…wem nicht geholfen wird bislang und wie schwierig die Lage ist, darüber berichtet Deutschlandfunkkultur. Zielungenaue Hilfen helfen nicht weiter, zielgenaue täten das schon, siehe dazu hier.
Kategorie: Sozialstaat
„Weiblich, obdachlos, unsichtbar: Wenn Frauen auf der Straße leben“ – von wegen „Zielgenauigkeit“ des Sozialstaats
Diese Dokumentation im WDR zeigt, wie zielungenau der bestehende Sozialstaat ist, wen er nicht erreicht und um welchen Preis. Es ist bitter zu sehen, was das für den Einzelnen, hier die porträtierten Frauen, heißt. Das sollte zu denken geben, wie schon viele Dokumentationen zu dem Thema, siehe hier und hier.
Das wirft die Frage auf, woran sich ein Sozialstaat messen lassen muss, siehe dazu hier. Wie einfach es doch wäre, wenn eine angemessene Lösung dafür bereitstünde, die bei aller Kritik am Sozialstaat von heute doch oft nicht gewollt ist: ein Bedingungsloses Grundeinkommen. Wer es ernst meint, wird nur damit ein Weg aus „verdeckter Armut“ und „Zielungenauigkeit“ finden.
Sascha Liebermann
Was verlangt das „Sozialstaatsprinzip unserer Verfassung“?
In einem Interview mit Hubertus Heil in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (Bezahlschranke), hier auf der Seite des BMAS, kommt der Bundesminister auf diese Frage zu sprechen und beantwortet sie zugleich.
„[FAZ] Eine andere Art Arbeitszeitverkürzung ist das Projekt „Bedingungsloses Grundeinkommen“. Könnte das den Menschen mehr Sicherheit geben, gerade jetzt in den Verwerfungen der Corona-Zeit?
[Heil] Ich halte nichts von einem bedingungslosen Grundeinkommen. Dieser Begriff ist vor allem eine große Projektionsfläche: Geht es um eine Pauschalierung aller Sozialleistungen auf niedrigstem Niveau oder um ein Versprechen „2000 Euro für alle“? Das ist weder praxisnah noch vernünftig. Ich bin Anhänger einer menschenwürdigen Grundsicherung – genau das, was das Sozialstaatsprinzip unserer Verfassung verlangt: Angemessene Hilfe für Menschen in Not. Zugleich muss Arbeit aber einen Unterschied machen – für Lohn und Einkommen wie für die soziale Absicherung. Und: Arbeit ist für die meisten Menschen mehr als nur Broterwerb, sie sichert gesellschaftliche Teilhabe. Ich konzentriere mich darauf, Arbeitsplätze zu sichern, die These vom Ende der Arbeit teile ich nicht.“
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Über den Widerspruch zwischen heutigem Sozialstaat und Demokratie
„Hartz IV durchzudrücken“? Macht es sich der Paritätische nicht etwas einfach und was ist die Alternative?
„Es gibt kein Recht auf Faulheit“ Mit diesen Worten Gerhard Schröder‘s begann 2001 eine ungeheure Voruteilskampagne gegen Arme, um #HartzIV durchzudrücken und den Sozislstaat zu schleifen. Zeit, damit aufzuräumen! #HartzFacts https://t.co/wt6Kr0ZcsI
— Ulrich Schneider (@UlrichSchneider) July 7, 2020
Soweit mir bekannt ist, wird zwar gerne für die Abschaffung von Sanktionen (siehe auch hier) im Sozialgesetzbuch plädiert, allerdings ohne auf die Erwerbsverpflichtung zu verzichten – ein Widerspruch in sich. Wie aus diesem Widerspruch hinausgelangen? Da führt kein Weg am Bedingungslosen Grundeinkommen vorbei, sonst bleiben solche Stellungnahmen reine Wortgefechte.
Sascha Liebermann
„Hilfe für die Kultur: Frust, Wut und Fassungslosigkeit“ – und wieder einmal: wie wirkungsvoll und einfach ein BGE wäre…
…ein Beitrag von Till Briegleb in der Süddeutschen Zeitung. Der Autor verweist darauf, wie viele Betroffene durch die Maschen des ohnehin löchrigen Netzes der Soforthilfen fallen. Auch sei es eine Mär, dass nun alles im Jobcenter mit der Beantragung der Grundsicherung erheblich einfacher verlaufe, denn es werden stets Bedarfsgemeinschaften geprüft. Vom Kurzarbeitergeld profitieren nur Angestellte. Wenn auch mittlerweile ein Umdenken stattgefunden hat und zu einfacheren Hilfen führte, stellt sich, so Briegleb, die Frage, ob ein Sozialstaat nicht unkomplizierter und direkter helfen kann. Diese Frage bleibt auch für die Zeit, wenn die gegenwärtige Krise einst überstanden sein wird.
Nur indirekt werden auch diejenigen im Beitrag erwähnt, die nur Arbeitslosengeld II geltend machen können, andere, die sich um den Haushalt mit all seinen Aufgaben kümmern, tauchen nicht auf. Deutlich macht der Beitrag wieder einmal, wie einfach ein BGE helfen würde, auf das gegen Ende auch hingewiesen wird.
Siehe hierzu „Woran bemisst sich, ob ein Sozialstaat sein Ziel erreicht?“
Sascha Liebermann
„Armes, reiches Deutschland“ – Was muss ein Sozialstaat leisten?
