Systemfrage gestellt, umschifft und was folgt daraus?

Stefan Sell hat sich in zwei Beiträgen zum einen mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, zum anderen mit der medialen Kommentierung befasst. Zum ersten Beitrag lautet sein Fazit:

„Fazit: Das höchste Gericht hat ein Urteil gefällt, dass die Systemfrage einerseits erkennbar umschifft, also die Letztfrage der Bedingungslosigkeit eines existenziellen Minimums. Auf der anderen Seite hat es die Systemfrage eindeutig geklärt, denn im bestehenden System der bedürftigkeitsabhängigen Sozialhilfe darf der Staat ein Sub-Existenzminimum installieren. Für viele Menschen wird es pragmatisch nun darum gehen müssen, dass das, was in den Jobcentern passiert, rechtlich möglichst klar normiert und zugleich eine zivilgesellschaftliche Anwaltsfunktion installiert wird, die Hilfestellung leisten kann, wenn man im letzten Außenposten unseres Sozialstaates unter die Räder kommt.“

Das Urteil besagt aber lediglich, dass der Gesetzgeber Sanktionen einsetzen darf, sie folgen aber keineswegs aus dem Grundgesetz. Es bleibt darüber hinaus der Widerspruch zwischen der Würde nach Artikel 1 GG, die unverfügbar ist – wie es das Existenzminimum sein sollte – und doch zugleich verfügbar ist. Erst wenn das Existenzminimum bedingungslos gilt, gilt die Würde bedingungslos. Was es dazu braucht? Nur eines: ein entsprechendes Grundeinkommen.

Sascha Liebermann

Whoopi Goldberg supports Andrew Yang and Universal Basic Income

„Meine Renteninformation“ – Hashtag bei Twitter

„Demokratie und Sozialstaat gehören zusammen“ – aber wie genau?

Diese Deutung, die wir mit unseren Stellungnahmen schon lange vertreten, äußert Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung anlässlich des Urteils des Bundesverfassungsgerichts, dem er vorhält, eine Chance verpasst zu haben. Prantl schreibt unter anderem:

„Das war und ist aber ein grober Irrtum, denn bei der Hilfe für Menschen, die nicht genug Arbeit oder genug Arbeitslohn zum Leben haben, geht es um die Konkretisierung von Artikel 1 Grundgesetz. Und dort steht nicht, dass die Würde der Banken, sondern dass die Würde des Menschen unantastbar ist. Dazu passt es nicht, dass Hartz IV die Schuld an der Arbeitslosigkeit an diejenigen abschiebt, die arbeitslos sind. Dazu passt es nicht, dass die Hartz-IV-Gesetze die Arbeitslosen kontrollieren und sanktionieren und mit Unterstützungsleistungen unglaublich knausern. Dazu passt es nicht, dass Hartz IV, trotz Mindestlohn, hilft, die Löhne zu drücken.“

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„Aus Respekt vor der Lebensleistung“? – Eine Verhöhnung all derer, die unter der Beitragszeit liegen…

…das ist die „Grundrente“, von „Respekt“ kann keine Rede sein.

Sascha Liebermann 

„Wir haben unser Ermessen immer zugunsten der Hilfebedürftigen ausgelegt“…

…in einem Interview mit dem Vorstandsvorsitzenden der Bundesarbeitsagentur für Arbeit, Detlef Scheele, im Deutschlandfunk wird deutlich, wie der Gesetzgeber die Handlungsspielräume der Bundesagentur und der Jobcenter absteckt und dass manche Kritik an die falsche Adresse gerichtet wird.

Scheele hat sich auch schon zum Bedingungslosen Grundeinkommen geäußert, siehe hier, weitere Beiträge zu Äußerungen von ihm finden Sie hier.

Sascha Liebermann

Das Grundgesetz und Sanktionen – Peter Tauber deutet nur in eine Richtung, die andere wäre naheliegender: gar keine Sanktionen

Peter Tauber weist auf einen wichtigen Punkt hin, der allerdings zugleich die Widersprüchlichkeit des Urteils des Bundesverfassgungsgerichts deutlich macht. Die Menschenwürde ist eben doch verfügbar unter bestimmten Voraussetzungen. Tauber unterschlägt allerdings, dass das Grundgesetz laut Urteil keineswegs Sanktionen fordert oder nahelegt, lediglich verbietet es sie nicht. Der Gesetzgeber kann solche Instrumente also vorsehen, er muss aber nicht. Insofern ist Taubers Position zum Urteil nur eine Auslegung, die andere wäre, Sanktionen vollständig aufzugeben, das wäre in Übereinstimmung mit dem Grundgesetz. Dann müsste allerdings das Erwerbsgebot aufgegeben werden, solange das nicht geschieht, ist die Forderung nach einer Abschaffung von Sanktionen illusionär. Ein „Garantiesicherung“, wie Robert Habeck sie vorgeschlagen hat, könnte eine Vorstufe zum Bedingungslosen Grundeinkommen sein. Es wäre allerdings einfacher, sich den Zwischenschritt zu sparen.

Siehe auch den Kommentar von Stefan Sell zur medialen Berichterstattung.

Sascha Liebermann