„Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung“ oder: je weniger Zeit für Familie, desto besser

Auch für den DGB ist das ein wichtiges Thema, so Elke Hannack, stellvertretende Vorsitzende in einer Stellungnahme:

„Gute Bildung und Betreuung sind Lebensadern für Familien und für unsere Gesellschaft – das hat die Corona-Krise einmal mehr bestätigt. Deshalb ist es wichtig, dass ein weiterer gesellschaftlicher Meilenstein, den sich diese Koalition gesetzt hatte, jetzt auch genommen wird. Der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung muss kommen. Die Ministerpräsidenten müssen jetzt ihrer Verantwortung gerecht werden und dafür eine Bund-Länder-Vereinbarung auf den Weg bringen.

Der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung ist das wichtigste bildungs-, familien- und sozialpolitische Vorhaben in dieser Legislatur. Damit es erfolgreich sein kann und sozial bedingte Bildungsbarrieren besser abgebaut werden, muss die Qualität stimmen. Dafür braucht es mehr Erzieher/-innen, Schulsozialarbeiter und Schulpsychologen im Ganztag.

Guter Ganztag bietet Zeit für individuelle Förderung, Kompetenzentwicklung und die Unterstützung von Kindern und Jugendlichen. Genau das erwarten auch die Eltern.“

„Sozial bedingte Bildungsbarrieren“ – damit ist jeder Eingriff begründbar und die Eltern werden als Hindernis dafür betrachtet , Barrieren aus dem Weg zu räumen.

„Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung“ oder: je weniger Zeit für Familie, desto besser weiterlesen

„1000 Euro für jeden sind unsozial“ – der DGB-Vorsitzende Rhein Main behauptet viel…

…in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Zu Beginn sei festgehalten, dass Jacks in seiner Einschätzung schwankt. Heißt es am Anfang gleich, ein Bedingungsloses Grundeinkommen funktioniere nicht, sagt er in den folgenden Ansätzen, es funktioniere nicht ohne weiteres bzw. habe er heute Zweifel am BGE. Das ist ein ziemlicher Unterschied, denn Zweifel geben zuerst einmal Anlass dazu, Fragen zu stellen und die sind mehr als berechtigt, wenn es sich um Neuerungen handelt. Aber Zweifel um des Zweifelns willen führen auch nicht weiter. Am Ende sei es dann doch die Finanzierung, an der es hänge.

Was sagt er genau?

Gleich zu Beginn hält er fest, dass die Idee nicht „funktioniert“, auch wenn sie charmant sei. Weshalb soll sie nicht „funktionieren“?

„Der Knackpunkt ist nunmal die Finanzierung, das zeigt sich in der Corona-Krise: Wenn die Menschen weniger Einkommen haben und weniger konsumieren, soll der Staat ihnen dennoch ein Grundeinkommen zahlen, obwohl er selbst aber deutlich weniger Einnahmen hat. Das kann nicht funktionieren. Es gibt ja im Wesentlichen zwei Konzepte, wie solch ein Grundeinkommen zu finanzieren wäre…“

„1000 Euro für jeden sind unsozial“ – der DGB-Vorsitzende Rhein Main behauptet viel… weiterlesen

„Wer Kinderarmut bekämpfen will, muss den Niedriglohnsumpf austrocknen“…

…fordert der DGB in einer Stellungnahme und weist auf den Zusammenhang von Armut und Lohnniveau hin. Wer wollte dagegen im Allgemeinen etwas sagen, doch – wie nicht anders zu erwarten für eine Gewerkschaft – geht es natürlich immer um Erwerbstätigkeit, auch als Lösung für Armut. Wohin das führt, zeigt die Entwicklung in Kindergärten und Kitas, die stetige Ausweitung der „Betreuungszeiten“ sowie der Absenkung des Betreuungsalters – also: weniger Zeit für Familie (siehe auch zur Situation Alleinerziehender hier).

Sascha Liebermann

„Arbeitslose fördern statt ins Existenzminimum eingreifen“ – Sanktionen aufheben, aber Erwerbsgebot beibehalten?

Diese Frage stellt sich angesichts einer Pressemitteilung auf der Website des Deutschen Gewerkschaftsbundes am Tag der Verkündung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zu Sanktionen im Arbeitslosengeld II. Unter dem Beitrag ist eine „gemeinsame Erklärung“ veröffentlicht worden, die verschiedene Personen – Politiker, Verbandsvertreter und Wissenschaftler – unterzeichnet haben. Sie schließt mit der Forderung:

„Darum fordern die Unterzeichnenden, die bestehenden Sanktionsregelungen aufzuheben. An Stelle der geltenden Sanktionsregelungen ist ein menschenwürdiges System der Förderung und Unterstützung nötig!“

„Arbeitslose fördern statt ins Existenzminimum eingreifen“ – Sanktionen aufheben, aber Erwerbsgebot beibehalten? weiterlesen

Ein Wort zum Tag der Arbeit: „Erwerbsarbeit ist [mehr] als Broterwerb: Sie schafft sozialen Zusammenhalt, ist sinnstiftend“…

…und weil das so ist, braucht es Gewerkschafter – bzw. die Gewerkschaften – die dafür kämpfen, wie der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann in einem Interview mit der Leipziger Volkszeitung hervorhob:

LVZ: „Der Tag der Arbeit steht vor der Tür, da ist ein Blick in die Zukunft erlaubt: Gibt es in zehn Jahren das bedingungslose Grundeinkommen?“
Hoffmann: „Auch in zehn Jahren wird es kein bedingungsloses Grundeinkommen geben, weil die Erwerbsarbeit auch dann noch einen hohen Stellenwert haben wird. Menschen wollen von ihrer Arbeit ein ordentliches Leben führen können. Wer ein bedingungsloses Grundeinkommen fordert, der verkennt, dass Erwerbsarbeit mehr ist als Broterwerb: Sie schafft sozialen Zusammenhalt, ist sinnstiftend. Menschen erfahren durch sie Wertschätzung. Das Grundeinkommen ist nichts anderes als eine Stilllegungsprämie, um Menschen aus der Arbeit herauszudrängen.“

