesregierung, doch auch sie zielen meist darauf, Arbeitsplätze zu erhalten.

Diese Fixierung erklärt auch, weshalb zugleich die Daumenschrauben bei Arbeitslosengeld I und II angezogen werden sollen. Damit setzt sich fort, was in den letzten Jahren auch dazu beigetragen hat, der Diskussion um ein bedingungsloses Grundeinkommen Aufwind zu verschaffen. Doch: (Erwerbs-)Arbeitsplätze sind kein Selbstzweck, sie sind nicht in jedem Fall Orte der Leistungserbringung und schon gar nicht die einzigen. Ob also die Arbeitsplätze, um die mit den Maßnahmen gekämpft wird, erhaltenswert sind, das wissen wir nicht, wir können es von außerhalb der Unternehmen nicht sagen. Solange wir – die Bürger – auf das Einkommen aus diesen Arbeitsplätzen angewiesen sind, um ein selbstbestimmtes Leben zu führen, solange müssen wir die Unsicherheiten aushalten, die mit der Fremdbestimmung einhergehen.

Vertrauensbildung, das sei wichtig angesichts der Situation, aber keine der Massnahmen weist langfristig einen Ausweg. Die Finanzkrise lenkt von den Fragen ab, die mit dem Vorschlag eines bedingungslosen Grundeinkommens aufgeworfen sind: Freiheit, Selbstbestimmung, Stärkung der Bürger usw.

Mit einem bedingungsloses Grundeinkommen im Rücken würden manche Gründe, die für die Maßnahmen heute angeführt werden, in der Luft zerplatzen. Dann würde sich zeigen, ob die Arbeitsplätze, die erhalten werden sollen, auch von den Arbeitnehmern als erhaltenswert beurteilt werden. Manche Verunsicherung unter Bankern – aber auch unter allen anderen Berufsgruppen – könnte der Zuversicht weichen, sich mit einem BGE neue Wege zu bahnen, sei es im Bankwesen, sei es woanders.

Sascha Liebermann

"Mehr Geld für alle" – und die Ideenlosigkeit der Journalisten

Jüngst gab es wieder einmal Gelegenheit im Fernsehen, bei Anne Will (Sendung vom 7. Dezember), eine Diskussusion zu sehen, in der auch das bedingungslose Grundeinkommen – mit Götz W. Werner – Thema war. Bei der Selbstbeweihräucherung der Sendung sich aufzuhalten, in der wie in vielen anderen, zwanghafte Witzigkeit zulasten sachhaltiger Diskussion geht, wollen wir uns nicht lange aufhalten – auch wenn es ärgerlich ist, was ARD und ZDF sich auf Kosten der Gebührenzahler für ein Starwesen unter den Moderatoren leisten.

Schon die Reaktionen auf die Sendung zeigen die Fantasielosigkeit der Journalisten, die offenbar nicht (mehr?) fähig sind, von der gegenwärtigen Lage zu abstrahieren und sich die Möglichkeiten, die ein BGE schafft, einmal vorzustellen. Man lese nur, was Die Welt und Spiegel Online zur Sendung geschrieben haben. Deutlich anders ist der Artikel bei Telepolis „Von der Finankrise in die 20-80-Gesellschaft“ ausgefallen.

Unsere Politiker, obwohl sie zu keinem anderen Zweck von uns delegiert werden, trauen sich offenbar auch nicht, nach Vorne zu denken – nicht einmal die der jüngeren Generation wie Philipp Mißfelder (zumindest in der Sendung, später wurde anderes vermeldet). Das ist besonders bedenklich, sitzt er doch in der Kommission der CDU, die sich mit dem Solidarischen Bürgergeld beschäftigt. Auch der sich seines volkswirtschaftlichen Sachverstandes rühmende Thilo Sarrazin konnte nicht nachvollziehen, welche volkswirtschaftliche Dynamisierung ein BGE ermöglichte. Damit setzt er fort, was er früher schon zum BGE geäußert hat. Auch den Hinweis von Götz W. Werner angesichs der in der Sendung heraufziehenden Schelte zum Gemeinwohl nichts beitragender ALG II-Empfänger, dass alle Steuerlast der Verbraucher trage und deswegen selbstverständlich alle Transferleistungsempfänger ebenfalls zum Steueraufkommen – damit auch zum Gemeinwohl – beitragen, blieb unverstanden.

