Von den einen, die für die anderen bezahlen… oder: zur unscharfen Bestimmung von Armut

Jens Spahn hat für Aufregung (siehe auch hier) gesorgt mit seinen Äußerungen über Hartz IV. Sie finden sich in einem Interview mit der Berliner Morgenpost. Thilo Sarrazin hatte vor Jahren schon einmal einen Hartz IV-Speiseplan vorgestellt. Und die SPD war über die Jahre mit vergleichbaren Äußerungen zu vernehmen, wie Spahn sie getätigt hat.

Was hatte Spahn nun genau gesagt? Die Passage beginnt mit einer Äußerung, die sich auf die Essener Tafel bezieht, die in den vergangenen Wochen heftig kritisiert wurde:

BM: „… die sich entschieden hat, vorerst nur noch Menschen mit deutschem Pass aufzu­nehmen.
Spahn: „Ich tue mich schwer, von Berlin aus ­besser zu wissen, was in der konkreten Situation vor Ort die richtige Entscheidung ist. Für die Essener Tafel engagieren sich Bürger, die Mitmenschen helfen ­wollen. Und die dann feststellen: Junge Männer treten derart dreist und robust auf, dass Ältere oder Alleinerziehende keine Chance mehr haben, auch etwas von den Lebensmitteln abzubekommen. Dass dann Maßnahmen ergriffen werden, finde ich richtig.“

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„So viel Geld haben Hartz-IV-Empfänger zum Leben“…

…darüber informiert Thomas Öchsner in der Süddeutschen Zeitung. Vergleichen Sie diese Leistungen einmal mit der Pfändungsfreigrenze für Erwerbseinkommen von 1139,99 €. Woher rührt die Differenz? Von der Annahme, dass es aus „Anreizgründen“ eines Lohnabstandsgebots bedürfe?
Stichwort Armuts- bzw. Arbeitslosigkeitsfalle – siehe dazu die Studien von Georg Vobruba und Kollegen:

Zur Kritik des Armutsfallentheorems (Ronald Gebauer und Hanna Petschauer)
Die Arbeitslosigkeitsfalle vor und nach der Hartz-Reform (Georg Vobruba und Sonja Fehr)
Fordern statt Fördern? – Nein! Wege aus Arbeitslosigkeit und Armut erleichtern (Ronald Gebauer)
Arbeit gegen Armut. Grundlagen, historische Genese und empirische Überprüfung des Armutsfallentheorems (Ronald Gebauer)

Befürworter wider Willen? – Jens Spahn zum Grundeinkommen

In dieser Aufzeichnung einer Diskussion in Bonn über „Werte und Disruption…“ im Zusammenhang mit der Digitalisierung, die bei Phoenix ausgestrahlt wurde, geht es ab Minute 53’40 um das BGE. Zwar ist die Passage sehr kurz, der Austausch sehr gedrängt, aber es wird doch eines deutlich: dass es um grundsätzliche Fragen geht, wenn die Sprache auf das BGE kommt. Götz W. Werner hebt hervor, dass man es sich leisten können müsse, eine Arbeitsstelle anzunehmen, Einkommen sei gar keine Bezahlung, sondern eine Ermöglichung. Dieser einfache Gedanke sorgt immer wieder für Irritation, weil wir heute das Verhältnis genau umdrehen. Werner lenkt damit jedoch den Blick weg von einem individualistisch verkürzten Leistungsverständnis hin zu den Voraussetzungen dafür, weshalb der Einzelne sich einzubringen in der Lage ist. Befürworter wider Willen? – Jens Spahn zum Grundeinkommen weiterlesen

„Warum bedingungsloses Grundeinkommen mehr Menschen zum Gründen bewegen würde“…

…ein Beitrag von Christopher Plantener auf Gründerszene, der nicht reißerisch daherkommt, sondern aus Erfahrungen Schlüsse zieht. Ja, eines ist sicher, ein BGE würde eine verlässliche Einkommensbasis bieten, für die sich niemand zu rechtfertigen bzw. zu erklären hätte. Das würde den Schritt in die Selbständigkeit erleichtern. Dass sich auf dieser Basis Leiharbeit, Prekarität und befristete Arbeitsverträge anders darstellen und nicht mehr die Folgen haben müssten, die sie heute haben, liegt ebenso auf der Hand. Solange es mit dem BGE ernst gemeint ist und eine entsprechende Höhe ins Auge gefasst wird.

Sascha Liebermann

„Wieso Hartz IV tatsächlich zu wenig zum Leben ist“…

…dieser Beitrag von Florian Diekmann bei Spiegel online gibt Einblick in die Eigenheiten darein, wie das Existenzminimum bestimmt wird und welche Tücken in der dafür genutzten statistischen Basis lauern. Siehe auch diesen Beitrag von Lutz Hausstein (ausführliche Fassung hier) sowie die Expertise von Irene Becker.

Mit Märchen gegen vermeintliche Märchen – Gerhard Wegner attackiert das Bedingungslose Grundeinkommen

Auf der Website die-kirche.de hat sich der Leiter des sozialwissenschaftlichen Instituts der evangelischen Kirche Deutschlands, Gerhard Wegner, auf ein Neues zum Bedingungslosen Grundeinkommen geäußert. Überraschendes gibt es nicht aus seiner Feder (frühere Kommentare zu seinen Ausführungen von meiner Seite finden Sie hier).

„Es ist ein alter Traum der Menschen: genügend Geld zu haben, ohne dafür arbeiten zu müssen. Märchen sind voll davon. Aber nun soll es kein Wunschtraum bleiben, sondern tatsächlich Realität werden: Bedingungsloses Grundeinkommen nennt es sich. 1 000 Euro oder mehr für jeden im Monat von Geburt an, das ist die Vorstellung. Waren es früher nur ein paar Idealisten, die sich dafür einsetzten, so sind es nun leibhaftige Wirtschaftsbosse, Joe Kaeser von Siemens allen voran.“

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„Es geht um Würde und Anerkennung“ – oder doch nur um das Gegenteil davon?

Die Frage stellt sich, wenn man das Interview mit der Politologin Silja Häusermann liest, das Daniel Binswanger mit ihr für das Magazin Republik führte. Vor der nachstehend zitierten Passage geht es um „Bildung von Humankapital“, „Chancen“ und „Inklusion“ – alles nur bezogen auf den Arbeitsmarkt. Und dann kommt das Bedingungslose Grundeinkommen ins Spiel. Binswanger fragt:

„Und das ehemalige Elektorat?
Die Industriearbeiterklasse spricht man mit sozialer Investitionspolitik eher weniger gut an, nicht zuletzt wegen ihres Fokus auf Bildung, Frauen und Kinder. Die heutige Dienstleistungsarbeiterklasse hingegen eher. Deshalb sehe ich soziale Investitionspolitik als inhaltlich und elektoral vielversprechend für die Linke. Das ist im Übrigen die exakte Antithese zum bedingungslosen Grundeinkommen. Es gibt ja Leute, welche so ein Grundeinkommen als die neue sozialdemokratische Vision sehen. Aus meiner Sicht wäre das die definitive Kapitulation.
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