„„Fördern und Fordern“ ist eine Anmaßung“…

…schreibt Karoline Linnert (Bündnis 90/ Die Grünen, Senatorin für Finanzen in Bremen) im Weser-Kurier.

Ein interessanter Beitrag, der – wie selten genug geschieht – auf die Kontinuität hinweist, dass auch vor der Agenda 2010 Arbeitsbereitschaft erwartet wurde und es unsinnige Ämterbesuche gab. Die Willkür der Sachbearbeiter war groß, die Hilfen waren jedoch stärker am Einzelfall ausgerichtet. „Fördern und Fordern“ suggeriere, Leistungsbezieher müssten erzogen werden – treffend bemerkt. Aber am Ende überrascht die Autorin damit, in einem Bedingungslosen Grundeinkommen nur eine Fortsetzung des Pauschalierungsproblems von Hartz IV zu sehen, das das heutige Leistungsangebot auszeichne. Dabei ist es keineswegs nötig, für ein BGE auf einzelfallspezifische Hilfen zu verzichten. Allerdings stellt sich die Frage, in welchem Umfang sie angesichts eines BGEs als Individualanspruch noch in Anspruch genommen werden müssten, wenn durch Kumulation von BGE in einem Haushalt das Haushaltseinkommen steigt. Siehe dazu auch einen früheren Beitrag von mir hier.

Sascha Liebermann

„DGB will 1,6 Millionen Menschen aus Hartz IV holen“ – Würde durch Arbeit?

Darüber berichtete Zeit Online und bezieht sich vermutlich auf das Papier „Soziale Sicherheit statt Hartz IV“. Von Sanktionen soll nicht generell Abschied genommen werden, ihre heutige Schärfe wird lediglich kritisiert. An einer Stelle gibt die Zwischenüberschrift einen wichtigen Hinweis:

„Hartz-IV-Regelwerk grundlegend neu gestalten… … und so das „Hartz-IV-Unwesen“ überwinden und Würde wiederherstellen“.

Würde kann nicht „wiederhergestellt“ werden, da sie dem Menschen als solches zukommt, zumindest im Verständnis liberaler westlicher Demokratien. Dass die Systeme sozialer Sicherung so gestaltet sein sollten, dass sie dieser Würde ent- statt ihr zu widersprechen müsste das Ziel sein. Sonst  läuft alles auf Würde durch Arbeit hinaus, dann gilt sich nicht davon unabhängig.

Sascha Liebermann

„HartzPlus“-Projekt gestartet – Freiwillige gesucht

Zur Website
Zur Pressemitteilung

Siehe unsere Kommentare zu Feldexperimenten
Siehe hier zu Untersuchungen über die „Armutsfalle“ und Gründe für  langfristigen Sozialleistungsbezug

Update 7.12.: Wir hatten aus Versehen auf die Pressekonferenz von sanktionsfrei aus dem Jahr 2016 verlinkt.

„Neue Generationen-Studie: Einmal Hartz IV, immer Hartz IV?“

Was voller Inbrunst immer wieder einmal durch die Medien getrieben wird, muss deswegen nicht dem realen Leben entsprechen. Im Deutschlandfunk wurde über eine Studie berichtet, die an der Universität Duisburg-Essen durchgeführt wurde und sich mit den Lebenswirklichkeiten von Familien befasst, die schon über mehrere Jahre oder gar Jahrzehnte auf Transferleistungen angewiesen sind. Die Forscher haben herausgefunden, welche Beschwernisse auf diesen Familien liegen, wie komplex die Problemlagen sind und dass einfache Antworten nicht weiterführen. Wer sich mit solchen Fragen zuvor schon befasst und dazu nicht-standardisierte Interviews ausgewertet hat, den werden die Ergebnisse nicht überraschen. Sie widersprechen aber verbreiteten Vorurteilen, die gerade auch in der Diskussion um ein BGE anzutreffen sind. Vor etlichen Jahren schon gab eine Studie von Hanna Petschauer, Ronald Gebauer und Georg Vobruba mit dem Titel „Wer sitzt in der Armutsfalle?“ Einblick in die individuellen Problemkonstellationen, die zu beachten sind. Hier Veröffentlichungen im Anschluss an die Ausgangsstudie:

Zur Kritik des Armutsfallentheorems (Ronald Gebauer und Hanna Petschauer)
Die Arbeitslosigkeitsfalle vor und nach der Hartz-Reform (Georg Vobruba und Sonja Fehr)
Fordern statt Fördern? – Nein! Wege aus Arbeitslosigkeit und Armut erleichtern (Ronald Gebauer)
Arbeit gegen Armut. Grundlagen, historische Genese und empirische Überprüfung des Armutsfallentheorems (Ronald Gebauer)

Dass es die „Armutsfalle“ in der Form, wie oft behauptet, gar nicht gibt, war ein wichtiges Ergebnis, das leider viel zu wenig rezipiert wird. Man denke nur an die jüngste Debatte, Sanktionen durch „Anreize“ zu ersetzen.

Sascha Liebermann

„Ein gefährliches Spiel“ der SPD und eine missverständliche Feier von Hartz IV

In seinem Beitrag im Deutschlandfunk wies Frank Capellan auf Widersprüche in den Verlautbarungen der SPD zu einer Abkehr von Hartz IV hin. Wer von Hartz IV und dem damit verbundenen Stigma wegwolle, müsse ernsthafte Schritte ergreifen, die wären aber nur mit einem bedingungslosen „Grundeinkommen“ möglich. Andrea Nahles wie auch andere führende SPD-Politiker seien dafür nicht zu haben.

Der SPD attestiert er, dass sie an der alten Maxime festhalte, es gebe kein Einkommen ohne Arbeit. Dann heißt es:

„Ein gefährliches Spiel“ der SPD und eine missverständliche Feier von Hartz IV weiterlesen