Zumindest könnte man mit einer gewissen Erleichterung feststellen, dass die Teilnehmer der Runde vorsichtig waren, als es darum ging, Auswege aus der Misere vorzuschlagen. Doch diese Zurückhaltung hatte den Beigeschmack, einer Abwehr gegenüber grundsätzlichem Nachdenken zu entspringen. Viel wurde davon gesprochen, das Vertrauen der Bürger wiederzugewinnen, dass es jedoch gerade die Politiker, die das Vertrauen der Bürger nicht steigen, sondern sinken lassen, wenn die ewig gleichen doch längst inhaltsleeren Behauptungen in Schaukämpfen zum Besten gegeben werden, scheint ihnen nicht in den Sinn zu kommen.

Doch, so unsinnig auch Prognosen sind, es lässt sich sehr wohl etwas über mögliche Wirkungen etwaiger Maßnahmen angesichts der Finanzkrise sagen. Man muss sie nur darauf hin betrachten, wo sie ansetzen, was sie voraussetzen, damit sie wirken und ob diese Wirkungen im Verhältnis zu dem, was wir haben, erhebliche Veränderungen bedeuten würden. Gerade hier ist es erstaunlich, wie engstirnig mit dem BGE umgegangen wird. Die ganze Diskussion über Konsumgutscheine, Steuersenkung und zusätzliche Investitionen zur Ankurbelung der Binnenwirtschaft stellte sich doch vollkommen anders dar, wenn es eine Grundabsicherung gäbe, auf die wir uns immer verlassen könnten. Es könnte, eben ohne Verpflichtung, konsumiert und investiert werden, worein auch immer.

Statt Konsumverpflichtung und Vollbeschäftigung zur Ankurbelung der Wirtschaft zu fördern, könnten Selbstbestimmung und Konsumverzicht als gemeinwohldienlich wertgeschätzt werden. Das wäre mit einem BGE der Fall. Damit würde auch endlich sichtbar, was ohnehin heute schon gilt: Alle sind in einem Gemeinwesen von allen abhängig, und nicht – wie dem kleinbürgerlichen Verständnis der liberalen Idee, das der Generalsekretär der FDP, Dirk Niebel, vertrat – leben die einen auf Kosten der anderen.

Wir sollten nicht die Idotie der Vollbeschäftigung durch die der Konsumpflicht ersetzen, als seien beide Ziele um ihrer selbst willen. Der Grund unseres Gemeinwesens ist unserer – der Bürger – Selbstbestimmung. Ob sie durch politische Entscheidungen gefördert wird, darauf sollten wir unser Augenmerk richten, statt die Bürger in den Dienst der Wirtschaft zu stellen.

Sascha Liebermann

Vollbeschäftigung und Grundeinkommen

…so ist ein Beitrag von Wolfgang Strengmann-Kuhn übertitelt, der in der aktuellen Ausgabe der Online-Zeitschrift Ethik und Gesellschaft mit dem Titel „Rückkehr der Vollbeschäftigung oder Einzug des Grundeinkommens?“ erschienen ist. Weitere Beiträge zum Grundeinkommen finden sich auf der Website der Zeitschrift. Besonders hinweisen möchten wir auf den Beitrag des DGB-Vorsitzenden Sommer, der zeigt, was von den Gewerkschaftsoberen zu erwarten ist.

Grundeinkommen im Schweizer Radio DRS

In der Sendung „Reflexe“ war das Grundeinkommen Thema. Zum Interview eingeladen waren Daniel Häni und Enno Schmidt von der Initiative Grundeinkommen Basel.

Der Beitrag ist sehr hörenswert, weil Daniel Häni und Enno Schmidt es verstehen, übliche Einwände humorvoll und punktgenau aus den Angeln zu heben. Der Beitrag steht als Podcast bereit.

