„Hier offenbart sich die ganze Machtlosigkeit beim Bürgergeld“…

…ein Beitrag von Jan Klauth auf Welt.de, der tiefgründige Einsichten in die Wirklichkeit des Bürgergeldes verspricht. Doch alle drei Fälle, die präsentiert werden, eignen sich kaum, um für schärfere Sanktionen zu plädieren, wie die Mitarbeiter des Jobcenters selbst erkennen lassen. Weshalb dann diese Schlagzeile?

Hier ein Beispiel, das im Beitrag verhandelt wird:

„Der „Kunde“, den die Berater in der Steinmetzstraße suchen, ist ein Extremfall – und doch keine Seltenheit. Der 57-jährige Issam H. ist wohl staatenloser Palästinenser, so genau weiß man das auf dem Amt auch nicht. Fest steht nur: Vor über 20 Jahren kam der Mann aus dem Libanon nach Berlin. Weder lernte er ernsthaft Deutsch, noch hat er in all diesen Jahren seinen Lebensunterhalt selbst bestritten. ‚Vor acht Jahren haben wir ihn das letzte Mal gesehen‘, sagt Eichenseher, 54, schwarze, kurze Haare, Berliner Dialekt. Das Geld fließt trotzdem, die Behörden haben kaum Handhabe, die Zahlungen einzustellen. Frau H. bezieht ebenfalls Bürgergeld, wird allerdings als Teilnehmerin eines Ein-Euro-Jobs beim Amt geführt, dazu kommen die Regelsätze für drei Kinder und die Miete, die übernommen wird. Die Ehefrau ist es auch, die nun gegenüber Eichenseher und Becker beteuert, dass ihr Mann nicht in der Lage sei, zu arbeiten. Er habe Diabetes, sagt sie beim Hausbesuch. Die Jobcenter-Mitarbeiter hören davon zum ersten Mal. ‚Wenn er nicht arbeiten kann, braucht er eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung‘, sagt Becker. ‚Okay‘, entgegnet die Frau und es bleibt unklar, ob sie versteht, was gemeint ist. Acht Jahre nicht auf dem Amt erschienen, kein Arzt, der je dokumentiert hat, dass der Mann nicht erwerbsfähig ist, aber Monat für Monat Überweisungen vom Jobcenter. Wie kann das sein?“

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Widerspruch in sich…

…, denn ein befristetes BGE ist eben kein BGE. Deutlich wird an solchen Äußerungen aber, welches Schreckgespenst am Horizont zu drohen scheint: der Übergang zu einem BGE. So nah ist es also schon.

Sascha Liebermann

„Traum vom Grundeinkommen – die Bürger sollen nun selbst entscheiden“ – und die Einwände…

…die Christine Haas in ihrem Beitrag erwähnt, sind doch erstaunlich, bedenkt man, wer sie vorbringt. So wird Henning Vöpel (HWWI) damit zitiert, dass ein BGE in seiner Pauschalität ungerecht sei. Weshalb er das so sieht, wird leider nicht weiter ausgeführt. Dabei plädiert er durchaus dafür, die Stigmatisierung im bestehenden Sozialstaat zu reduzieren, doch wie, wenn der Vorrang von Erwerbstätigkeit bestehen bleibt, der Grund für die Stigmatisierung ist? Ausführlicher hatte er sich hier einst geäußert. Seine Einwände zu Feldexperimenten hingegen, würde ich ähnlich sehen. Auch Dominik Enste kam zu Wort, er hat sich schon oft zum BGE geäußert, siehe hier.

Sascha Liebermann

„Beim bedingungslosen Grundeinkommen zeigen sich die Grünen plötzlich gespalten“ – was sollte daran plötzlich sein…

…haben doch die Grünen an der Einführung von „Hartz IV“ mitgewirkt. Bislang haben sie nie ein BGE als Partei befürwortet, eher war das Gegenteil der Fall, von einigen Befürwortern abgesehen, insofern ist der jüngst erfolgte Beschluss ein großer Schritt. Der Schlusssatz, auf den Christine Haas in ihrem Beitrag in Die Welt verweist, durch den die Garantiesicherung sich am Leitbild eines BGE orientiert, ist ein Maßstab, an dem sich das Handeln der Partei wird messen lassen müssen. Er ist immerhin so stark, dass er nicht einfach übergangen werden kann, ohne Glaubwürdigkeit zu verlieren.

