…ein Gespräch mit Ana Paula Büsse vom Jobcenter Region Hannover.
Kategorie: Sanktionen
Freude bei den Empfängern des sogenannen Bürgergeldes…
…dürfte bald aufkommen angesichts der Einigung der Unterhändler des Europaparlaments und der EU-Staaten darüber, dass „Produkte vom Markt verbannt und an den Grenzen beschlagnahmt werden sollen, wenn festgestellt wurde, dass Zwangsarbeit eingesetzt wurde.“ (dpa – zit. n. Hellweger Anzeiger vom 6. März 2024, S. 6) Warum? Laut dem Übereinkommen über Zwangs- oder Pflichtarbeit der International Labour Organization von 1930, Art. 2, Abs. 1, das am 1. Mai 1932 in Kraft trat, gilt als „‚Zwangs- oder Pflichtarbeit‘ im Sinne dieses Übereinkommens […] jede Art von Arbeit oder Dienstleistung, die von einer Person unter Androhung irgendeiner Strafe verlangt wird und für die sie sich nicht freiwillig zur Verfügung gestellt hat.“ (Deutschland hat dies ratifiziert – s. auch hier) – Also müssen Produkte, die aus Arbeit hervorgehen, die Empfänger von Sozialleistungen unfreiwillig ausüben und nur, um Sanktionen zu entgehen, „vom Markt verbannt werden“. – Welcher Unternehmer will das Risiko schon eingehen?
Thomas Loer
„Druck beim Bürgergeld bringt gar nichts“…
…sagte der Personalchef der Arbeitsagentur Nord, Markus Biercher, dem NDR in einem Gespräch.
Seit über dreißig Jahren arbeitet Biercher in diesem Bereich und verweist auf die Erfahrung, die mit „Druck und Zwang“ gemacht wurden. Arbeitslosigkeit werde als „Drama“ erlebt in der Regel. Was manches Mal als Unwille erscheine, habe häufig ernsthafte Gründe, von „Arbeitsverweigerung“ kann genau betrachtet nicht die Rede sein. Interessant auch, was er zur Bezahlkarte und zum Bürgergeld sagt. Die mediale Skandalisierung entspreche nicht der Realität.
Überraschend ist diese Einschätzung nicht, wenn man sich die empirischen Zusammenhänge genauer anschaut, aber auch aus Arbeitsagenturen hört man manchmal andere Stimmen als diese.
Sascha Liebermann
Sanktionen und ihre Folgen
BTW: In dem apodiktischen Tonfall & der Verallgemeinerung ist das schon arg am Limit. Ich kann mich noch gut daran erinnern, als es bzgl Sanktionen hieß, bei Jugendlichen können sie dazu führen, dass sie ausklinken und damit gleich ganz verloren gehen… 1/2 https://t.co/NlvVdq4TEp
— SeTh (@EconomicEthics) February 5, 2024
„Totalverweigerer“? Gibt es sie, was weiß man darüber?
Dieses Schlagwort spielte in den letzten Monaten eine große Rolle, „Totalverweigerer“ sollten durch das Bürgergeld nicht weiter geschützt werden, deswegen müssten Sanktionen wieder verschärft werden usw.
In folgenden Berichten werden Experten zitiert, deren Auskünfte klingen sogleich anders und passen nicht in die aufgeregte Debatte:
Stefan Sell zur Einschätzung des IAB
Stefan Sell zu den behaupteten Einsparmöglichkeiten (siehe Grafiken unten)
Auf Experten des IAB beziehen sich auch folgende Meldungen:
„Totalverweigerer“? Gibt es sie, was weiß man darüber? weiterlesen
„Wir brauchen Chancen von Menschen, in Arbeit zu kommen“,…
Beim #Buergergeld gehe es „auch um Gerechtigkeit“, sagt #Arbeitsminister @hubertus_heil im Gespräch mit @dianayz bei #berlindirekt @ZDF und verteidigt #Sanktionen. Das Bürgergeld sei „kein bedingungsloses Grundeinkommen“, so Heil.
