„Wir brauchen Chancen von Menschen, in Arbeit zu kommen“,…

…so Hubertus Heil in dem hier verlinkten Interview. Es gehe „auch um Gerechtigkeit“, es brauche „Chancen“, es gehe um „Eigenverantwortung“. Doch die „kleine hartnäckige Gruppe“, die jedes Angebot ausschlage, sei das Problem.

Nun, wenn es um Chancen geht, dann braucht es keine Sanktionen, denn Chancen sind nur solche aus der Perspektive einer Person, die diese ergreifen oder sie auch nicht ergreifen kann. Chancen sind positiv konnotiert, sie sind etwas Wünschenswertes. Wenn sie keine Wahl hat, wie Heil es vertritt, sind es keine Chancen, dann sind es Auflagen oder Vorschriften bzw. kollektive Erwartungen. Diese sprachkosmetische Verschleierung lüftet Heil sogleich, wenn er deutlich macht, dass es nicht akzeptabel ist, wenn diese „Chancen“ nicht ergriffen werden. Dann sollte man sie nicht als solche bezeichnen, auch wenn diese Redeweise schon unter Bundeskanzler Schröder anzutreffen war. Man könnte stattdessen einfach sagen, dass von dem Gemeinwesen nach gegenwärtiger Lage schlicht und einfach erwartet wird, dass Erwerbstätigkeit geleistet wird, ganz gleich, was die Menschen sonst für Sorgen oder auch Aufgaben haben. Dann spart man sich auch die Überlegung, weshalb denn verweigert wird, was die Hintergründe sind. Ob das dann dem Gemeinwesen zuträglich ist? In jedem Fall werden dann Erwartungen erfüllt.

Sascha Liebermann

„Heil will Job-Verweigerern das Bürgergeld komplett streichen“

Was soll mit dieser Haudraufhaltung erreicht werden? Symbolpolitik? Ein Zugeständnis an die vielen Falschberechnungen zum Bürgergeld?

Was am Ende dieses focus-Beitrags (siehe auch den Beitrag auf tagesschau.de) geschrieben wird, zeigt, worum es geht:

„Wie viele das am Ende dann genau betrifft, ist unklar. Bekannt ist lediglich die Zahl derer, gegen die bereits Sanktionen wegen mangelhafter Mitwirkung verhängt wurden. Das sind von 3,9 Millionen Empfängern 23.400 Personen.“

Es ist schon lange bekannt, dass es um einen sehr kleinen Kreis von Personen geht (siehe auch hier), die gemäß geltender Gesetze und Bestimmungen davon abweichen, worauf zielt das also?

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Was bedeutet „sich lohnen“?

Folgt man der üblichen Auslegung, wie sie auch Hubertus Heil offensichtlich pflegt, dann würde Leistungsbereitschaft vor allem, wenn nicht gar ausschließlich, daran hängen, dass sie sich „lohnt“ (siehe dazu unsere Beiträge über „Anreize„). Sich zu lohnen beinhaltet hier in der Regel nicht, dass etwas Gelungenes dabei herauskommt, z. B. ein gutes Produkt, eine gute Dienstleistung oder Vergleichbares. Auch geht es nicht um die Sinnhaftigkeit, die eine Tätigkeit für jemanden hat. Meist geht es nur darum, mehr Geld zu verdienen als ohne Erwerbstätigkeit – insofern also solle es sich lohnen, sonst wäre Erwerbstätigkeit ja sinnlos muss man daraus wohl schließen. Wie rätselhaft muss es für die Anhänger des „Arbeit muss sich wieder lohnen“ sein, dass die sogenannten Aufstocker – genauer „Ergänzer oder erwerbstätige erwerbsfähige Leistungsberechtigte“ – einer Erwerbstätigkeit nachgehen, die sich für sie in diesem Sinne nicht lohnt, müssten sie ja sonst nicht aufstocken – oder soll etwa das Aufstocken bzw. die Ergänzung der Lohn sein? Es zeigt sich schnell, dass hier etwas nicht stimmen kann wie auch bei vergleichbaren Diskussionen z. B. zum Ehegattensplitting.

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Ungeschminkt, klare Ansage,…

…anders als manche, die das Bürgergeld verklären, redet Hubertus Heil im Gespräch mit dem Deutschlandfunk Klartext. Keineswegs werde auf Mitwirkungspflichten verzichtet, Sanktionen bleiben selbstverständlich als Instrument bestehen – steht ja auch so im Gesetzentwurf. Die Grundstruktur im Vergleich zu Hartz IV ändert sich eben nicht, wenn es auch systemimmanente Verbesserungen gibt.