Diese Frage stellt sich auch angesichts einer aus dem Jahr 2017 stammenden Dokumentation, die erneut ausgestrahlt wurde. Woran muss sich ein Sozialstaat messen lassen? An statistisch erfassten Veränderungen von Armutsquoten, die nicht darüber hinwegtäuschen können, dass selbst eine Verbesserung der Lage, also eine Verringerung der Quote, immer noch absolut betrachtet eine bestimmte Anzahl an Menschen in Armut bedeutet nach geltenden Definitionen? Oder muss sich ein Sozialstaat daran messen, inwiefern er in der Lage ist, eine dem Individuum gemäße Antwort auf Unwägbarkeiten des Lebens zu finden? Da er dies nie für den einzelnen Fall genau kann, bedarf es einer Pauschallösung, die einen stabilen Boden einzieht, auf den sich jeder verlassen kann. Das ist eine andere „Zielgenauigkeit“ als die, von der meist die Rede ist. Mit einer solchen Lösung, die ein Bedingungsloses Grundeinkommen bieten könnte, verschwänden Individuen nicht mehr hinter Statistik.
Sascha Liebermann
Woran bemisst sich, ob ein Sozialstaat sein Ziel erreicht?
Diese Frage stellt sich anlässlich des Beitrags von Stephanie Gebert „Ein verstecktes Leben ohne eigene Wohnung“, der im Deutschlandfunk Kultur gesendet wurde. An zwei Zitaten wird deutlich, woran sich messen lässt, ob ein Sozialstaat sein Ziel erreicht:
„Das heißt, die Frau müssten dann den Gang zum Sozialamt machen und diese ganzen Anträge stellen und da durchgehen“, sagt Katja Caliebe. „Und viele Frauen wissen das entweder nicht oder sie schämen sich auch dafür zu sagen: Jetzt muss ich ja von anderen leben.“
Hardliner werden hierzu sagen, dass es eben in der Verantwortung des Einzelnen liege, seine Interessen wahrzunehmen, denn schließlich handele es sich bei diesen Angeboten um Rechtsansprüche (siehe auch hier). Das ist zwar richtig, sozialstaatliche Leistungen sind keine Almosen, doch geht es an der Sache vorbei, die Verantwortung in diesem Fall denjenigen zuzuschreiben, die die Leistungen nicht abrufen. Wer aufgrund seiner Lebensgeschichte nicht in der Lage ist, seine Interessen selbstbewusst wahrzunehmen und sich dafür womöglich sogar schämt; wenn derjenige dann noch auf einen Sozialstaat trifft, der von ihm erwartet, sich zu erklären, damit er Leistungen erhalten kann – dessen Leiden wird noch verstärkt. Er benötigt stattdessen einen Sozialstaat, der diese Situation erkennt, statt sie zu verstärken. In der Sozialpolitik ist in diesem Zusammenhang von „niedrigschwelligen“ Angeboten die Rede, doch worin bestünde hier die Niedrigschwelligkeit?
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Etwas als „alten Hut“ erklären, ist kein Argument – Thomas Sattelberger zum Grundeinkommen
https://twitter.com/th_sattelberger/status/1210292763444629504
Dass Sattelberger den Zusammenhang von Demokratie und Sozialstaat für unbedeutend hält, damit auch den zwischen Demokratie und Bedingungslosem Grundeinkommen, ist kaum erstaunlich, war sein Beitrag zur Debatte doch mit „Arbeit statt Opium“ übertitelt. Siehe meinen Kommentar dazu hier. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts kann ihn da wohl ebenso kaum anfechten.
Sascha Liebermann
Sprachkosmetik und Verschleierung – das Bürgergeldkonzept der SPD…
…ist voller wohlfeiler Aussagen und drückt sich um eine klare Sprache. Es stechen pädagogisierende Formulierungen hervor, die sich in Werbebroschüren nicht besser finden könnten. Der Beschluss vom Wochenende stimmt im wesentlichen mit dem Konzeptpapier überein, das schon im Februar, noch unter dem Vorsitz von Andrea Nahles, vorgestellt wurde. Man beachte schon den Titel „Arbeit – Solidarität – Menschlichkeit“ und die gewählte Reihenfolge der Begriffe, sie steht ganz in der Tradition der SPD. Im Beschluss aber wird die Reihung mit einem „Sozialstaat für eine neue Zeit“ verbunden – der alte also für den neuen? Schon auf S. 1 heißt es:
„Zum anderen ist es, da in unserem System soziale Absicherung stark an Erwerbsarbeit geknüpft ist, Aufgabe der Politik und des Staates, für einen hohen Beschäftigungsstand zu sorgen.“
Als sei es ein ehernes Gesetz, dass dies so sein müsse, von einem Nachdenken über Alternativen keine Spur. Der Beschäftigungsstand dient der Finanzierung des Sozialstaates, das ist der vorrangige Sinn von Arbeitsplätzen – so die Aussage. In der Folge ist die Rede vom emanzipatorischen Charakter des Sozialstaats, von Freiheit, von der „Befähigung zu einem selbstbestimmten Leben“. Bei letzterem muss man stutzig werden, inwiefern befähigt der Sozialstaat? Unterstützt er nicht vielmehr eine vorhandene Fähigkeit und die Möglichkeit, im Fall einer Einschränkung dieser Fähigkeit, sich Hilfe zu holen? Das setzt aber schon Fähigkeiten voraus, der Sozialstaat schafft sie nicht – oder ist hier nur die finanzielle Absicherung gemeint? Dann gilt um so mehr, dass nur etwas unterstützt wird, das schon vorhanden sein muss.
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