Eine missverstandene Unabhängigkeit…
Seltsames #Staatsverständnis: „#BGE-Gegner tun so, als ob der Staat Feind der Bürger sei & man von diesem nicht abhängig sein sollte. Richtig ist jedoch, dass der Staat identisch ist mit der Bevölkerung & deshalb das #Grundeinkommen von den Bürgern für die Bürger erbracht ist.“ https://t.co/z1YiqSnSWB
— Mensch in Germany (@InMensch) May 11, 2023
…steht hinter dieser Sorge vor dem Staat.
Sascha Liebermann
„Nur Narren sagen, bis 2030 gibt es ein bedingungsloses Grundeinkommen“…
… Interview mit Georg Vobruba auf focus online. Ausgewählte Passagen seien hier kommentiert:
„Das heißt: Wir arbeiten 2030 zwar mit mehr Technik, aber die arbeitsplatzvernichtende KI-Revolution bleibt aus?
Vobruba: KI ist die neueste Sau, die durchs Dorf getrieben wird, aber nicht die erste. Apokalyptische Sorgen, dass uns wegen neuer Technik die Arbeit ausgeht, entstehen alle zehn bis 15 Jahre und waren schon viel weiter verbreitet als heute. In den 1980er- und 1990er-Jahren glaubten das so gut wie alle. Nun haben einige Programme gelernt, mittelmäßige Romane zu schreiben. Na und? Dadurch entsteht keine Massenarbeitslosigkeit.“
Das eine ist hier, Entwicklungen in der Vergangenheit zu betrachten, das andere, etwas darüber zu sagen, wohin es führen wird. So recht Vobruba darin hat, dass vielen Szenarien, die einst als gewiss galten, ausgeblieben sind, so wenig wissen wir doch über nicht genutzte Automatisierungspotentiale. Deren Nutzung ist eben nicht nur eine technisch-praktische, sondern auch eine politische und kulturelle Frage insofern, als die Nutzung graduell unterschiedlich weitreichend erfolgen kann in Abhängigkeit von ihrer Erwünschtheit. Man denke an manche technischen Systeme, die es gibt, ohne dass deren Nutzung offensiv betrieben wird. Wo sind die fahrerlosen U-Bahnen, die schon lange auf einzelnen Strecken fahren, wo die offensive Nutzung vollautomatischer, sich selbst reinigender Toiletten usw.?
„Klingt, als müssten wir uns um die Zukunft der Arbeit nicht sorgen.
Vobruba: Technische Veränderungen haben die Arbeit bislang immer verbessert und eher mehr Arbeit geschaffen. Das heißt aber nicht, dass nicht in manchen Branchen und Gegenden sehr ernste Probleme entstehen. Dem Braunkohlearbeiter im Ruhrgebiet nützt es nichts, wenn in Bayern IT-Jobs entstehen.“
Worauf sich Vobruba hier bezieht, ist nicht klar. Was meint er mit „mehr Arbeit“ sei geschaffen worden? Meint er eine Diversifizierung der Arbeit? Betrachtet man das (Erwerbs)Arbeitsvolumen gemessen in Jahresarbeitsstunden bezahlter Arbeit, dann gibt es eine schon lange beobachtbare Entwicklung: es sinkt. Insofern ist also nicht „mehr Arbeit“ geschaffen worden, aber mit weniger Erwerbsarbeitszeit mehr Wertschöpfung.
An anderer Stelle heißt es:
„Das ist doch die Grundfrage, die sich alle stellen: Jeder Mensch sieht Probleme und wünscht sich Lösungen. Aber wie setzen wir diese Lösungen durch, bevor uns die Probleme über den Kopf wachsen?
