„Should we support the many basic income experiments that aren’t actually testing UBI?…

…Questioning the strategy of non-universal cash grant pilot experiments“, ein Beitrag von Scott Santens zum Stellenwert von Feldexperimenten. Santens weiß um die Begrenzung, um die begrenzte Aussagekraft, sieht jedoch eine strategische Seite daran, um Mitstreiter zu gewinnen. So kann man die Sache sehen und ihr etwas Positives abgewinnen. Man könnte sich aber auch fragen, ob das nicht eine zweifelhafte Strategie ist, denn Ergebnisse, die vorliegen, müssen noch bewertet werden und sie können gerade deshalb der Debatte zweifelhafte Dienste erweisen und sie schwächen. Warum nicht gleich die Sache direkt angehen, indem die Frage gestellt wird, welcher Sozialstaat gewünscht ist, welcher der Demokratie angemessen wäre, welche Elemente eines solchen schon vorhanden sind und wie der vorhandene im Sinne der Demokratie weiterentwickelt werden kann? Das erfordert, Nebelkerzen beiseite zu räumen, die in der Debatte immer wieder geworfen werden, wie z.B. die Bruttokosten, der Nichtbrauchereinwand, der die Rechtsansprüche auf Freibeträge heute übersieht usw. Eine öffentliche Auseinandersetzung, damit sich ein Willensbildungsprozess entfalten kann, ist wichtiger als Feldexperimente.

Siehe unsere Beiträge zu Feldexperimenten hier.

Sascha Liebermann

„Pilotprojekt Grundeinkommen“ – Einsichten und Aussichten

Zum zweiten Mal schon hat der Vorschlag eines Bedingungslosen Grundeinkommens in diesem Jahr erhebliche mediale Aufmerksamkeit gefunden. Als aufgrund der Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus im Frühjahr Kontaktbeschränkungen erlassen wurden, in deren Folge Einkommen für viele Bürgerinnen und Bürger wegbrachen und sich die Frage stellte, wie dem begegnet werden könnte, wurde das BGE medial aufgegriffen. Auch gab es Petitionen auf verschiedenen Wegen, die zumindest für die Zeit der Krise eine Art Grundeinkommen vorschlugen. Im vergangenen August wiederum war der Anlass ein anderer. Michael Bohmeyer, Gründer des Berliner Vereins „Mein Grundeinkommen“, kündigte unter dem Motto „Wir wollen es wissen“ in einer Pressekonferenz an, ein Pilotprojekt zum Grundeinkommen durchführen zu wollen. An seiner Seite waren zwei Wissenschaftler, die die wissenschaftliche Begleitung des Vorhabens erläuterten und das Studiendesign vorstellten. An Superlativen bei der Vorstellung der Studie wurde nicht gespart, wie jüngst auch Manuel Franzmann konstatiert hat, allerdings ist der Verein Mein Grundeinkommen bislang schon nicht durch sachliche Berichte über seine Aktionen aufgefallen, obwohl diese ja durchaus spektakulär waren. Welcher Verein kann schon von sich sagen, dass er monatlich über 600 000 Euro per Spenden einsammelt? Besonders irritierend ist das Auftreten, da es sich um ein Forschungsprojekt handelt, die Offenheit des Ergebnisses zwar hervorgehoben wurde, zugleich aber der Verein seinen Erfolg angesichts bisheriger Gewinner eines Grundeinkommens und ihrer Erfahrungen stets herausstellte. Das soll nun keinesfalls gegen die Durchführung des Projekts sprechen und auch die Seriosität der involvierten Wissenschaftler nicht in Frage stellen, ist aber zumindest eine irritierende Ausgangskonstellation, auch wenn in das Wissenschaftssystem schon von längerer Zeit selbst eine gewisse Marketinghaltung Einzug gehalten hat. Jürgen Schupp, der an der FU-Berlin Professor für Empirische Sozialforschung und zugleich Senior Research Fellow am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) ist, war nicht nur in der Pressekonferenz dabei, er bezog danach mehrfach in den Medien Stellung und hat damit eine besondere Position inne. Das DIW kündigte ebenfalls in einer Pressemitteilung das Vorhaben an und der Präsident des DIW, Marcel Fratzscher, begleitete die Ankündigung mit einer Stellungnahme, in der er – der sich bislang stets gegen ein BGE ausgesprochen hatte – die Erprobung befürwortete. Dass es nun zu einem solchen Pilotprojekt überhaupt kommen konnte, verdankt sich der jahrelangen, beharrlich geführten öffentlichen Diskussion, die medial leider häufig nicht angemessen differenziert dargestellt wird.

