„Hartz Plus – Unsere Studie über die Auswirkungen von Hartz-IV-Sanktionen“…

sanktionsfrei hat gestern seine Studie veröffentlicht und in einer Pressekonferenz vorgestellt. Die Ergebnisse sind nicht allzu überraschend, wenn man verschiedene Untersuchungen, die dazu vorliegen, berücksichtigt. Schon vor mehr als zwanzig Jahren legte Georg Vobruba mit Kollegen eine Studie vor, die zutage förderte, dass die Gründe für Sozialleistungsbezug sehr unterschiedlich sind, die „Armutsfalle“ (auf die das Lohnabstandsgebot zurückgeht) in der behaupteten Form nicht existiere:

An der Aktualität hat sich nichts geändert, denn der Mythos der „Armutsfalle“ wirkt fort.

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„Steinmeiers soziale Kälte“ – gut, das in Erinnerung zu rufen, dennoch ein Heimspiel und wo ist die Alternative?

Ulrike Herrmann ruft in einem Beitrag für die taz in Erinnerung, dass Bundespräsident Steinmeier sowohl die Steuersenkungspolitik als auch die Agenda 2010 der rot-grünen Bundesregierung unter Kanzler Schröder „orchestriert“ habe. Allerdings folgte die Regierung hier, so Herrmann, nur Vorschlägen die aus der CDU kamen, wie auch die schärfere Sanktionierung von Beziehern von Arbeitslosengeld und Sozialhilfe schon im Schwange war, als es die Agenda noch gar nicht gab, damals z. B. unter Roland Koch in Hessen. Vergessen wird hierbei oft, dass auch Oskar Lafontaine für solche Verschärfungen plädierte. Es waren nur Verschärfungen, weil die Sozialgesetzgebung schon immer Sanktionen auch in Form von Leistungskürzungen vorsah. Sie zeichnen den erwerbszentrierten Sozialstaat geradezu aus.

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„Eine Steuerreform als Job-Turbo für Frauen“ – und täglich grüßt die Anreizdebatte…

…so könnte der Beitrag von Johannes Pennekamp in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung kommentiert werden, der sich auf eine Studie der Bertelsmann-Stiftung mit Querverweisen zu einer Studie des ifo-Instituts befasst.

Man kann doch immer wieder darüber staunen, dass mit solch unterkomplexen Annahmen zu „Anreizen“ – um es freundlich auszudrücken – in solchen Berechnungen hantiert wird.

Unsere früheren Beiträge zum Ehegattensplitting finden Sie hier, zur Armutsfalle, die auch Erwähnung im Beitrag findet, hier.

Sascha Liebermann

Würde das Paar sich diese Frage tatsächlich stellen unabhängig von anderen Fragen oder…

…erst im Zusammenhang mit anderen Fragen? Die Eindimensionalität des Kriteriums, das Herr Loacker hier annimmt, ist der Grund für die Eindimensionalität der Schlussfolgerung.

Sascha Liebermann

„Existenzsicherung neu denken – Hartz IV überwinden“ – mit „Ermutigung und Respekt“ und den notorischen „Anreizen“…

… auf die kann der Vorschlag der Diakonie Deutschland, wie so viele Vorschläge, nicht verzichten. Dabei verkehrt die Rede von „Anreizen“ gerade das Ziel, das ebenfalls in der Stellungnahme formuliert ist: Ermutigung. Hier hätte durchaus ganz nüchtern von wirklicher Beratung die Rede sein können, denn eine solche ist immer auch ermutigend, weil sie sich auf die Möglichkeiten und Fähigkeiten des Klienten bezieht und nicht auf abstrakte Ziele, die für ihn nicht relevant sind. Eine solche Beratung setzt auf die wie stark auch immer eingeschränkte Autonomie – das tut auch diese Stellungnahme. Deswegen wird diesbezüglich auch von einem Arbeitsbündnis gesprochen (siehe auch hier). Was Klienten nicht benötigen, ist die großzügig wohlmeinende Geste derer, die meinen, ihnen etwas Gutes zu tun, noch verbunden mit erzieherischen Anliegen.

