„Totalverweigerer“? Gibt es sie, was weiß man darüber?

Dieses Schlagwort spielte in den letzten Monaten eine große Rolle, „Totalverweigerer“ sollten durch das Bürgergeld nicht weiter geschützt werden, deswegen müssten Sanktionen wieder verschärft werden usw.

In folgenden Berichten werden Experten zitiert, deren Auskünfte klingen sogleich anders und passen nicht in die aufgeregte Debatte:

Stefan Sell zur Einschätzung des IAB

Stefan Sell zu den behaupteten Einsparmöglichkeiten (siehe Grafiken unten)

Auf Experten des IAB beziehen sich auch folgende Meldungen:

Münchner Merkur

Focus online

Tagesschau

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„Menschen sollen unter Druck gesetzt werden“

Hetze statt sachlicher Informationen…

…, wer etwas verändern will, erhält hier Hinweise im Tweet, wer hetzen will, den interessiert das nicht. Es ist verwunderlich, dass der Vorsitzende einer Partei wiederholt die Sachlage verdreht, obwohl es mittlerweile von verschiedenen Seiten Berechnungen gab, die zeigen, das die Lage komplexer ist und es keine Lösung ist, Leistungsbezieher verächtlich zu machen, es sei denn, man will genau das.

Die Aussage Friedich Merz‘, auf den sich dieser Tweet bezieht, dass es „Studien“ gebe, die belegten, dass Mitarbeiter sich ausrechnen, ob es sich „lohnt“ zu arbeiten angesichts des Bürgergeldes, würde ich gerne einmal sehen. Die in der Vergangenheit präsentierten Hinweise darauf, waren anekdotische Berichte Einzelner, die sich selbst widersprachen (siehe z. B. hier).

Sascha Liebermann

„…das Potential massiv unterschätzen…“

Das ist in der Tat bemerkenswert, denn bei all den Simulationen, die zur Finanzierung angestellt werden, kommt die Seite der veränderten Ausgangsbedingungen, die ein BGE schüfe, um tätig zu werden, wenig bis gar nicht in Betracht. Wenn man schon Simulationen anstellt, müssten sie in alle Richtungen in jedem Lebensbereich gehen. Von den möglichen positiven Effekten, liest man jedoch wenig, meist geht es nur darum, um wieviele Prozentpunkte das „Arbeitsangebot“ (siehe auch hier und hier) zurückgeht und welche Folgen das für die Wertschöpfung haben könnte. Welche Folgen bislang bestehende Ausgangsbedingungen auf all das haben, müsste ebenfalls simuliert werden – wo geschieht das?

Simulationen, das sollte dabei nicht vergessen werden, sind nur modellierte Schätzungen, keine Tatsachenaussagen. Das mag trivial sein, wird in der Präsentation solcher Ergebnisse allerdings nicht immer deutlich gemacht.

Sascha Liebermann

Standardisierte Befragungen vs. Forschungsgespräche

Auf diese Differenz weist der Beitrag hier hin, der auf ein Gespräch zwischen Hartmut Rosa und Steffen Mau in der Süddeutschen Zeitung zurückgeht. So treffend der Hinweis ist, dass es einen erheblichen Unterschied macht, ob man Antwortskalen bzw. vordefinierte Antworten Gesprächspartner vorlegt und aus deren Angaben dann Schlüsse zieht oder deren Ausführungen in ihrer konkreten Gestalt untersucht, wie es in ausführlichen Forschungsgesprächen möglich ist, so wenig erschöpft sich letzteres in „ja, aber“-Konstruktionen. Forschungsgespräche geben einen viel detaillierteren Einblick nicht nur in die Denkwelt einer Person, sondern auch in ihre Haltung zur Welt, die sich in den Äußerungen manifestiert. In der öffentlichen Diskussion spielen solche Daten leider eine viel zu geringe Rolle, in der sozialwissenschaftlichen Forschung sind sie zwar etabliert, machen aber auch den kleineren Teil der Forschung aus.

Sascha Liebermann

Auf welcher Basis Politik machen?

Schieritz weist zurecht darauf hin, dass es hier zwei Optionen gibt: Entweder orientiert man politisches Handeln an Stimmungen, ganz gleich ob ihnen eine Realität entspricht, oder man orientiert sich an der Realität, nimmt die Stimmungen ernst und versucht darüber aufzuklären, wo die Stimmungen Vorurteile oder Wahrnehmungsverzerrungen beinhalten. Die Debatte um das Bürgergeld und den Vergleich zu Erwerbseinkommen wäre ein solcher Fall, in dem Aufklärung not tut bzw. tat und die dann auch erfolgte. Letztlich wird man Veränderungen nur entlang möglicher Mehrheiten erreichen können, doch wie sie zustandekommen, ist damit nicht festgelegt. Die Bedeutung guter, aufklärender Argumente sollte man nicht unterschätzen, ebensowenig die Verantwortung keine Stimmungen durch Abwertung anderer anzufachen.

Meinungsumfragen, wie die Allensbacher Studie hier, sollte man ohnehin nicht so hoch aufhängen, Meinungen schwanken stark, Wahlergebnisse sind maßgeblich. Wer über die Sorgen oder Vorschläge der Bürger etwas wissen will, sollte das Gespräch mit ihnen suchen, wer das erforschen will, Forschungsgespräche (nicht-standardisierte Interviews. z.B. hier) statt standardisierte Befragungen durchführen und auswerten.

Sascha Liebermann

„Was machen die eigentlich“…

…so lautet der Titel des Beitrags von Anna Mayr und Mark Schieritz (Bezahlschranke) auf Zeit Online zur Diskussion um das Bürgergeld, die Gründe für den Leistungsbezug und Problemlagen der Bezieher, die in der öffentlichen Debatte häufig übergangen werden.

Die (nicht neue) Aufschlüsselung der Zahlen zum Bürgergeldbezug, die die Autoren vornehmen, zerschlägt schon einmal viele Vorurteile, die kursieren, das ist hilfreich – auch wenn sie fortbestehen mögen, die Vorurteile. Auf das vermeintliche Missverhältnis offener Erwerbsarbeitsplätze und erwerbsfähiger Leistungsbezieher wird eingegangen, so dass deutlich wird, weshalb beide Seiten nicht einfach miteinander verglichen werden sollten.

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„Lohnt sich die Arbeitsaufnahme“…

…Mark Schieritz kommentiert eine jüngst erschienene Studie des ifo-Instituts. Einer der Verfasser kommentiert den Kommentar wiederum, um Missverständnisse auszuräumen:

Hier die Antwort zu Schieritz‘ Kommentar von Andreas Peichl:

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