„Wegen KI werden bis zu 70 Prozent aller beruflichen Aufgaben wegfallen“…

…so ist ein Interview mit Peter Kirchschläger, Professor an der Universität Luzern, in Der Bund aus Bern übertitelt, in dem es um Folgen der Nutzung Künstlicher Intelligenz in den kommenden Jahren geht und wie darauf geantwortet werden könnte (ein weiteres Interview hat er News.at gegeben). In früheren Beiträgen hatten wir deutlich gemacht, dass die Einführung eines BGE nicht direkt mit etwaigen Folgen der Digitalisierung zusammenhängt und entsprechend auch eine Begründung, die sich daran bindet, nur eine schwache Begründung für ein BGE ist. Warum? Weil ein BGE dann nur als Reparaturmaßnahme für Defekte des Arbeitsmarktes benutzt würde und entsprechend nicht eingeführt werden müsste, wenn diese sich nicht einstellten. Kirchschläger allerdings schlägt gar kein BGE vor, nur ein Grundeinkommen, so nennt er es. Wie begründet er das?

„Was sollte man stattdessen machen?

[Kirchschläger] Ehrlicher wäre es, anzuerkennen, dass wir das System demokratisch so anzupassen haben, damit in Zukunft alle von der Wertschöpfung durch DS profitieren können.

Wie könnte eine solche Anpassung aussehen?

[Kirschschläger] Fällt die Vollbeschäftigung weg, dann verlieren viele Menschen nicht nur ihr Einkommen. In meinem Buch führe ich 40 Funktionen auf, die eine Arbeitsstelle bietet, darunter Sinn- und Identitätsstiftung oder eine Tagesstruktur. Dem müssen wir Rechnung tragen, zum Beispiel mit meinem Society-, Entrepreneurship-, Research-Time-Modell, kurz Sert.“

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Beschäftigung statt Leistung und Wertschöpfung…

…siehe dazu unsere Beiträge hier.

Ob nun Chat GPT die Folgen hat, die hier benannt werden, werden wir sehen. Ein BGE begründet das alleine nicht und schon gar nicht vor allem.

Sascha Liebermann

KI, Digitalisierung und Bedingungsloses Grundeinkommen haben nur mittelbar miteinander zu tun,…

…auch wenn ihre etwaigen Folgen für die Arbeitswelt immer wieder als vermeintlich gute Begründung für die Einführung eines BGE genannt, geradezu als Notwendigkeit beschworen werden. Es handelt sich aber um eine Verkürzung und sogar Verkehrung, denn es mag zwar so kommen können, dass ein BGE die probate Antwort ist, es ist aber nicht von der Entwicklung des Arbeitsmarktes abhängig, es ist davon unabhängig, obwohl nun gerade angesichts der demographischen Entwicklung wieder seine Abwegigkeit in den Raum gestellt wird (siehe hier und hier). Ein BGE bedarf nur einer Bezugnahme, der auf die bestehende demokratische Ordnung.

Sascha Liebermann

„Das bedingungslose Grundeinkommen ist der falsche Ansatz“…

…sagt Sabine Pfeiffer, Professorin für Soziologie, in einem Interview für das Jubiläumsmagazin der Baden-Württemberg Stiftung aus dem Jahr 2020. Darin geht es um Digitialisierung und ihre etwaigen Folgen für die Arbeitswelt. Ziemlich gleich zu Beginn wird der Zusammenhang zum Grundeinkommen aufgeworfen:

„Warum? Wäre ein gutes Leben ohne Arbeit nicht möglich, gesichert über ein bedingungsloses Grundeinkommen?

[Pfeiffer] Das bedingungslose Grundeinkommen ist der falsche Ansatz, denn dabei bleibt die Verteilungsfrage außen vor. Internationale Konzerne erzielen heute unglaubliche Produktivitätsgewinne, weil ihre Prozesse weitgehend automatisiert sind. Das hat in den vergangenen Jahren auch zu einer starken sozialen Ungleichheit gefü̈hrt: Immer mehr Geld landet in immer weniger Händen. Und gleichzeitig denkt man über ein wie auch immer geartetes, ausgehandeltes Grundeinkommen nach – im Vergleich zu den Gewinnen ist das letztlich ein Almosen. Es wäre unmenschlich, die Gesellschaft in Almosenempfänger und Superreiche aufzuteilen – ein soziales Miteinander ist da schwer vorstellbar.“