Die Diakonie hatte in den letzten Jahren verschiedene Veranstaltungen zur Diskussion um Bedingungsloses Grundeinkommen organisiert, siehe hier.

Sascha Liebermann

Krudes Verständnis von „Selbstverantwortung“ – jede gemeinschaftliche Leistung wäre dann ein Abgeben von Selbstverantwortung

Leider enthält der Beitrag, aus dem dieses Zitat stammt etliche Verkürzungen und Verdrehungen. Joe Kaeser hat nie für ein Bedingungsloses Grundeinkommen plädiert; Götz W. Werner hat in den Anfangszeiten seines BGE-Engagements zwar einmal davon gesprochen, dass es alle Sozialleistungen ersetzen würde, später aber nicht mehr; Richard David Prechts Paternalismus ist dem Verfasser des Beitrags nicht aufgefallen; ein BGE ist als Pro-Person-Leistung gedacht, nicht nur für Erwachsene, wie es an manchen Stellen im Beitrag erscheint; die Frage nach den Anreizen wird gestellt; zuguterletzt geht es noch um Feldexperimente.

Sascha Liebermann

„Anreizeffekte“ – ein doch recht begrenztes Verständnis von Bildungsprozessen…

…siehe frühere Kommentare von unserer Seite zu dem offenbar auch im ifo-Institut verbreiteten Verständnis von Bildungsprozessen hier, hier und hier.

Sascha Liebermann

„denn ein höherer Lohn steigert […] den Suchanreiz der Arbeitslosen“ – oder räumt er Hindernisse zur Seite?

Diese Frage ist nicht banal, nimmt die Rede vom „Anreiz“ doch stets an, es mangele dem Individuum an Impulsen und es seien diese Impulse, die es zum Handeln veranlassen. Genau in diese Richtung liest sich das bei Tom Krebs, der im Handelsblatt über die Auswirkungen von Mindestlöhnen schreibt:

„Einerseits führt eine Anhebung des Mindestlohns zu einem Rückgang der Arbeitsnachfrage der Unternehmen im Niedriglohnbereich, weil einige Jobs durch den Mindestlohn unprofitabel werden. Andererseits wird das Arbeitsangebot der Erwerbspersonen gesteigert, denn ein höherer Lohn steigert die Motivation der Erwerbstätigen und den Suchanreiz der Arbeitslosen.“

Wie eine simple Mechanik wird Handeln betrachtet, als wirke ein solcher „Anreiz“ zielgenau, als wirke er überhaupt ohne korrespondierende Haltung des Individuums. Siehe unsere früheren Ausführungen dazu hier.

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„Ist das Arbeitslosengeld zu hoch, sinkt der Anreiz, sich einen Job zu suchen“ – von wegen Binsenweisheit…

…, die Behauptung passt gut zu meinem gestrigen Beitrag zur vermeintlichen „poverty trap“. Hier die wörtlichen Ausführungen Martin Kochers, Arbeitsminister Österreichs in einem Interview mit Der Standard. Kocher antwortet auf die Frage danach, was er von der Erhöhung des Arbeitslosengeldes halte:

„Kocher: Hierzu gibt es kaum Studien, es gab aber auch zuvor nicht solch eine Ausnahmesituation. Wir wissen aber, dass der Anreiz, sich einen Job zu suchen, sinkt, wenn das Arbeitslosengeld zu hoch ist. Das ist für sich genommen eine Binsenweisheit. Es geht also darum, wie das Modell aussieht. Deshalb war ich Verfechter eines Modells, wonach die Entschädigung am Anfang höher ist und dann absinkt. Generell würde ich es als schlecht empfinden, jetzt in der Krise das System zu ändern.“

Von wegen Binsenweisheit, ein Klischee ist diese simple Formel und nur aufrechtzuerhalten, wenn Befunde aus der dynamischen Armutsforschung nicht zur Kenntnis genommen werden. Wiederholt ist von verschiedener Seite darauf hingewiesen worden, dass es den schlichten Zusammenhang zwischen Höhe von Arbeitslosengeld oder anderen Einkommenssubstituten nicht gibt und die Behauptung nur am Leben erhalten werden kann, weil bestimmte Annahmen gesetzt werden.

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