„…verallgemeinerungsfähiges Wissen“ und Werturteil – zwei Paar Schuh…

…darauf weist Michael Sienhold zurecht hin, denn wissenschaftliche Auseinandersetzungen sollten anderen Regeln folgen als politische. In letzteren geht es um die Frage, ob etwas für richtig gehalten wird oder nicht, in ersteren hingegen, welche allgemeinen Schlussfolgerungen sich aus der Analyse von Datenmaterial ergeben bezüglich eines zu erklärenden Zusammenhangs.

Das soll keineswegs heißen, dass politische Entscheidungen vorliegendes Wissen über für sie relevante Zusammenhänge links liegen lassen können. Doch die Entscheidung, welche Möglichkeit angesichts eines zu lösenden Problems konkret ergriffen wird, folgt aus dem „verallgemeinerungsfähigen“ Wissen nicht, sie bedarf eines Werturteils. Wissenschaft ist nicht dasselbe wie Politikberatung, die Vorschläge macht oder Empfehlungen ausspricht.

Die hier entscheidende Frage ist also vergleichbar der historisch einst grundsätzlichen Frage danach, ob denn eine demokratisch legitimierte Herrschaft eingeführt werden soll oder nicht. Der einzige Unterschied ist, die Demokratie haben wir schon, das in ihr enthaltene Autonomiegebot ebenso (Würde des Menschen, alle Staatsgewalt geht vom Volke aus). Eines hingegen fehlt noch: eine diesen Grundfesten entsprechende Existenzsicherung, die vorbehaltlos, ohne jegliche sanktionierbare Verpflichtung bereitsteht. Bislang gilt lediglich, dass die Existenz gesichert sein soll, aber mit Auflagen.

Sascha Liebermann

„Ich brauche nicht nachzuweisen, ob ich bedürftig bin“…

…darüber schrieb Hannes Koch in der Frankfurter Rundschau. Das ist der entscheidende Unterschied zu heutigen Leistungen. Im Beitrag geht es auch um das Pilotprojekt Grundeinkommen (siehe hier und hier) sowie die Frage, inwiefern das Bürgergeld ein Schritt Richtung BGE sei und welchen Finanzierungsaufwand es mit sich bringe. Hier allerdings schaut Koch nur auf die Brutto- und nicht auf die Nettokosten der Finanzierung (siehe z. B. hier, hier und hier), er sagt also nichts über die Einnahmeseite und spricht nur über die Ausgaben. Erwähnt wird nicht, dass wir einen Grundfreibetrag in der Einkommensteuer haben, der statt Besteuerungsvorbehalt zu bleiben auch Ausschüttungsbetrag werden könnte im Sinne von linke Tasche, rechte Tasche. Es bleibt die Frage, welchen Stellenwert dann Erwerbstätigkeit hätte und weshalb sie weiterhin attraktiv sein könnte, das ist zumindest die meist gestellte Frage (siehe hier und hier).

Sascha Liebermann

„The framing of Basic Income around social protection and poverty alleviation…“

„Von Hartz IV zum Grundeinkommen – Was bringt das neue Bürgergeld?…

…Claus Heinrich diskutiert mit Ronald Blaschke, Netzwerk Grundeinkommen, Prof. Dr. Michael Hüther, Direktor Institut der deutschen Wirtschaft und Prof. Dr. Jürgen Schupp, Soziologe, Freie Universität Berlin und Senior Research Fellow im DIW Berlin“ darüber. Die Sendung wurde am 7. Oktober im Rahmen des SWR Forum ausgestrahlt. Hier geht es zur Aufzeichnung.

„Grundeinkommen im Kontext: Perspektiven von André Gorz“ – Video verfügbar

Siehe auch meine Anmerkung zu Gorz‘ Haltung zum Bedingungslosen Grundeinkommen.

Nachtrag 13 Uhr: In der Diskussion (ab Min. 58) macht Leggewie den Kosmopolitismus stark, er sei „kompatibel“ mit dem Bedingungslosen Grundeinkommen und weise angesichts von Problemen planetaren Ausmaßes den Weg, auch wenn er kein Träumer sei. Der Nationalstaat (den er sonderbarerweise mit dem Kommunitarismus in Verbindung bringt) habe uns manches Problem beschert bzw. uns auf die „schiefe Bahn“ geführt. An dieser Bemerkung ist interessant, dass er im Unklaren lässt, wie denn Selbstbestimmung im Sinne von Selbstregierung jenseits des Nationalstaates möglich sein sollte. Betrachtet man die Fliehkräfte in der Europäischen Union und ihr Ringen mit diesen, scheint es wenig realistisch auf eine Instanz jenseits des demokratischen verfassten Nationalstaats zu setzen, die Vereinten Nationen sind schon gar kein Vorbild dafür. Selbst – hypothetisch gesprochen – wenn es so weit kommen würde, wäre es doch nur ein Nationalstaat auf höherer Ebene. An anderer Stelle spricht er dann von „Vergemeinschaftung“, aber woraufhin, was hält sie zusammen, wenn nicht eine konkret gelebte Kultur?

Sascha Liebermann