Pfeiffers Antwort fällt grundsätzlich aus, nicht werden Aspekte eines BGE kritisch beleuchtet, sie hält es insgesamt für falsch, weshalb? Die Verteilung bleibe außen vor. Stimmt das? Wenn ein BGE pro Person bereitgestellt wird und über die Lebensspanne verfügbar ist, ist das nicht eine erhebliche Verteilung und wirkt relativ stärker dort, wo heute Einkommen niedrig sind (ein entsprechendes Steuerwesen vorausgesetzt)? Neben diesem direkten Effekt gibt es einen indirekten, die Machtverteilung. Wer zu jedem Zeitpunkt Nein sagen kann zu Arbeitsbedingungen, ist mächtig. Zugleich kann er Angebote machen, von denen er nicht abhängig ist, er ist also tatsächlich in einem Maße selbstbestimmt, wie es heute nicht der Fall ist. Pfeiffer verweist dann auf internationale Konzerne und deren Gewinne, im Vergleich dazu sei ein BGE ein Almosen. Da es sich um einen Rechtsanspruch handeln würde, wäre es gerade kein Almosen, das eine willkürliche Spende darstellt. Wichtig wäre natürlich die Höhe des Betrages in Kaufkraftverhältnissen. Überhaupt erstaunt der Vergleich, denn im Vergleich zu Milliardengewinnen ist jedes Arbeitnehmereinkommen ein „Almosen“.

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„Das (bedingungslose) Grundeinkommen“ – ein Übersichtsartikel von Kuno Rinke…

…auf der Website der Bundeszentrale für politische Bildung. Am Ende des Beitrags ist von der Diskussion um etwaige Folgen der Digitalisierung für die Arbeitsplätze die Rede, dort wird Sascha Liebermann mit dem Ausdruck zitiert, es handele sich bei den Aussagen darüber, welche Folgen nun eintreten, um „Kaffeesatzleserei“. Damit ist gemeint, dass Voraussagen darüber, wie diese Technologie eingesetzt wird und welche Möglichkeiten sich bieten werden, nicht verlässlich möglich sind. Davon abgesehen hängt die Nutzung zum einen davon ab, ob sie im einzelnen Fall vernünftig ist oder nicht, zum anderen davon, ob sie politisch gewollt ist und gefördert wird (siehe dazu hier und hier).

Kuno Rinke hat gemeinsam mit Christoph Butterwegge den Band Grundeinkommen kontrovers herausgegeben, der einige Autoren versammelt, u. a. haben auch Ute Fischer und Sascha Liebermann einen Beitrag beigesteuert.

Berechtigte Anmerkung, aber auch: Welche Rolle spielt der politische Konsens für einen defensiven Umgang…

…mit Automatisierungsmöglichkeiten? Denn diese Frage wird in der Studie nicht untersucht und die Daten würden sich dafür nicht eignen, handelt es sich um standardisierte Daten, die es nicht erlauben, Entscheidungsprozesse bzw. die ihnen unterliegenden handlungsleitenden Überzeugungen zu untersuchen. Ich habe mich dieser Frage vor vielen Jahren einmal intensiver gewidmet (siehe hier und hier).

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„Die Zukunft der Arbeit“ – ein Szenario mit dem Blick nur auf Erwerbstätigkeit…

…das wird angesichts des Beitrags von Helmut Spudich in Der Standard über die Veränderung der Normarbeitszeit und den Rückgewinn an Lebenszeit durch Automatisierung schnell deutlich. Er bewegt sich auffälligerweise nur im Dunstkreis von Arbeit als Erwerbstätigkeit. Entsprechend wird z. B. ein Grundeinkommen nur im Sinne eine Antwort auf Einkommensausfall thematisiert oder die Verkürzung der Arbeitszeit nur auf den Erwerbsarbeitstag bezogen. Für „unbezahlte Arbeit“ gibt es weder Arbeitszeit noch Einkommensausfallssicherung. Für sie stellt sich auch die Frage nach ihrer Zukunft nicht, denn es wird sie geben, solange es Menschen gibt, was für die Erwerbstätigkeit ganz genauso gilt – die Frage ist für letztere allenfalls in welchem Umfang.

Sascha Liebermann

„Warum KI die Arbeit nicht abschaffen wird“ – die Erwartung ist aber ohnehin abwegig

Zu diesem Thema schreibt Andrea Komlosy auf Project Syndicate. Darin findet sich folgende treffende Beschreibung:

„Unsere derzeitige enge Definition von Arbeit geht auf das Ende des neunzehnten Jahrhunderts zurück, als die zunehmende Dynamik der Großindustrie zu einer weitgehenden Trennung von Arbeitsplatz und Haushalt führte. In industriellen Kernregionen wurde Arbeit auf die Erwerbsarbeit außerhalb des Hauses reduziert, während Hausarbeit, Subsistenzlandwirtschaft und der nachbarschaftliche Tauschhandel plötzlich nicht mehr als Wert in die Berechnungen einflossen. Diese unbezahlten Tätigkeiten verschwanden weder aus der Peripherie noch aus dem Zentrum der Weltwirtschaft, wurden aber nicht zur Arbeitswelt gezählt. Kein Lohn bedeutete keine Anerkennung, keine statistische Erfassung und keinen Zugang zu öffentlichen Leistungen.“

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