„Die Kinder werden zu überangepassten Wesen“ und ein Bedingungsloses Grundeinkommen…

…darüber sprach die Basler Zeitung mit Remo Largo (seine Website, siehe frühere Kommentare von uns hier), Entwicklungsforscher und Kinderarzt, ehemaliger Professor am Zürcher Kinderspital. Es geht darin um das Schulsystem, seine spezifische Leistungsorientierung und die Tabuisierung von Begabungsunterschieden, die nicht „ausgebügelt“ werden könnten, die der Einzelne anzunehmen lernen müsse. Auch die Gesellschaft müsse damit anders umgehen statt Bildungsziele zu normieren. Wie in seinem Buch „Das passende Leben“ und in früheren Schriften geht es vor allem darum, Bildung vom Kind her zu denken, nicht von den abstrakt formulierten vermeintlichen Erfordernissen der Nutzbarkeit. Vom Kind her gedacht kann es seine Begabungen am besten entfalten.

An einer Stelle kommt die Sprache auf ein Bedingungsloses Grundeinkommen, wozu Largo sich in jüngerer Zeit wiederholt geäußert hatte, meist jedoch vor allem mit Bezug auf etwaige Folgen der Digitalisierung. Was sagt er?

BAZ: „Wie sieht Ihrer Meinung nach die Zukunft aus, wenn wir weitermachen wie bisher?
Wir müssen gar nicht in die Zukunft schauen. Wir haben ja schon jetzt ein monströses Problem, das sich einfach noch verstärken wird. Nicht nur in der Schule, auch in der Wirtschaft. Die Arbeit ist immer mehr sinnentleert. Immer mehr Menschen arbeiten nur noch für den Lebensunterhalt. Doch der Mensch hat ein Bedürfnis nach Befriedigung und Wertschätzung. Er will seine Begabungen bei der Arbeit einsetzen, Leistung erbringen. Das ist in der Wirtschaft immer weniger möglich. Wenn wir beispielsweise ein Grundeinkommen hätten, hätten wir viel mehr Freiheiten, das zu tun, was wir wollen und auch brauchen.“

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Beharrlichkeit von Mythen und ein vereinfachender Blick auf Armut…

…das konnte wieder gut in der jüngsten Ausgabe von Maischberger beobachtet werden, wenn die üblichen Vedächtigen, muss man fast sagen, sich ein Stelldichein geben und keine Expertise bemüht wird, um dazu einmal differenziertere Aussagen zu erhalten. Es war gerade der jüngste Gast in der Sendung, Jeremias Thiel, der einen Einblick gab in das Leben einer Familie, in der beide Eltern krank sind und die Höhe von Sozialleistungen weder Hindernis noch Hilfe dafür ist, sich diesen Erkrankungen stellen zu können. Manches davon scheint im Kommentar von Hand Hütt in der Frankfurter Allgemeine Zeitung auf, wird aber auch nicht vertieft.

Der Wirtschaftsredakteur der FAZ, Rainer Hank, konnte sich wieder über einen Auftritt freuen, um seine üblichen Invektiven gegen den Sozialstaat loszulassen und an die Eigenverantwortung zu appellieren. Dabei könnte eine treffende Kritik am Paternalismus des deutschen Sozialstaats sehr wohl die Richtung weisen, um ihn fortzuentwickeln zu einem, der Autonomie und Initiative tatsächlich unterstützt, statt durch Beaufsichtigung und Kontrolle zu behindern. Hank wandte sich hier zurecht gegen die Vorstellung der Börsen-Expertin Anja Kohl, der Staat hätten Herrn Thiel helfen, ihn aus der Familie nehmen müssen. Sie weiß vermutlich nicht, dass der Auftag des Jugendamtes gesetzlich definiert ist (Achtes Buch Sozialgesetzbuch) und die Entscheidung, ein Kind aus einer Familie zu nehmen, keine so einfache Angelegenheit ist. Dann läge es ja nahe, sich dazu nicht zu äußern. Das scheint schwer zu sein, selbst für eine erfahrene Journalistin. Doch Hank meint mit Paternalismus die angeblich passivierenden Folgen von Sozialleistungen, wenn sie denn zu hoch ausfallen. Ein Blick in die dynamische Armutsforschung würde hier weiterhelfen, um mit Mythen aufzuräumen (siehe z. B. hier und auch hier: Verweildauer im Leistungsbezug). Aber daran scheint er kein Interesse zu haben.