Finanzkrise, Bürgschaften, Rationalisierung, Arbeitsplätze – eine wirkliche Lösung: das bedingungslose Grundeinkommen

Von Bürgschaften für die Automobilindustrie, womöglich auch für andere Branchen bzw. einzelne Unternehmen ist viel die Rede (aktuell wieder von Franz Walter Steinmeier). Unter anderem haben Auswirkungen der Finanzkrise Unternehmen in Bedrängnis gebracht. Dabei sind auch solche, wie General Motors, das schon lange als Restrukturierungsfall bezeichnet wird, auch Opel scheint nicht ohne. Nun sollen die politischen Gemeinschaften mit ihrem Steueraufkommen zu Hilfe eilen – meist mit der Begründung, Arbeitsplätze zu sichern, denn auch Zulieferungbetriebe seien vom Wohlergehen der Automobilhersteller abhängig. Dabei sind verschiedene Aspekte der Problemlage nicht so einfach voneinander zu unterscheiden: Was sind tatsächlich Auswirkungen der Finanzkrise, was sind Auswirkungen lange überfälliger Rationalisierungs- und Restrukturierungsmassnahmen, was sind Auswirkungen von leistungshemmenden Arbeitsbedingungen, was solche eines bevormundenden Systems sozialer Sicherung, wie wir es gegenwärtig haben? Ist die Finanzkrise gar ein Vorwand, endlich Entlassungen vorzunehmen, die anders kaum hätten gerechtfertigt werden können? Man denke nur an den Aufschrei, wenn trotz Unternehmensgewinnen Mitarbeiter entlassen werden – als müsse das im Widerspruch zueinander stehen.

Das bedingungslose Grundeinkommen ist kein Allheilmittel, aber eine Lösung, die sehr weitreichend ist und die vor allem manche Gründe, die nun für Bürgschaften und Konjunkturprogramme angeführt werden, obsolet machte. Mit einem BGE ließe sich leichter erkennen, wo Probleme bestehen. Aus Gründen der Arbeitsplatzerhaltung müssten Bürgschaften oder finanzielle Unterstützungen an Unternehmen nicht fließen, wenn es ein BGE gäbe. Denn die Mitarbeiter, die nun womöglich vor einer Entlassung stehen, wären abgesichert. Aber auch alle anderen, die vielleicht schon lange sich mit dem Gedanken tragen, beruflich andere Wege zu gehen, könnten dies mit einem BGE, gerade angesichts der Lage, einfacher tun. Mit einem BGE wäre es Unternehmen möglich, in konjunkturellen Hoch- wie in Niederzeiten, Personal kurzzeitig freizustellen bzw. einzustellen, sofern die dann verhanlungsmächtigeren Mitarbeiter sich darauf einließen. Rationalisierungsmassnahmen, die eine Substituierung menschlicher Arbeitskraft durch Maschinen mit sich brächten, wären erwünscht und kein beklagenswertes unliebsames Übel. Die gegenwärtig in der Automobilbranche ins Auge gefasste Kurzarbeit angesichts schon lange bestehender Überkapazitäten wäre unproblematisch, denn die Binnenwirtschaft würde darunter nicht im selben Maße leiden wie heute, Konsum-und Investitionsmöglichkeiten blieben durch das BGE erhalten.

Ein BGE machte Konjunkturprogramme als Instrumente makropolitischen Gegensteuerns nicht überflüssig, zumindest aber stellt sich die Frage anders, wozu sie denn dienen sollen (siehe auch die Diskussion mit Katja Kipping). Das allerorten anzutreffende Argument, unsere Binnenwirtschaft leide unter mangelnder Kaufkraft, Kaufkraft gebe es aber nur, wo Einkommen erzielt wird, folglich müssten Arbeitsplätze geschaffen werden, verfinge nicht mehr, wenn wir ein BGE einführen würden. Das Einkommen wäre ohnehin vorhanden.

Die Finanzkrise ist also nicht, wie manche unken, eine Gefahr für die Diskussion um ein BGE, sie ist gerade eine Chance, um deutlich zu machen, wie verschiedene Probleme, vor denen wir stehen, miteinander zusammenhängen und welche Auswege ein BGE böte.

