„Volksentscheid gescheitert: Kein Grundeinkommen-Test in Hamburg“

„Das Ex­pe­ri­ment „Ham­burg tes­tet Grund­ein­kom­men“ kommt nicht zu­stan­de. Beim Volks­ent­scheid am Sonn­tag stimm­ten 62,6% der Bür­ge­rin­nen und Bür­ger gegen die Vor­la­ge der In­itia­ti­ve, 37,4% vo­tier­ten dafür, wie das Lan­des­wahl­amt als vor­läu­fi­ges Er­geb­nis mit­teil­te.
Die Abstimmungsbeteiligung lag den Angaben zufolge bei 43,7%.“

Das meldet der Newsletter des C.H. Beck-Verlages.

Die Initiative hinter dem Volksentscheid „Hamburg testet Grundeinkommen“ berichtet auf ihrer Website ebenfalls über das Ergebnis vom gestrigen Sonntag, siehe hier.

Das Ergebnis kann nun aus unterschiedlichen Perspektiven gedeutet werden. Das Experiment wurde eindeutig abgelehnt, zugleich aber hat sich ein deutlicher Teil der abgegebenen Stimmen für das Experiment ausgesprochen. Insofern ist es ähnlich wie in der Schweiz, als im Juni 2016 die Eidgenössische Volksinitiative „Für ein bedingungsloses Grundeinkommen“ abgelehnt wurde, aber beinahe ein Viertel der abgegebenen Stimmen dafür votierte, in manchen Kantonen waren es sogar über 30% (siehe unseren früheren Beitrag dazu hier und hier).

Es scheint gegenwärtig der Wind gegen ein Bedingungsloses Grundeinkommen stark zu sein, insofern könnte man es für einen Vorschlag zur Unzeit halten. Zugleich jedoch ist die Starrköpfigkeit, mit der nun das Bürgergeld mit seinen zaghaften Verbesserungen wieder zu Hartz IV zurückgedreht wird doch ein Zeichen von Hilflosigkeit, als habe es die Erfahrungen damit nicht gegeben, als habe es keine Studien gegeben, die darauf hinweisen, dass Sanktionen kein hilfreiches Instrument sind. Aber die Bereitschaft einmal grundsätzlich zu denken, andere Wege zu gehen, mit der Rede von „Eigenverantwortung“, dem Vertrauen in die Bürger, der Bereitschaft zu Innovation ernst zu machen, fehlt ebenso. Dann dümpeln wir weiter im Brackwasser des Überkommenen.

Sascha Liebermann

Von Hartz IV zum Bürgergeld und zurück

Nachdem die SPD damals in großen Tönen angekündigt hatte, „Hartz IV“ abzuschaffen bzw. hinter sich lassen zu wollen und ein „Bürgergeld“ einzuführen, das in der Ampel-Regierung als Gesetz verabschiedet wurde, folgt dieser sprachkosmetischen Verschleierung nun die amtierende Bundesregierung und macht es der Ampel nach, indem sie mit demselbem Pomp vermeintlich alles umkrempeln will: aus dem „Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende“ wird nun die vollkommen neue und grundlegend andere „Grundsicherung für Arbeitsuchende“. Der damaligen „Abschaffung“ von Hartz IV, die lediglich eine milde Lockerung der Sanktionen beinhaltete, folgt nun die Rückkehr zu Hartz IV mit großen Ankündigungen. Wieder ist die SPD an den hochfliegenden Zielen beteiligt und hat nichts daraus gelernt, die Bürger für dumm zu verkaufen.

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„Hat die Arbeitsgesellschaft eine Zukunft?“…

…ein Interview mit dem kürzlich verstorbenen Soziologen Claus Offe, das im Jahr 2023 für Jacobin geführt wurde, in dem er auf die „doppelte Machtbeziehung in Arbeitsverhältnissen“ hinweist und welche Folgen es hat, wenn Erwerbstätigkeit als normativ herausragende Quelle von Einkommen verstanden wird.  Am Ende des Interviews sagt Offe:

„Je reicher die Volkswirtschaften sind, desto geringer ist ihr weiteres Wachstum. Das heißt, die Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums durch Arbeitsverträge und Arbeitslöhne ist ein Modell, das nicht mehr ausreicht. Deshalb muss es andere Modelle geben, nämlich Grundeinkommen, Transfer, nationale Dividenden, also die Verteilung gesamter volkswirtschaftlicher Leistungen und Erträge an Bürgerinnen und Bürger – und nicht nur an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.“

Hier könnte man ihm entgegenhalten, dass ein BGE sein Recht nicht daraus bezieht, ein nicht mehr funktionierendes Verteilungssystem zu reparieren, sondern daraus, die Verteilungsfrage grundsätzlich anders zu beantworten. In anderen Beiträgen hat er das durchaus thematisiert, z. B. hier „Familienleistung jenseits der Marktarbeit – das bedingungslose Grundeinkommen“ und hier „Armut, Arbeitsmarkt, Autonomie“. Wie wenige hat er herausgehoben, dass es bedeutet, ein BGE von den „citizen rights“ herzuleiten, es gehe dabei um ein Bürgerrecht und keine fiskalische Technik der Steuervereinfachung.

Sascha Liebermann

Methodische Einwände zu Pilotprojekten…

….auf die Rückfrage von Joy Ponader habe ich in diesem Thread eine Kurzantwort gegeben. Eine längere finden Sie hier.

Abgesehen davon besteht die Gefahr des Szientismus, also der Vorstellung, nur weil es wissenschaftliche Erkenntnisse gibt, sei das schon eine Antwort darauf, ob ein BGE praktisch gewollt werden müsste.

Sascha Liebermann