Vobruba: Wer die Zukunft der Arbeit gestalten will, muss viele kleine Schritte gehen, statt ständig den großen Wurf zu suchen, zu scheitern und dabei die kleinen Schritte zu verpassen. Für politische Programme muss man bedenken, was man an Reformen in den gegebenen Konstellationen umsetzen kann. Große Ziele dienen eher als Orientierung. Ich verfolge die Grundeinkommen-Debatte jetzt seit 40 Jahren. Man kann nicht 40 Jahre lang tun, als stehe es vor der Tür. Wer sagt, bis 2030 gibt es ein bedingungsloses Grundeinkommen, macht sich zum Narren.“
Das kleine Einmaleins der Politik, so könnte man diese Bemerkung nennen, besagt, gestaltbar ist nur, wofür Mehrheiten mobilisiert werden können. Treffend stellt Vobruba fest, dass es aber durchaus großer Ziele bedarf, die eine Richtung weisen, damit klar ist, wohin die kleinen Schritte führen sollen. Aber geht es um den großen Wurf? Die charmante Seite eines BGE besteht doch darin, am Bestehenden ansetzen zu können. All die Leistungen, die es im Sozialstaatsgefüge gibt, lassen sich mit einem BGE integrieren, teils ersetzen, teils müssten sie beibehalten werden. Groß wäre der Wurf allenfalls, weil die Einwände gegen ein BGE bislang davon ausgehen, dass es keine Existenzsicherung geben soll, ohne eine Gegenleistung erbringen zu müssen, von wenigen Ausnahmen abgesehen. Ein kleiner Wurf wäre es, wenn wir uns den heutigen Grund dafür anschauen, weshalb es eine Existenzsicherung als Ausdruck staatlicher Fürsorge geben muss: weil es um die Person um ihrer selbst willen geht oder anders ausgedrückt, um ihre Würde.
Folgt daraus Resignation?
„Was hat die Debatte dann gebracht?
Vobruba: Die Bedeutung der Grundeinkommen-Diskussion besteht nicht darin, ein bedingungsloses Grundeinkommen Knall auf Fall durchzusetzen. Sie besteht darin, kleine Erfolge ermöglicht zu haben, wie die Abschaffung von Hartz IV. Das war für mich ein Schritt in die richtige Richtung. Die Forderung nach mehr sozialer Absicherung hat ihn ermöglicht. Damit bin ich zufrieden.“
In der Tat ist es plausibel anzunehmen, dass es die Veränderungen – die Aufhebung des Vermittlungsvorrangs ist eine große -, die mit dem Bürgergeld einhergehen, nicht gegeben hätte, wäre über ein BGE nicht so intensiv diskutiert worden. Dafür eben gab es Mehrheiten, ob es für ein BGE welche geben wird, wird sich zeigen müssen. Es wäre aber nicht die erste Veränderung, die einen größeren Anlauf benötigt.
Siehe zu früheren Ausführungen Vobrubas auch hier und hier
Sascha Liebermann
„Bedingungsloses Grundeinkommen und Demokratie“ – Diskussion im Rahmen des Paulskirchenjubiläums…
…an der Katholischen Akademie (Haus am Dom) in Frankfurt am Main, am 18. Mai, von 19-21 Uhr. Hier geht es zum Faltblatt mit allen Veranstaltungen der Akademie. Auf dem Podium:
Prof. Dr. Sascha Liebermann
Dr. Eva Douma
Sarah Händel
Anne Herpertz
Moderation: Elfriede Harth (Initiative Bedingungsloses Grundeinkommen Rhein-Main)
Ankündigung:
„Von der „marktkonformen Demo kratie“ zu einer sozialökologi schen Demokratie. Wie trägt das BGE dazu bei, dass auf einem bewohnbaren Planeten „Frei heit, Gleichheit und Solidarität“ im 21. Jahrhundert und danach verwirklich werden?“
„1.000€ für jeden!? – Die 12a diskutiert um das bedingungslose Grundeinkommen“…
…ein Kurzbericht über eine Diskussion an der Jakob-Friedrich-Schöllkopf-Schule in Kirchheim unter Teck. Die Diskussion fand via Videokonferenz statt. Organisiert hatte sie eine Schülerin der 12a.
„Gehen wir dem Grundeinkommen mal wirklich auf den Grund“…
…ein Beitrag von Michael Sienhold im Schweizer Bund.
Mündigkeit durch Erwerbsarbeit?
In einem Interview mit Axel Honneth auf Zeit Online (Bezahlschranke) äußert er sich dazu, weshalb er gegen ein Bedingungsloses Grundeinkommen sei, aber auch zum Verhältnis von Erwerbsarbeit und Mündigkeit. Beide Passagen seien hier kommentiert, zu früheren Ausführungen Honneths siehe hier und hier.