Sascha Liebermann

Die Soziologin spricht über das Leben – und verwechselt es mit Statistik

Aus der Soziologie, die etwas dazu sagen könnte, hört man wenig über Forschungsergebnisse zur Autonomie der Lebensführung und Gemeinwohlbindung, die Aufschlüsse über mögliche Auswirkungen eines bedingungsloses Grundeinkommen zulassen. Um so aufmerksamer sind die Ausführungen von Jutta Allmendinger zu lesen, die sich im Gespräch mit Götz Werner im Online-Magazin Chrismon zu ähnlichen Fragen äußert. Es sei dem Leser überlassen, was man aus den Ausführungen der Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) über den Zustand der Soziologie herauslesen kann. Was zum BGE gesagt wird, kommentieren wir.

chrismon: Viele Menschen quälen sich morgens aus dem Bett, weil sie arbeiten müssen.
Allmendinger: Die meisten Menschen würden arbeiten, aber viele in anderen Jobs als heute. Ich bin in der luxuriösen Situation, mir meine Arbeit weitgehend wählen zu dürfen. Aber nicht alle Menschen haben eine Bildung, wie ich sie genießen durfte, weil ich zufällig im richtigen Elternhaus groß geworden bin.

Was lässt diese Antwort nun erwarten? Plädiert sie dafür, dass Menschen mehr Möglichkeiten erhalten sollten, wählen zu können? Das wäre konsequent. Gemeint ist wohl, dass Bildung die Wahlmöglichkeiten verbessert. Das ist statistisch betrachtet der Fall, nicht aber für den Einzelnen gesichert (wie auch Paul Krugman weiß), wie man an zahlreichen, sich von einem zum nächsten befristeten Arbeitsvertrag hangelnden Wissenschaftlern und Freiberuflern sehen kann.
Frau Allmendinger entgegnet dann auf die Äußerung Götz W. Werners, der feststellt, dass auch viele Akademiker arbeitslos seien:

Allmendinger: Das stimmt so nicht. Unter Akademikern sind, statistisch betrachtet, keine drei von hundert Menschen arbeitslos. Unter den Bildungsarmen im Osten sind es 50 von hundert.
Werner: Also fast drei Prozent! Ist das nichts? Wie viel Hunderttausend Menschen stehen dahinter?

Was aber ändert der statistische Befund am Einzelschicksal? Gar nichts, wie Werner treffend feststellt. Für eine Vorstellung von Politik, die Probleme über Planung lösen will, ist ein solcher Befund relevant, nicht aber für eine, die den Einzelnen im Auge hat und seine Möglichkeiten maximieren will.

Allmendinger: Sie sehen das Problem individuell. Aufs Ganze gesehen bedeutet eine Arbeitslosenquote von drei Prozent Vollbeschäftigung. Das Thema Akademikerarbeitslosigkeit wird in den Medien überbetont.

Das Einzelschicksal werde also überbetont. Für den Einzelnen ist diese Auskunft eine Verhöhnung, denn er ist nicht nur arbeitslos, er sieht sich auch dem ALG-Apparat gegenüber. Dass die von Frau Allmendinger genannte Zahl eine willkürliche Definition darstellt, dass „Arbeitslosigkeit“ ohnehin ein Artefakt ist, insofern sie davon bestimmt wird, auf welchem Weg wir unser Einkommen erhalten bzw. nicht erhalten – heute durch sozialversichungspflichtige, abhängige Beschäftigung, sei hier nur erwähnt.

chrismon: Wird es in Zukunft so stete Berufsbiografien geben, wie die heutige Rentnergeneration sie gelebt hat?
Allmendinger: Lebensläufe, die Brüche aufweisen, sind produktiver. Ich wünsche mir mehr davon. Sie nehmen ohnehin zu.

Man staunt. Soll doch der Einzelne darüber entscheiden ob er mit solchen Brüchen leben will. Auf der Basis einer Absicherung durch ein BGE könnte er es tun. Jedoch eine Lebensmaxime daraus zu machen und an der Arbeitshauspolitik der vergangenen Jahre festzuhalten, die antifreiheitlich ist, ist zynisch.

chrismon: Ist Hartz IV, konkret das Arbeitslosengeld II, nicht schon so etwas wie ein Grundeinkommen?
Werner: Nein. Das Arbeitslosengeld II wird nicht bedingungslos gezahlt. Wer es beantragt, muss sich dafür rechtfertigen und seine Lebensverhältnisse offenbaren. Hartz IV ist offener Strafvollzug. Die Menschen sind ihrer Freiheitsrechte beraubt.
Allmendinger: Aber Ihr Grundeinkommen wäre deutlich niedriger als Hartz IV, wenn Sie bei 800 Euro im Monat beginnen.
Werner: Aber jeder kann dazu verdienen.
Allmendinger: Sie rechnen das Grundeinkommen doch auch an. Wenn Sie 800 Euro als Grundeinkommen haben und 2000 durch Erwerbsarbeit verdienen, entfällt das Grundeinkommen.