Sehen Sie hier das komplette Interview: pic.twitter.com/hcyR9MMsSr— Berlin direkt (@berlindirekt) January 7, 2024
…so Hubertus Heil in dem hier verlinkten Interview. Es gehe „auch um Gerechtigkeit“, es brauche „Chancen“, es gehe um „Eigenverantwortung“. Doch die „kleine hartnäckige Gruppe“, die jedes Angebot ausschlage, sei das Problem.
Nun, wenn es um Chancen geht, dann braucht es keine Sanktionen, denn Chancen sind nur solche aus der Perspektive einer Person, die diese ergreifen oder sie auch nicht ergreifen kann. Chancen sind positiv konnotiert, sie sind etwas Wünschenswertes. Wenn sie keine Wahl hat, wie Heil es vertritt, sind es keine Chancen, dann sind es Auflagen oder Vorschriften bzw. kollektive Erwartungen. Diese sprachkosmetische Verschleierung lüftet Heil sogleich, wenn er deutlich macht, dass es nicht akzeptabel ist, wenn diese „Chancen“ nicht ergriffen werden. Dann sollte man sie nicht als solche bezeichnen, auch wenn diese Redeweise schon unter Bundeskanzler Schröder anzutreffen war. Man könnte stattdessen einfach sagen, dass von dem Gemeinwesen nach gegenwärtiger Lage schlicht und einfach erwartet wird, dass Erwerbstätigkeit geleistet wird, ganz gleich, was die Menschen sonst für Sorgen oder auch Aufgaben haben. Dann spart man sich auch die Überlegung, weshalb denn verweigert wird, was die Hintergründe sind. Ob das dann dem Gemeinwesen zuträglich ist? In jedem Fall werden dann Erwartungen erfüllt.
Sascha Liebermann
„Es dürfen doch nur maximal 30 Prozent gekürzt werden, hat das Bundesverfassungsgericht gesagt. Hat es nicht“
Daran erinnert Stefan Sell in seinem Blog anlässlich der jüngsten Diskussion um die Vorschläge des Bundesarbeitsministers. Sell zitiert ausführlich aus dem Urteil vom 5. November 2019 – 1 BvL 7/16 und zeigt auf, wie verschlungen die argumentativen Pfade sind. Zusammenfassend sagt er:
„Eine Exegese des Urteils des BVerfG vom 5. November 2019 eröffnet tatsächlich die grundsätzliche Option einer auch über die immer wieder zitierte „Grenze“ von 30 Prozent-Kürzungen hinausreichende Sanktionierung. Und genau auf diesen Aspekt der Argumentation der Verfassungsrichter wird die nunmehr geplante gesetzgeberische Maßnahme abstellen müssen.“
Eine andere Ausgangslage
Die Ausgangslage ist bei beiden jedoch unterschiedlich: Im ersten Fall dienen Sanktionen dazu, die Abweichung von der Erwerbsnorm zu markieren, die Bezieher sollen ihr auf lange Sicht wieder folgen, (1/2)
— Sascha Liebermann (@SaschaLieberman) December 31, 2023
„…nur durch ein Grundeinkommen…“
Die aktuelle Diskussion zu #Sanktionen beim #Bürgergeld zeigt, dass wir die immer wiederkehrenden Debatten über Bestrafungen bei der Grundsicherung nur durch ein #Grundeinkommen überwinden werden.
— Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn gruene.social/@w_sk (@W_SK) December 29, 2023
„Heil will Job-Verweigerern das Bürgergeld komplett streichen“
Was soll mit dieser Haudraufhaltung erreicht werden? Symbolpolitik? Ein Zugeständnis an die vielen Falschberechnungen zum Bürgergeld?
Was am Ende dieses focus-Beitrags (siehe auch den Beitrag auf tagesschau.de) geschrieben wird, zeigt, worum es geht:
„Wie viele das am Ende dann genau betrifft, ist unklar. Bekannt ist lediglich die Zahl derer, gegen die bereits Sanktionen wegen mangelhafter Mitwirkung verhängt wurden. Das sind von 3,9 Millionen Empfängern 23.400 Personen.“
Es ist schon lange bekannt, dass es um einen sehr kleinen Kreis von Personen geht (siehe auch hier), die gemäß geltender Gesetze und Bestimmungen davon abweichen, worauf zielt das also?
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