„ZEIT ONLINE: Wenn der Mensch Sicherheit und mehr Zeit braucht, um sich zu engagieren, warum sind Sie trotzdem gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen?
Honneth: Das Grundeinkommen [sic] aus meiner Sicht ein Mittel zur weiteren Privatisierung des Menschen. Der Einzelne würde sich wahrscheinlich nur noch als Empfänger einer staatlichen Zuwendung verstehen und sich immer weiter aus der sozialen Kooperation ausklinken. Das Grundeinkommen garantiert in keiner Weise, dass das Interesse des Einzelnen an sozialen und politischen Zusammenhängen zunimmt. Ich denke eher, dass es das Gegenteil bewirkt und zu einem immer stärkeren Rückzug in die eigene kleine Welt führt, die aus Gleichgesinnten besteht. Daher verstehe ich auch nicht, woher der Glaube kommt, dass sich durch das Grundeinkommen mehr Menschen politisch engagieren würden. Wenn die Privatisierung zunimmt, erlischt vielmehr die Triebfeder demokratischen Engagements.“
Wissenschaft, Wissenschaftsbetrieb und Alternativen
Mit #BGE gäbe es ein Leben lang eine verlässliche Basis, zu der wissenschaftsimmanente Einkommen hinzukommen könnten. #Grundeinkommen
— BGE Eisenach (@bge_esa) April 22, 2023
Siehe dazu unseren früheren Beiträge zu Wissenschaft und BGE hier, hier und hier.
Zur Lage der Wissenschaft und der Diskussion um Reformen:
„Zum Selbstverständnis der Soziologie als Wissenschaft“
Sascha Liebermann
Wenn sich wieder einmal etwas „lohnen“ soll: Sozialversicherungspflicht mit hohem Mindestbeitrag bei geringem Einkommen…
…führt zu grotesken Auswirkungen, sofern ein Einkommen aus selbständiger/ freiberuflicher Tätigkeit 450 Euro monatlich überschreitet. Im hier interessierenden Beispiel geht es um das Einkommen aus Lehraufträgen an Hochschulen.
Bekannt ist seit langem, dass deutsche Hochschulen einen erheblichen Anteil ihrer Lehre durch Lehrbeauftragte bestreiten (50-70 % je nach Fach). Einst als Ergänzung gedacht, gehören sie heute zum festen Bestandteil des Hochschulalltags und sie werden schlecht vergütet. Die zu erfüllenden Voraussetzungen, um einen Lehrauftrag zu erhalten, können hoch sein – je nach Fach bis zur Promotion.
Dieser Missstand hat noch eine andere Seite, die womöglich weniger bekannt, aber nicht weniger skandalös ist. Wer über das Jahr gerechnet ein Durchschnittseinkommen von 450 Euro monatlich überschreitet, fällt unter die Sozialversicherungspflicht in der Deutschen Rentenversicherung und muss dort Beiträge entrichten.
Jutta Allmendinger zum Bedingungslosen Grundeinkommen bei Jung & Naiv
https://t.co/A3vaKm7Xxb@JA_Allmendinger habe Angst, dass das #BGE Leute „aussteuere“. Die soziale Integration der „Arbeit“ drohe auf der Strecke zu bleiben.(1:23:30)
Das #Grundeinkommen verbietet Lohnarbeit nicht.
Die Integration ins Gemeinwesen ist unabhängig von Lohnarbeit.
— BGE Eisenach (@bge_esa) April 20, 2023
Die relativ kurze Passage in dem langen Gespräch ab 1:23:30 gibt doch einen ganz guten Einblick darein, wie Jutta Allmendinger über das BGE denkt. Als sei die Diskussion nicht ziemlich differenziert mittlerweile, fordert sie auf Thilo Jungs Frage hin zuerst einmal eine Antwort darauf, welches BGE er denn meine. Systematisch betrachtet gibt es gar nicht so viele und der Kern ist bei allen ziemlich gleich. Abweichungen gibt es vor allem in der Betragshöhe und dahingehend, welche sozialstaatlichen Leistungen es ersetzen soll. Auch diese Spanne ist allerdings schnell benannt, hängt dann letztlich von praktischen Bewertungen ab.
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