Abgesehen davon, dass Frau Allmendinger Bildung nur als Bildung für den Arbeitsmarkt begreift, hat sie sich offenbar auch mit der Diskussion um das BGE wenig beschäftigt, zumindest verwechselt Sie das BGE Herrn Werners mit dem von Herrn Althaus.
Und dann bringt Frau Allmendinger etwas zur Sprache, was auch in der BGE-Diskussion umstritten ist. Zwei verschiedene Vorstellungen von Gerechtigkeit sind zu erkennen.

Allmendinger: Sicher, aber man muss doch leben! Angenommen ich habe nur 800 Euro Grundeinkommen pro Monat. Sie, Herr Werner, haben 10000 Euro, Grundeinkommen plus Verdienst. Pro Monat geben wir beide 300 Euro für die nötigsten Lebensmittel, Toilettenpapier und Kleidung aus. Um unsere Grundbedürfnisse zu decken. Das Ergebnis: Gemessen an unseren Einkommen würde ich mehr Steuern zahlen als Sie.
Werner: Ja, schon. Aber wir hätten beide 300 Euro eingesetzt, aber mir bleiben 9700 Euro. Das Grundeinkommen heißt nur: Hier ist die Teilhabe, jetzt zeig mal, was du kannst! Die Frage ist, was man mit seinen Talenten macht.

Und eine weitere Passage, an der zu erkennen ist, dass sich die Wissenschaftlerin nicht auf die Umgestaltungsmöglichkeiten durch ein BGE einlässt und sie einfach bezweifelt statt zu argumentieren.

chrismon: Und wer leert dann die stinkende Biomülltonne?
Werner: Die Frage drückt die Haltung aus, dass man Menschen zwingen muss, etwas zu tun, was man selbst nicht tun will. Wer eine Leistung haben will, hat drei Möglichkeiten: erstens einen attraktiven Arbeitsplatz zu schaffen, an dem diese Leistung erbracht wird. Zweitens: Wenn sich niemand findet, der die Leistung erbringt, muss man diesen Arbeitsplatz noch attraktiver gestalten und die Arbeit besser bezahlen. Dritte Möglichkeit: Sie machen es selbst.
Allmendinger: Sie haben die Hoffnung, dass ein Grundeinkommen würdevolle Jobs schafft. Ich bezweifle das.

Die Frage der Freiheit wird immer auf die Frage reduziert, wie komme ich am beste
n in den Arbeitsmarkt, wie in der folgenden Passage zu sehen ist. Das Leben erscheint immer nur als Leben für einen ‚Job’, eines außerhalb ist für Frau Allmendinger nicht denkbar. Sie trifft damit zwar die heutige Lage, denn wer ohne Einkommen ist, hat ein Problem. Gerade das aber würde ein BGE ja ändern, die Orientierung am ‚Job’ wäre nicht mehr notwendig, diejenige am Beruf, an der Berufung jedoch viel mehr als heute möglich.

Allmendinger: Für Sie wären 800 Euro Gold wert gewesen, weil sie gute Voraussetzungen hatten, vor allem eine gute Ausbildung. Auch ein Grundeinkommen schafft nicht automatisch gleiche Zugangschancen. Dieses Gerechtigkeitsprinzip ist in unserer Gesellschaft durchbrochen. Menschen mit niedriger Bildung bekommen schlechte oder keine Jobangebote. Sie vertreten da ein elitäres Konzept. Denen, die viel haben, wird noch mehr gegeben.
Werner: Jetzt öffnen Sie sich doch mal! Wenn alle ein Grundeinkommen hätten, könnten alle etwas tun, ohne dass es gleich ums Verdienen geht. Das würde ehrenamtliche Arbeit befördern, Bürgerinitiativen, Sozialarbeit. Schon heute gibt es 22 Millionen Menschen in Deutschland, die ehrenamtlich arbeiten!

Ist das alles, was die Soziologie dazu zu sagen hat? Ein Grund mehr, auf die Bürger und ihr Engagement für ein BGE zu setzen.

Sascha Liebermann