„Es geht also beim Grundeinkommen nur um Freiheit…“

…so resümierte eine Teilnehmerin gegen Ende einer Veranstaltung zum Begingungslosen Grundeinkommen in Siegburg im vergangenen November die Diskussion, in der – wie immer – Vieles Gegenstand war.

Was soll man entgegnen, wenn nach einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Für und Wider eines BGE, nach einer Diagnose der heutigen Zustände, der Engführung der Systeme sozialer Sicherung, der Sanktionsinstrumente im Arbeitslosengeld, der Folgen des Vorrangs von Erwerbstätigkeit für Bildung und Bildungswesen, Familie, bürgerschaftliches Engagement, die Erstellung von Gütern und das Gemeinwesen als Ganzes am Ende diese lakonische Feststellung übrigbleibt. „Nur“ heißt ja „mehr nicht“, „lediglich“ – ach, bloß darum geht es.

So ernüchternd diese Antwort, so symptomatisch ist sie für die Werthaltungen, die für unser Zusammenleben offenbar so selbstverständlich sind. Denn es handelt sich nicht um eine Ausnahme, sondern um eine Haltung, die in verschiedensten Zusammenhängen angetroffen werden kann. Man beachte die jüngste Diskussion um die weitgehende Aufhebung der Anwesenheitspflicht in Lehrveranstaltungen an Hochschulen in Nordrhein Westfalen (z.B. hier und hier; eine interessante Diskussion gibt es hier) und sogleich stellt sich ein Déjà-vu ein. Denn die Befürchtung, Studenten würden dann nicht mehr an Lehrveranstaltungen teilnehmen, weil sie Leistungspunkte auch bei Abwesenheit erhalten, ist nur dann plausibel, wenn man glaubt, Studienprüfungen absolvieren zu können, ohne die wichtige Auseinandersetzung mit einem erfahrenen Dozenten in der Lehrveranstaltung erfahren zu haben. Entweder sind die Studenten dann aber so herausragend, dass sie diese Auseinandersetzung nicht brauchen oder die Lehrveranstaltungen sind überflüssig. Abgesehen davon unterstellt die Befürchtung, dass Studenten generell aus freien Stücken Lehrveranstaltungen nicht besuchen wollen. Damit unterstellt man ihnen aber, dass sie im Grunde gar nicht studieren wollen. Wo das wirklich der Fall ist, wird sich das in der Prüfung zeigen, die dann kaum zu bestehen sein wird. Darauf könnte man vertrauen – ja, mit dem Vertrauen ist das so eine Sache.

Der Geist von Hartz IV ist überall.

Sascha Liebermann

Richard David Precht und Sascha Lobo über das Bedingungslose Grundeinkommen

Langfassung der Sendung (dort geht es ab Minute 27 um Bedingungsloses Grundeinkommen) Unter dem Titel „Die Zukunft der Arbeit. Macht das Netz arbeitslos?“ diskutierte Richard David Precht mit Sascha Lobo unter anderem über das Bedingungslose Grundeinkommen. Beide sprechen sich deutlich für das BGE aus, wie aber wird es begründet? Es mag der Tribut an das Thema der Sendung sein, dass das BGE nur in seinen Möglichkeiten und Auswirkungen auf die Arbeitswelt und die Einkommenssicherung diskutiert wird (siehe auch hier). Immer wieder einmal scheint allerdings der politische Charakter des BGE auf, denn schließlich muss das Gemeinwesen es einführen und es tragen. Nur, über dieses Gemeinwesen wird nicht weiter gesprochen, sehen wir einmal von der an manchen Stellen üblichen Politikschelte ab, in der man sich bequem einrichten kann. Der Verweis Prechts auf das Kommunistische Manifest, in dem skizziert werde, wie es mit einem BGE sein könnte, ist eine Anspielung, wie so viele andere, die in der Sendung fallen. Marx allerdings hatte seine Mühe damit, das Politische als autonome Sphäre zu denken. Wenn Sascha Lobo sich dafür ausspricht, mit einem BGE zu experimentieren, dann ist das zwar sympathisch, weil er einräumt, gegebenenfalls auf unerwünschte Auswirkungen reagieren zu müssen. Diese Selbstverständlichkeit jedoch, politisch gestalten zu müssen, lässt eine andere Selbstverständlichkeit aus: die Demokratie (siehe auch hier). Denn wir leben heute von Voraussetzungen, die wir nicht erst zu schaffen haben, es sind dieselben, die ein BGE erforderte. Von daher ist es nicht utopisch, wie es an anderer Stelle wiederum heißt. Ein BGE ist ganz aus dem Geist der Demokratie begründbar, das ist das stärkste Argument für seine Einführung. Sascha Liebermann