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„Geld für alle für nix“ – ist die Zugehörigkeit zu einem Gemeinwesen „nix“?

Unendlich viele Artikel und Beiträge zum Bedingungslosen Grundeinkommen nutzen die Gegenüberstellung von Tätigkeit und Nixtun, besser von Ewerbs-Tätigkeit und Nixtun = Faulheit, um deutlich zu machen, worum es beim BGE gehen könnte. Dieser Beitrag in der taz macht dies ebenso, zumindest im Titel, um sogleich in der ersten Zeile ins Spiel zu bringen, dass es um etwas anderes geht: die Existenz einer Person als solches. Im Bericht geht es um eine Feldstudie zum BGE, für die sich Expedition Grundeinkommen (hier ein früherer Kommentar dazu) einsetzt, in Bremen soll sie durchgeführt werden. Die Frage, die sich immer stellt, wenn es um Feldexperimente geht, ist, was soll gezeigt werden? Etwa, dass die Bürger sich nicht in die Hängematte begeben, apathisch werden, sondern ihre „Chancen“ ergreifen? Sind das die Erfolgskriterien? Lässt sich das auf diesem Weg zeigen? Wieviele dürfen in der Hängematte liegen, damit es noch als Erfolg gewertet wird?

Über die Deutung der Ergebnisse entscheidet die politische Debatte, wie es in der Vergangenheit immer war. Dann läge es nahe, die Sache gleich zu einer politischen Angelegenheit zu erheben, zu einer Gestaltungsfrage, über die nach demokratischen Verfahren befunden werden muss. Da entscheidet nicht, was die Bürger tun oder eben nicht, sondern ob sie den Schritt wagen wollen.

Sascha Liebermann

Angus Deaton über „Randomized control Trials“ und damit verbundene ethische Probleme,…

…allerdings sieht er diese vor allem in Entwicklungshilfeprojekten und wenn es um arme Menschen geht. Deaton schreibt gegen Ende des Beitrags: „Social plumbing should be left to social plumbers, not outside experimental economists who have no special knowledge, and no legitimacy“. Damit formuliert er eine Kritik an sozialingenieurialer Einflussnahme von Wissenschaftlern, wo politische Veränderungen gefordert wären, die aber nicht Aufgabe von Wissenschaft sind. Und zuvor hat er einen weiteren Zusammenhang der Hoffnung auf die Evidenzen, die RCTs herbeibringen könnten, hergestellt:

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„Weitere Studien“…

Auch eine interessante Entgegnung, weil sie deutlich macht, dass hier die Frage gestellt werden muss, ob das, was herausgefunden werden soll, nicht schon vorhanden ist.

Sascha Liebermann

Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung und Mein Grundeinkommen stellen gemeinsames Pilotprojekt vor

Die Pressemitteilung des DIW finden Sie hier. Dort finden Sie auch eine ausführlichere Broschüre, in der Mein Grundeinkommen das Projekt darstellt.

Precht: „Die messbare Seite der Welt ist nicht die Welt, es ist die messbare Seite der Welt…

„Das große Experiment in der Lausitz“ – Hannes Koch über das neue Buch von Adrienne Goehler…

…und die Überlegungen zu einem Feldexperiment in der Lausitz, eine Region, die durch den Braunkohletagebau geprägt ist. Hier geht es zum Beitrag.

Die Hoffnung auf Feldexperimente und wichtige Einsichten, die sie liefern könnten, vermag ich nicht zu teilen, das hat methodische, aber auch politische praktische Gründe, siehe hier. Weitere Beiträge zu Feldexperimenten von unserer Seite siehe hier.

Verstehen kann ich die Hoffnung darauf, dass solche Feldexperimente womöglich Zweifel auflösen könnten, die häufig anzutreffen sind, dass sie endlich einmal mit aller Klarheit zeigen, wie unbegründet viele Befürchtungen sind. Doch wenn solche Zweifel dadurch aufgelöst werden würden, hätte es nicht mit der methodischen Belastbarkeit der Ergebnisse zu tun, sondern damit, die methodischen Eigenheiten und Grenzen nicht nachvollziehen zu können.

„Das große Experiment in der Lausitz“ – Hannes Koch über das neue Buch von Adrienne Goehler… weiterlesen