„…geht es bei der Höhe der Regelbedarfe um das, was von Staats wegen als „soziokulturelles Existenzminimum“ definiert wird…“

…so Stefan Sell in einem Beitrag zu den Bürgergeld-Vorschlägen des Bundesarbeitsministers und der Diskussion dazu.

Wie bei vielen Diskussionen zu dieser Frage soll hier der Hinweis nicht fehlen, wie sehr ein Bedingungsloses Grundeinkommen sowohl die Frage nach dem soziokulturellen Existenzminimum anders beantworten würde als alle bedürftigkeitsorientierten Vorschläge als auch die Anrechungsproblematik in die Vergangenheit verbannte.

Es stellt sich also immer die Frage, was will man erreichen. Dazu müsste man sich der differenzierten BGE-Debatte öffnen, statt sie mit Scheingefechten abzuwehren, wie jüngst die vorsorgliche Abwehr des Bürgergelds damit zu begründen, es sei ja schon der Weg zum BGE.

Sascha Liebermann

Realitätsfremde Vorstellungen – was können wir uns nicht leisten?

Die CDU hatte in jüngerer Zeit schon in verschiedenen Pressemitteilungen das Schreckgespenst an die Wand gemalt, siehe hier. Da scheint es eben ans Eingemachte zu gehen, wenn solche Entstellungen des Bürgergeldes stattfinden, das weder „Mitwirkungspflichten“ aufgeben noch Sanktionen abschaffen will. Müsste man sich nicht eher fragen, ob wir uns diese realitätsfremde Vorstellung leisten können, Menschen bräuchten „Anreize“ (siehe auch hier), um sich einzubringen? Das Grundgesetz kennt keine „Anreize“ für den Bürgerstatus, für unbezahlte Arbeit winken auch keine oder es wird damit etwas ganz anderes gemeint. Eine Demokratie, die mit „Anreizen“ locken würde (siehe hier und hier), wäre schon verloren, sie untergrübe die Bindungskräfte, die ein demokratisches Gemeinwesen benötigt. Wo sie in Frage stehen, gibt es einzig einen Weg: öffentliche Debatte auf der Basis von Argumenten und Wahlverfahren.

Sascha Liebermann

„Das neue Bürgergeld scheint mir keine Überwindung von Hartz IV“…

…und das hatte sich schon ganz früh abgezeichnet, als davon gesprochen wurde, Hartz IV solle überwunden werden. Dabei ist es geblieben. Siehe meine Kommentar dazu z. B. hier, hier und auch hier.

Sascha Liebermann

In der Tat ein blinder Fleck…

…in der Diskussion des ifo-Instituts zum Bedingungslosen Grundeinkommen, die ich gestern kommentiert habe. Zwar konnten Ausführungen von Jürgen Wegge durchaus so gelesen werden, dass ein BGE genau dem entspricht, was den Menschen auszeichnet, nämlich in der Welt wirken zu wollen und diese Bereitschaft alles andere überragt. Wegge verlässt diesen Pfad am Ende der Diskussion allerdings, wie überhaupt in der ganzen Diskussion das Leben jenseits von Erwerbstätigkeit so gut wie nicht zur Sprache kommt. Seine Ausführungen hätten aber durchaus Anlass gegeben sich zu fragen, ob nicht grundsätzlich Existenzsicherung heißen müsste, dass diese immer unverfügbar ist und eine entsprechende Höhe haben muss. Es ist banal, aber dennoch muss man immer wieder darauf hinweisen, dass auch BGE-Befürworter durchaus wissen, dass es finanzierbar sein muss, die Finanzierungsfrage ist aber erheblich komplexer als es Mikrosimulationsstudien suggerieren, denn letztlich ist sie auch eine Frage danach, wie sehr sich die Bürger in einem Gemeinwesen in allen Belangen einbringen, Erwerbstätigkeit ist nur einer davon.