Ein Wort zum Tag der Arbeit: „Erwerbsarbeit ist [mehr] als Broterwerb: Sie schafft sozialen Zusammenhalt, ist sinnstiftend“… weiterlesen

„Ein bedingungsloses Grundeinkommen ist Unfug. Das ist schlicht und einfach eine Abstellprämie, die ich ablehne“…

…so der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann in einem Interview mit der Augsburger Allgemeinen. Keine neuen Worte von ihm, aber doch immer wieder aufschlussreich, zu erfahren, was ein führender Gewerkschafter über die Autonomie der Bürger denkt – und sich in guter Gesellschaft befindet. Vielleicht müsste die Aussage variiert werden, indem man sie umgekehrt und Erwerbsarbeit als Kontrollinstrument betrachtet. Auch das wäre einseitig und verkürzt, verdeutlicht aber, welche Bedeutung sie für die Gewerkschaften hat.

Sascha Liebermann

„Hat Hartz IV eine Zukunft?“ – Ja, aber…

…so resümiert Gunnar Hinck das Ergebnis der Tagung „Hat Hartz IV eine Zukunft?“ (Programm und Dokumentation finden Sie hier), die von der Hans Böckler Stiftung in Berlin veranstaltet wurde. Bei aller differenzierten Kritik schienen sich die Referenten weitgehend einig, dass die sozialpolitische Ausrichtung der Gesetzgebung doch eine gute Sache sei, wenn auch verbesserungswürdig. Ein Bericht in junge welt findet hierfür etwas schärfere Worte. Zu der Einmütigkeit passte der Titel des Vortrags von Annelie Buntenbach (DGB) – „Es ist an der Zeit, das Hartz-Unwesen zu beenden“ –  nicht so recht. Das täuscht aber, denn der von ihr dargelegte Vorschlag des DGB („Soziale Sicherheit statt Hartz IV“), hält an den Grundzügen des bestehenden Systems fest, wie diese Passage auf S. 2 zeigt:

„Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die zusammengezählt mindestens eine Gesamt-Beschäftigungsdauer von zehn Jahren erreichen, sollen vor einem Wechsel ins Hartz-IV-System geschützt werden…“

„Hat Hartz IV eine Zukunft?“ – Ja, aber… weiterlesen

„DGB will 1,6 Millionen Menschen aus Hartz IV holen“ – Würde durch Arbeit?

Darüber berichtete Zeit Online und bezieht sich vermutlich auf das Papier „Soziale Sicherheit statt Hartz IV“. Von Sanktionen soll nicht generell Abschied genommen werden, ihre heutige Schärfe wird lediglich kritisiert. An einer Stelle gibt die Zwischenüberschrift einen wichtigen Hinweis:

„Hartz-IV-Regelwerk grundlegend neu gestalten… … und so das „Hartz-IV-Unwesen“ überwinden und Würde wiederherstellen“.

Würde kann nicht „wiederhergestellt“ werden, da sie dem Menschen als solches zukommt, zumindest im Verständnis liberaler westlicher Demokratien. Dass die Systeme sozialer Sicherung so gestaltet sein sollten, dass sie dieser Würde ent- statt ihr zu widersprechen müsste das Ziel sein. Sonst  läuft alles auf Würde durch Arbeit hinaus, dann gilt sich nicht davon unabhängig.

Sascha Liebermann

Sanktionen zeigen Wirkung?

In der Tat zeigen die Sanktionen von Arbeitslosengeld II-Beziehern Wirkung, die Frage ist nur welche, was steckt genau dahinter und zuletzt, ob man sie tatsächlich für sinnvoll hält? Bei der angesichts der Vorschläge von Robert Habeck und Andrea Nahles heftig einsetzenden Verteidigung von „Fördern und Fordern“ ist es hilfreich, sich den IAB Kurzbericht „Schnellere Arbeitsaufnahme, aber auch Nebenwirkungen“ sowie die Stellungnahme des Deutschen Gewerkschaftsbundes anlässlich einer Anfrage des Bundesverfassungsgerichts, vor Augen zu führen. Der DGB  hat sich davon selbst offenbar distanziert und das Gutachten aus dem Netz genommen, es scheint so gar nicht zu seiner offiziellen Linie zu passen.

Auch eine Studie, über die Zeit Online unter dem Titel „Mehr Kindergeld fließt nicht in Alkohol und Unterhaltung“ berichtet, widerspricht gängigen Vorurteilen. Deutlich wird an ihr allerdings, wie wenig die eingesetzten Methoden taugen, um der Frage nachzugehen. Statt nicht-standardisierte Forschungsgespräche zu führen und sie fallrekonstruktiv auszuwerten, werden standardisierte Befragungen eingesetzt, die nur an der Oberfläche der Phänomene kratzen und keine differenzierten Erklärungen ermöglichen.

Siehe zur Debatte auch:

Zur Kritik des Armutsfallentheorems (Ronald Gebauer und Hanna Petschauer)
Die Arbeitslosigkeitsfalle vor und nach der Hartz-Reform (Georg Vobruba und Sonja Fehr)
Fordern statt Fördern? – Nein! Wege aus Arbeitslosigkeit und Armut erleichtern (Ronald Gebauer)
Arbeit gegen Armut. Grundlagen, historische Genese und empirische Überprüfung des Armutsfallentheorems (Ronald Gebauer)

Sascha Liebermann