Sascha Liebermann

„Abwrackprämie für Menschen“ – bezeichnende Worte des DGB-Vorsitzenden Hoffmann

Die Diskussion um ein Bedingungsloses Grundeinkommen fördert ja manche offenbar tiefsitzende Vorstellung darüber zutage, was denn von der Mündigkeit und Autonomie der Bürger zu halten ist. Jüngst leistete der DGB-Vorsitzende Rainer Hoffmann hierzu einen wertvollen Beitrag:

„Hoffmann: Das Grundeinkommen ist doch ein Irrweg. Es ist nichts anderes als eine Abwrackprämie für Menschen, um den Arbeitsmarkt zu entlasten, weil man zu unkreativ für andere Lösungen ist. Aber Arbeit ist mehr als Broterwerb. Sie hat eine hohe sozialintegrative Funktion. Wir sind und bleiben eine Erwerbsgesellschaft. Deshalb kann ich es nicht verantworten, Leute einfach mit einer Prämie von 1000 Euro stillzulegen. Unabhängig davon würde es unsere sozialen Sicherungssysteme völlig auf den Kopf stellen. Da würde ich selbst als Gewerkschafter die Frage stellen, ob das finanzierbar ist.“

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„Dieses Wirtschaftssystem funktioniert vor allem für wohlhabende Männer“ – der Oxfam-Bericht und die Datenlage…

…darüber berichtet ein Beitrag in Die Welt, der auch Bezug nimmt auf die Kritik am letzten Bericht und dessen Datenbasis. Ein Aspekt des aktuellen Berichts ist der Umfang unbezahlter Arbeit und seine Umrechnung in Wertschöpfung, die wir kürzlich kommentiert haben.

Der Staat als Hüter des Glücks und Anreizbewahrer? Erstaunlich geringschätzende Äußerungen des Bundestagspräsidenten

Anlässlich einer Rede zum Neujahrsempfang der Mittelstands- und Wirtschaftsunion Hamburg hat sich, laut Die Welt (eine Meldung, die andere Portale ebenfalls verbreiteten), Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble zu tagespolitischen Fragen geäußert, dazu zählte auch ein Bedingungsloses Grundeinkommen. Nun ist es immer so eine Sache, solche Äußerungen zu kommentieren, wenn nicht nachprüfbar ist, was genau gesagt wurde. Eine Aufzeichnung war bislang nicht zugänglich, ein Manuskript auch nicht. Doch angesichts dessen, was in der Presse kursiert, kann man nur staunen. Schäuble soll sich folgendermaßen geäußert haben:

„Zu üppige Sozialleistungen machen Menschen nach Ansicht von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble unglücklich. «Wir müssen die Balance zwischen Fordern und Fördern richtig einhalten», mahnte er am Freitag beim Neujahrsempfang der Mittelstands- und Wirtschaftsunion Hamburg. «Denn wenn wir überfördern, zerstören wir die Motivation der Menschen (…) und machen sie unglücklicher.» Schäuble sprach sich gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen aus. Müssten die Leute nicht mehr arbeiten, nehme ihnen der Staat den Anreiz, ihre persönliche Lebenserfüllung zu finden.“

Schon der erste Satz fällt auf, denn das Adjektiv „üppig“ suggeriert, es handele sich bei Sozialleistungen um „großzügige“ (siehe auch hier) Gaben. Wer die gegenwärtigen Leistungen und ihre Bezugsbedingungen kennt, kann sich über diese Einordnung nur wundern, noch mehr aber über die feudale Haltung dazu, handelt es sich doch um durch Gesetze formulierte Rechtsansprüche. Sicher habe Schäuble darauf aufmerksam machen wollen, so könnte man meinen, dass ein Staat im Auge haben müsse, welche Leistungen er tragen kann – das genau hat er aber nicht. Bedenkt man hier noch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Sanktionen beim Arbeitslosengeld II vom vergangenen November, erscheint Schäubles Äußerung erstaunlich.

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3 Billionen Dollar für ein Grundeinkommen – „Die Welt“ staunt…


source: tradingeconomics.com

…doch wie so oft, wenn es um Bedingungsloses Grundeinkommen geht, wird nur die Bruttorechnung angestellt (siehe hier), das ist vollkommen sinnlos, ohne die Einnahmeseite hinzuzuziehen. Genau eine solche einzig angemessene Berechnung ist aber nur für die Vergangenheit möglich (siehe hier) Davon einmal abgesehen müssen die Ausgaben im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt betrachtet werden (Grafik oben). Dann erscheint der Betrag nicht mehr so gigantisch. Alleine schon daran ist ersichtlich, dass eine ernsthafte Beschäftigung mit der Frage gar nicht angestrebt wird, Skandalisierung hoher Ausgaben scheint das alleinige Ziel.

Sascha Liebermann