„Obwohl sie bedingungslos Geld bekommen, arbeiten die Menschen weiter“…

…darüber schrieb Marie Rövekamp im Tagesspiegel.

Zwar sagt dieser Befund nicht direkt etwas über ein Leben mit einem Bedingungslosen Grundeinkommen von der Wiege bis zur Bahre (siehe hierzu unsere Kommentare zu Feldexperimenten), er macht aber auf etwas aufmerksam, dass gemeinhin übersehen wird. Leistungsbereitschaft und Vergütung hängen überhaupt nicht unmittelbar miteinander zusammen, Leistungsbereitschaft ist eine davon unabhängige Dimension. Sie scheinen heute nur miteinander zusammenzuhängen, weil Einkommen nicht ohne Leistungsbereitschaft erzielt werden kann, das Erwerbsgebot verknüpft beides.

Dafür interessant ist diese Dokumentation:

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Vereinnahmungen von Familie und eine selten klare Kritik daran

Bruno Hildenbrands Beitrag „Kann Liebe Arbeit sein?“, der vor einigen Jahren schon in der Zeitschrift parapluie erschienen ist, zeichnet ein ungewöhnliches, differenziertes und selten in der Form anzutreffendes Bild von der Vereinnahmung von Familie durch die Sozial-, Arbeitsmarkt- und Bildungspolitik der vergangenen zwanzig Jahre. Zugleich kritisiert er Vorschläge, die eine Entlohnung von Familientätigkeiten vorsehen, wie es z. B. Angelika Krebs vorgeschlagen hat. Hildenbrand geht es darum, auf die eigensinnigen Solidaritäten in Familien (er verwendet einen weiten Begriff) hinzuweisen, die durch staatliche Vereinnahmung zerstört würden. Zu Beginn seines Beitrags fragt man sich, ob er denn keinerlei Familienunterstützung für hilfreich hielte, am Ende wird dann deutlich, dass es genau einer solchen Bedarf, die Eltern, wenn sie unterstützt werden, nicht zugleich für andere Zwecke in die Pflicht nimmt. Von der Diskussion um ein BGE hat er offenbar noch nicht gehört und sieht darin keine Antwort auf die drängende Frage, dabei könnte es gerade hierfür eine äußerst weitreichende Antwort sein.

Sascha Liebermann

In wessen Namen wird Sozialpolitik gemacht? Politische Souveränität als Ideologie?

Letzteres zumindest erkennt Michael Opielka in meinem Hinweis darauf, wer Legitimationsquelle politischer Entscheidungen ist und verwechselt diese Legitimationsquelle mit den praktischen Rechtsfolgen von Entscheidungen. Träger politischer Rechte im umfassenden Sinne sind in einer Demokratie nur die Staatsbürger. Sozialpolitik wird in deren Namen gemacht und muss sich vor ihnen rechtfertigen, gleichwohl muss sie Lösungen anbieten, die möglichst breit wirken können. Dass Sozialpolitik selbstverständlich Folgen für alle hat, die sich im Territorialgebiet des Staates aufhalten, der diese zu verantworten hat, ist etwas gänzlich anderes.

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„Grundeinkommen: Ergebnis ernüchternd, Zukunft zweifelhaft“ – marktschreierischer Titel, differenzierterer Beitrag…

…von Kristina Antonia Schäfer in der Wirtschaftswoche über das Experiment mit einem Grundeinkommen in Finnland. Sicher, Titel werden häufig von Redaktionen gesetzt, warum wird der Duktus für nötig gehalten, wenn der Beitrag im Vergleich mehr zu bieten hat?

Sascha Liebermann

„Zwischenbericht Zukunftsdialog ‚Neue Arbeit – Neue Sicherheit'“…

…des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Hier geht es zum Zwischenbericht, in dem mehrfach das Bedingungslose Grundeinkommen erwähnt wird, auch im Zusammenhang mit einem Expertenworkshop (S. 74):

„Bei einem Fachworkshop zum Thema ‚Bedingungsloses Grundeinkommen‘ wurde dieses Konzept jedoch von vielen WissenschaftlerInnen kritisch beurteilt“.

