„Wirkt das Grundeinkommen Wunder?“

So ist der Beitrag von Johannes Pennekamp in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung übertitelt, der sich mit den Ergebnissen des Pilotprojekts Grundeinkommen befasst, die gestern präsentiert wurden. Der Beitrag ist nüchtern gehalten, polemisiert nicht und stellt Fragen, die andere auch stellen. Insofern, könnte man schlußfolgern, sind die Ergebnisse der Feldstudie also unspektakulär, regen nicht auf, weisen nicht auf negative Effekte hin, es gibt nichts zu beklagen. Zu dieser Nüchternheit passt der Titel allerdings überhaupt nicht. Wer würde ernsthaft „Wunder“ erwarten, wo er es mit realen Menschen zu tun hat, die sind, wie sie sind? Ist der Titel doch Ausdruck der Messlatte, die an ein BGE angelegt wird? Drunter lohne eine Einführung ohnehin nicht?

Was wäre nun aus dem nüchternen Befund zu schließen? Er wäre der CDU-Kampagne gegen das Bürgergeld gegenüberzustellen, mit den Einsichten abzugleichen zu den angeblichen „Totalverweigerern“ (siehe auch hier) usw.

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Fallstricke und Eigenheiten standardisierter Befragungen

Der Volksverpetzer hat vor zwei Jahren schon einen informativen Beitrag zu den Fallstricken und Eigenheiten standardisierter Befragungen veröffentlicht, der für Interessierte gut lesbar ist. Darin wird auf die Schwierigkeiten eingegangen, repräsentative Daten zu gewinnen, auf die Fehlertoleranz der Messungen und anderes mehr.

Nicht erwähnt – und das ist grundlegend – wird hingegen die problematische Datenqualität aufgrund der Eigenheiten standardisierter Befragungen, in denen die ihr Handeln deutenden Subjekte in Messvariablen zerlegt werden und in der Messung als Individuen nicht mehr in Erscheinung treten, so dass die Zusammenhänge der gemessenen Variablen nicht rekonstruierbar ist. Um das Handeln zu verstehen, müssen aber die Deutungswelten der Einzelnen in ihrem inneren Zusammenhang bestimmt werden, das geht am besten und genauesten auf der Basis nicht-standardisierter Datentypen (Transkripte von Forschungsgesprächen – Interviews oder andere von der Praxis hervorgebrachte Daten) und einer detaillierten Auswertung, wie sie in manchen Verfahren der sogenannten qualitativen Sozialforschung durchgeführt wird. Die in der Datenform liegende Beschränkung der Datenqualität solcher Befragungen reicht also viel weiter und ist grundlegender als die im oben verlinkten Beitrag erwähnten Eigenheiten.

Siehe zu diesen Fragen auch unseren früheren Kommentare hier und hier.

Sascha Liebermann

Standardisierte Befragungen und Datenqualität

Siehe zu diesen Fragen auch unseren früheren Kommentare hier und hier.

Sascha Liebermann

Wer muss sich wofür rechtfertigen?

Das ist der entscheidende Punkt, in dem sich ein Bedingungsloses Grundeinkommen von anderen Formen der Mindesteinkommenssicherung unterscheidet: der Bereitstellungsmodus und die damit einhergehenden oder eben ausgesetzten Rechtfertigungsverpflichtungen.

Selbst eine diesbezüglich unkomplizierte, von einer Bedarfsprüfung freie Negative Einkommensteuer operiert noch mit der Unterscheidung zwischen regulärem und nicht-regulärem Einkommen, indem die Steuergutschrift (Negativsteuer) abhängig ist vom erzielten Einkommen. Damit werden Einkommen und Steuergutschrift ins Verhältnis zueinander gesetzt, beim BGE soll das nicht der Fall sein, um beide Einkommensarten normativ voneinander zu lösen.

Sascha Liebermann

„Wir sollten uns auf das Experiment ‚Bedingungsloses Grundeinkommen‘ einlassen“

„Grundeinkommen und Kontrolle“…

…ein Beitrag von Jan Schulz-Weiling auf der Website des Magazins Multipolar.

Die Sorge darum, dass ein BGE letztlich dazu dienen könne, dem „Staat“ ein wichtiges Kontrollmittel über die Bürger zu liefern, ist nicht neu und wurde schon früh in der Diskussion geäußert. Eine Steigerung von der bloßen Sorge zur Gewissheit, dass dies auch so sein und nur deswegen ein BGE in Betracht gezogen werde, vollzog sich im Zusammenhang mit der Diskussion um ein „great reset“, das oligarchischen Akteuren aus der Techbranche oder Wirtschaftsführern nun endlich die Möglichkeit biete vergleichbar dem Social Credit-System eine umfassende Kontrolle einzuführen. Ebenso früh wurde in der Diskussion schon darauf aufmerksam gemacht, dass ein BGE keine eierlegende Wollmilchsau sei und die Hoffnungen in diese Richtung eine Überladung der Idee bedeuten, denn jede Idee, jeder Vorschlag könne für andere Ziele missbraucht oder zweckentfremdet (siehe auch hier) werden. Sobald ein BGE durch die Hintertür wieder mit Gegenleistungsbedingungen verknüpft werde, sei es eben kein BGE mehr, das die Bezeichnung verdiene. Insofern stellt sich die Frage, was ein Beitrag, der sich mit dieser Frage nun erneut befasst, denn Neues liefern könne.

Der Autor des Beitrags im Multipolar-Magazin spricht sowohl vom BGE als auch vom Grundeinkommen, was sogleich in Missverständnisse führt, wie man an den historischen „Vorläufern“ erkennen kann, die für diesen Vorschlag angeführt werden, die keine wirklichen Vorläufer sind, zumindest was den heute diskutierten Vorschlag betrifft – weder Thomas Morus noch die Negative Einkommensteuer.

Inwiefern kommt hier nun die Kontrollfrage ins Spiel?

Bismarck, so der Verfasser, habe die Sozialversicherungen nicht aus „altruistischen Motiven“ eingeführt, womit er wohl ihre Diskreditierung vorbereiten will, wobei man hier herausheben muss, dass der Reichstag die Gesetzesvorschläge verabschiedete. Es ist also nicht Bismarcks Leistung, dass sie eingeführt wurden. Darüber hinaus sind solche Gesetze nicht mit den Motiven gleichzusetzen, die der Initiator damit verbindet, sie stehen in ihrer strukturellen Bedeutung für sich und können sich gegen die Motive wenden bzw. weit über sie hinausreichen. Motive diskreditieren also ein Gesetzesvorhaben nicht. Auch dass Regierungen auf „Unmut in der Bevölkerung“ reagieren, diskreditiert diese Vorhaben nicht, denn Regierungen sollten auf Unmut reagieren, sofern es für diesen gute Gründe gibt.

Schulz-Weiling zeichnet in dem Beitrag ein sehr einfaches Bild von der Macht einer Regierung, ohne zu berücksichtigen, dass auch etwaige Rücknahmen einst eingeführter Leistungen Gefolgschaft finden, also als angemessen oder berechtigt betrachtet werden müssen, um Bestand haben zu können. Man muss sich nur vor Augen führen, wie selbst von den Sanktionen des Bürgergelds Betroffene diese verteidigen oder für berechtigt halten, weil es doch Missbrauch gebe.

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