Sascha Liebermann

Gutachten zum Bedingungslosen Grundeinkommen – historisch fragwürdige Vergleiche und Ungenauigkeiten

Nachdem wir heute schon einmal auf das im vergangenen September vorgelegte Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen zum Bedingungslosen Grundeinkommen hingewiesen haben, das schon von verschiedener Seite kritisiert wurde (siehe hier), sei hier noch ein Hinweis diesbezüglich gegeben. Erstaunlich in diesem Gutachten sind die vielen Ungenauigkeiten, sei es bezüglich der Definition eines BGE, seien es historische Vergleiche, die gezogen werden, z. B. mit der DDR, sei es die Einordnung, wer denn ein solches fordere oder wer die bekanntesten Vertreter seien. Anekdotisch sei hier bemerkt, dass ich diese Erfahrung, in der DDR habe es ja so etwas wie ein Grundeinkommen gegeben, selbst mit Diskutanten schon gemacht habe, die den größten Teil ihres Lebens dort verbrachten (siehe hier). Das Netzwerk Grundeinkommen hat einige davon dankenswerterweise kommentiert (siehe hier), wenn ich auch nicht alle Einwände teilen würde.

Wenn wissenschaftliche Expertise dazu beitragen soll, politische Entscheidungsträger über Zusammenhänge zu informieren, und ihnen so eine Urteilsbildung zu ermöglichen, wäre besonders wert daraufzulegen, keine fragwürdigen Vergleiche zu bemühen, normative Bewertungen offenzulegen und sich aus der Frage, was die „richtige“ Entscheidung wäre, herauszuhalten.

Sascha Liebermann

Diskussion mit ungewöhnlicher Stimme und unerwarteten Schlussfolgerungen – Jürgen Wegge zu Motivation und Erwerbsarbeit

In der Online-Diskussionsreihe „60 Minuten“ des ifo-Institut ging es am 12. Juli um das „Bedingungslose Grundeinkommen“. Diskutanten waren: Prof. Ronnie Schöb, Prof. Jürgen Schupp, Prof. Jürgen Wegge.

Ronnie Schöb war am Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats des Bundesministerium der Finanzen beteiligt und hatte sich schon früher dazu geäußert, dass ein darin simuliertes BGE vielfach unerwünschte Effekte habe (siehe hier). Seine Einwände waren erwartbar, vor allem bezogen sie sich auf die Folgen für das Arbeitsangebot aufgrund höherer Steuerbelastung (laut Gutachten). Jürgen Schupp ist dem BGE äußerst aufgeschlossen und sieht Chancen darin. Er begleitet für das DIW das Pilotprojekt Grundeinkommen wissenschaftlich und setzt darauf, durch das Projekt belastbare Einsichten zu den etwaigen Auswirkungen zu erhalten. Jürgen Wegges Beiträge waren insofern interessant – besonders zu Beginn -, weil er darlegte, dass der Motivationsbegriff in der Psychologie bzw. Arbeitspsychologie äußerst komplex sei und keineswegs auf einen „Anreiz“, nämlich Einkommen, reduziert werden dürfe. Damit hob er einen der Standardeinwände aus den Angeln, der dem BGE entgegengehalten wird.

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„Aktuelle Mikrosimulationsstudien zur Einführung eines partiellen bedingungslosen Grundeinkommens in Deutschland – eine kritische Analyse​“…

…dieses Arbeitspapier von Alexander Spermann wurde am 3. März dieses Jahres in der Reihe der FRIBIS-paper (Freiburg Institut for Basic Income Studies) veröffentlicht und befasst sich mit dem Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesfinanzministerium, das im vergangenen September veröffentlicht wurde. Spermann identifiziert einige Kritikpunkte, die sich auf Gesamteinschätzung des Gutachtens beziehen.

Siehe unsere Kurzeinschätzung hier, die Pressemitteilung mit Link zur Broschüre des Netzwerks Grundeinkommen zum Gutachten hier.

Sascha Liebermann