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„Umdenken lohnt sich“ – aber: Bevölkerung statt Bürger?

Ein Beitrag von Arfst Wagner in der taz, in dem es, wie nicht so häufig beim Bedingungslosen Grundeinkommen, auch um Demokratie geht, irritiert an einer Stelle:

„Wir stehen erst am Anfang der Diskussion, das Ganze wird ein Lernprozess, an dem auch die Bevölkerung beteiligt werden sollte.“

Warum „Bevölkerung“?

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„Ein bedingungsloses Grundeinkommen ist Unfug. Das ist schlicht und einfach eine Abstellprämie, die ich ablehne“…

…so der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann in einem Interview mit der Augsburger Allgemeinen. Keine neuen Worte von ihm, aber doch immer wieder aufschlussreich, zu erfahren, was ein führender Gewerkschafter über die Autonomie der Bürger denkt – und sich in guter Gesellschaft befindet. Vielleicht müsste die Aussage variiert werden, indem man sie umgekehrt und Erwerbsarbeit als Kontrollinstrument betrachtet. Auch das wäre einseitig und verkürzt, verdeutlicht aber, welche Bedeutung sie für die Gewerkschaften hat.

Sascha Liebermann

„Menschen wollten gebraucht werden, wollten umsetzen, was sie gelernt haben, und etwas zum Wohl der Gemeinschaft und ihrer Familien beitragen“…

…und weshalb ist dann ein Bedingungsloses Grundeinkommen ein Problem oder gar abzulehnen, Frau Nothelle-Wildfeuer? Was schlägt sie laut domradio vor?

„Es werde die Gesellschaft nicht befrieden, weil es nicht für Sinn und Selbstverwirklichung stehe. Nothelle-Wildfeuer plädierte stattdessen für viele kleine Lösungen. Menschen sollten künftig unkomplizierter wechseln können zwischen Selbstständigkeit, befristeten Projektstellen und unbefristeten Jobs. Zudem müsse jeder sich ein Leben lang weiterbilden, insbesondere in Bezug auf neue Techniken.“

Weshalb sollte ein BGE dem entgegenstehen? Wer definiert, wo Sinn und Selbstverwirklichung zu finden sein sollen? Ein BGE ließe genau das offen. Alles, was sonst in der Passage erwähnt wird, kann mit einem BGE eben erreicht werden. Verdächtig wird es dann schon, wenn es heißt, „jeder müsse sich ein Leben lang weiterbilden“ – weshalb, wozu? Was heißt „weiterbilden“ klingt nach „lebenslangem Lernen“?

Siehe auch diesen Bericht von Andreas Lesch in KirchenZeitung, der sich auf dieselbe Autorin bezieht. Zu einem früheren Beitrag von ihr, siehe hier.

Sascha Liebermann

„Ohne Utopien droht uns die Hoffnungslosigkeit“…

…schrieb Ilija Trojanow in einem Beitrag für die taz und macht deutlich, wie sehr das Utopische Moment des Realen ist, denn jedes Reale war einst utopisch, so könnte man sagen, im Sinne einer Möglichkeit, die noch nicht wirklich geworden war. So wohnt in jedem Realen wiederum das Utopische als mögliches Anderssein des Realen, enthalten darin als „gelebte Alternative“. Sicher, das Utopische kann totalitär werden, wenn es nicht nur als Möglichkeit im Realen verstanden wird, sondern als ganz anderes Lebens, das erst noch herbeizuführen sei, das über die Köpfe der Bürger hinweg entworfen werden müsse. Solche Vorstellungen finden sich auch in der BGE-Diskussion, das ist jedoch keineswegs zwingend, das Utopische in dieser Weise zu verstehen.

Sascha Liebermann