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„Die Postleitzahlen als Glaskugel-Ersatz für die Vorhersage der Bildungschancen der Kinder?“…

…eine differenzierte Besprechung der jüngsten Berichterstattung von Stefan Sell über eine OECD-Studie zu ungleichen Bildungschancen in Deutschland. Darin nimmt er nicht nur die Schlussfolgerungen aus der Studie und ihre Aufnahme in den Medien unter die Lupe, er zeigt sich auch kritisch bezüglich der Daten, auf die sich die Schlussfolgerungen beziehen: die PISA-Studie 2015. Einen der Vorschläge, Ganztagsschule (siehe auch hier und hier) auszubauen und sich davon Verbesserungen zu erhoffen, stuft er als Glaubensfrage ein. Sell äußert sich zwar nicht weiter dazu, es wäre hier aber zu ergänzen, dass die Ganztagsschule auf Kosten des Familienlebens geht und man sich fragen muss, was damit angerichtet wird, zumal echte Ganztagsschule heißt, dass Kinder sich immer in Beaufsichtigungszusammenhängen aufhalten, die gerade nicht zum Nahraum ihres Lebensumfeldes gehören.

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„Entscheidend ist, dass jemand arbeitet“…

…sagte Paul Romer, Ökonomie-Nobelpreisträger und Professor für Volkswirtschaftslehre, in einem Interview mit Roman Pletter, das auf Zeit Online erschienen ist. Manchmal ist es doch überraschend, wie wenig differenziert selbst erfahrene Wissenschaftler über ein Grundeinkommen sprechen. Man fragt sich, womit das wohl zu tun hat. Bevor es um ein Grundeinkommen geht, wird ihm die nachstehende Frage gestellt:

„ZEIT: Was schlagen Sie vor, um den jungen Menschen zu helfen, die in Europa keine Arbeit finden?
Romer: Man könnte einen nationalen Dienst einrichten, der junge Leute dazu zwingt, in verschiedenen Bereichen zu arbeiten, also im Dienstleistungssektor etwa einen Monat im Restaurant und dann einen Monat auf einem Bauernhof und dann in einer Fabrik. So kann man Menschen früh in ihrer Karriere dem aussetzen, was Arbeit ist. Das wird sie nicht lehren, Computercode zu schreiben, aber es wird sie Empathie lehren, Hartnäckigkeit und die Ausdauer, an etwas zu arbeiten, auch wenn es nicht sofort belohnt wird. Und dazu Dinge wie Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit. Wenn man Arbeitgeber nämlich fragt, was ihnen wichtig ist, dann sagen sie nicht zuerst, dass jemand programmieren können soll, sondern dass er jeden Tag pünktlich auftaucht.“

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„Wir brauchen euer Geld“

„Dorf testet Zukunft“ – wirbt im Spenden, um das Projekt Rheinau möglich zu machen.

„Wir benötigen 6.2 Millionen! Ein unglaublich grosser Betrag, das ist uns bewusst. Wir planen den Versuch, das bedingungslose Grundeinkommen in einer Gemeinde ohne staatliche Hilfe für ein Jahr möglich zu machen. Das kostet Geld.

Viele fragen, wie er sich zusammensetzt. Zu recht. Also: Der Betrag ist eine Hochrechnung der benötigten Grundeinkommen für die 770 Teilnehmer:innen während eines Jahres. Die Arbeit der Teammitglieder wird nicht entlohnt und ist daher nicht Bestandteil der Summe.“

Lesen Sie den gesamten Aufruf zur Unterstützung hier.

„A Universally Bad Idea…

…Silicon Valley titans push the Marxist-Leninist nonsense of a guaranteed income“, starke Worte im Wallstreet Journal, zumindest der Titel lässt einiges erwarten, auch eine Menge Durcheinander. Ein historischer Blick in die Sowjetunion und die DDR hätten den Autor vor dem Untertitel bewahrt, der das Bedingungslose Grundeinkommen in eine Tradition stellt, in der es nicht steht.