Interessant sind die Ausführungen Heils aber auch, um die Widersprüchlichkeiten in der Haltung gegenüber dem Einzelnen zu erkennen. So heißt es an einer Stelle:

„Zwei Drittel der Langzeitarbeitslosen in Deutschland haben keine abgeschlossene Berufsausbildung. Im alten Hartz-IV-System ist es dann oft so, dass man die mal kurzfristig in Hilfsjobs bekommt. Das Jobcenter sieht sie nach ein paar Monaten wieder. Jetzt sagen wir, wir schaffen auch die Möglichkeit, auch Anreize, tatsächlich einen Berufsabschluss nachzuholen, sich zu qualifizieren und damit dauerhaft in Zeiten des Fachkräftemangels in Arbeit zu kommen. Das ist meine Vorstellung eines Sozialstaats, der unbürokratischer und verlässlicher Menschen in Not absichert, aber der vor allen Dingen Brücken aus der Bedürftigkeit baut.“

Angebote zu schaffen, Möglichkeiten zu bieten, ist immer gut, die Frage stellt sich, bedarf es dazu aber Sanktionen und Mitwirkungspflichten? Ob eine abgeschlossene Ausbildung wirklich etwas an der Situation ändern würde, sei dahingestellt. Vermutlich sind es noch ganz andere Herausforderungen und womöglich Sorgen, die den Grund für den langen Verbleib im Arbeitslosengeld darstellen (siehe dazu hier und hier). Das wären womöglich gute Gründe dafür, dass jemand die Leistung lange in Anspruch nehmen muss und womöglich auch dafür, dass er keine Ausbildung abgeschlossen hat. Für diejenigen, für die es nur am Angebot gefehlt hat, ist es hilfreich, solche zu haben. „Brücken“, wie Heil es nennt, können ohne Sanktionen und Mitwirkungspflichten ebenso gebaut werden – soll der Einzelne über sie gehen können, müssen oder herübergezogen werden? Wer aber von „Anreizen“ spricht, das ist klar, lässt gute Gründe nicht gelten, denn Anreize sollen locken.

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„Familienbonus für alle“? – Wird das nicht stets als Gießkannenprinzip kritisiert…

…, wenn es um ein Bedingungsloses Grundeinkommen geht? Wird nicht sonst immer die Frage gestellt, ob denn alle diese Hilfe brauchen? Wieder eine Einzelleistung angesichts der vielen, die es schon gibt. Da stellt sich zurecht die Frage, ob das nicht einfacher, übersichtlicher, effektiver ginge – eben durch ein BGE.

Sascha Liebermann

Das war in der Tat eben Sprachkosmetik – die interessante Frage: Wird dies eine Rolle im Bundestagswahlkampf spielen?…

…Siehe frühere Beiträge dazu von unserer Seite hier.

Bundesarbeitsminister Heil führt eine Gespensterdebatte und ignoriert differenzierte Diskussion über Grundeinkommen

In diesem Ausschnitt äußert sich Bundesarbeitsminister Heil zur Grundeinkommensdiskussion. Er stellt heraus, wie wichtig es sei, „präzise Begriffe“ zu verwenden, „Bedingungsloses Grundeinkommen“ sei kein solcher und führe zu Missverständnissen. Ein Fan davon sei er nicht. Doch Fans, wie schon Goetz Werner vor vielen Jahren sagte, braucht es in der Debatte auch nicht, sondern gute Argumente. Was Heil dann darbietet, mag manchen überschwenglichen oder auch voreiligen BGE-Befürworter betreffen, nicht aber die seit Jahren differenzierte Diskussion, wenn sie denn zur Kenntnis genommen würde. Für Heil leben wir in einer „Arbeitsgesellschaft“ (siehe auch hier) – da scheint er vergessen zu haben, dass das Fundament unserer „Gesellschaft“ eben nicht Arbeit, sondern Demokratie und die Anerkennung der Bürger als Souverän ist.

Bundesarbeitsminister Heil führt eine Gespensterdebatte und ignoriert differenzierte Diskussion über Grundeinkommen weiterlesen

Zweierlei Paternalismus – für die einen ist der Mensch ohne Arbeit nichts, für die anderen braucht er sie zur Disziplinierung…

…dazu passt dann noch die widersprüchliche Haltung der FDP.

„Jeder Mensch hat ein Anrecht…“…

…ergänzen müsste man noch: Es darf keine Bürger zweiter Klasse geben, denn der Bürgerbegriff benennt etwas Grundsätzlicheres als der Arbeitnehmerstatus. Was soll man zu solchen Äußerungen des Bundesarbeitsministers noch sagen? Da kann die Konsequenz nur Hartz IV sein.

Sascha Liebermann