Feldexperimente zur Erprobung eines Bedingungslosen Grundeinkommens – aussagekräftig oder zweifelhaft?

Eine der großen Fragen, die in der Grundeinkommensdiskussion immer wieder auftaucht, ist die nach gesicherten Erkenntnissen über die Auswirkungen eines BGE. Sie wird nicht nur von denjenigen vorgebracht, die skeptisch, aber wohlwollend der Idee gegenüberstehen. Befürworter selbst erkennen in Feldexperimenten ein Instrument, um zum einen gesicherte oder bessere Erkenntnisse über mögliche Auswirkungen eines BGE zu erhalten, zum anderen Kritiker durch die Befunde doch noch für das BGE zu gewinnen. Doch, was ist von einer Erprobung zu halten, was könnte sie leisten?

Eine Erprobung, nomen est omen, kann nur in Form eines Projekts erfolgen und das wäre befristet. Sehen wir einmal von den verschiedenen Formen ab, die es annehmen könnte – als Experiment mit einer Kommune, einem Bundesland, mit Einzelpersonen verstreut über Deutschland, über zwei, fünf oder zehn Jahre –, so bleiben grundsätzliche Fragen dazu bestehen, was ein solches Experiment belegen könnte, das nicht auf anderem Wege ebenso zu erforschen wäre.

Die erste Frage wäre methodischer Natur. Ein befristetes Projekt bietet nicht die Perspektive, sich jenseits der heutigen Verpflichtungen zu fragen, wie man leben will, weil es ein Leben nach dem Projekt geben wird, das mit den alten Verpflichtungen zu Erwerbstätigkeit und Einkommenserzielung auf einen wartet. Wer seine zukünftigen Möglichkeiten nicht fahrlässig außer Acht lassen oder auf’s Spiel setzen will, muss alle Entscheidungen, die er im Rahmen des Projekts trifft, stets auf ihre Auswirkungen für die Zeit danach abwägen. Je mehr Verantwortung an einer Person hängt (z.B. für eine Familie), desto weniger kann sie sich in einem Feldexperiment davon freimachen. Sie kann also nicht berufliche Weiterqualifizierung außer Acht lassen, kann sich nicht sorglos einem Ehrenamt oder der Fürsorge in der Familie widmen, kann nicht eine Stelle aufgeben, weil sie nicht abschätzen kann, wie die Arbeitsmarktlage in fünf oder zehn Jahren – nach dem Projekt – sein wird.

Nehmen wir einmal an, ein Teilnehmer könnte sich von diesen „alten“ Rechtfertigungsverhältnissen seines Lebens innerlich, subjektiv, freimachen, dann blieben sie objektiv dennoch bestehen. Denn das Gemeinwesen, dass dieses Experiment durchführt, fördert oder toleriert, würde die es betreffenden, im Projekt getroffenen Entscheidungen gemäß der „alten“ Rechtfertigungsverhältnisse, die die aktuellen und zukünftigen (nach Ende des Projekts) wären, bewerten. Dieser gemeinschaftliche Konsens prämiert ein bestimmtes Handeln, das nämlich normativ auf Erwerbstätigkeit gerichtet ist und die Nachordnung anderer Tätigkeitsformen erwartet.

Was könnte aus einem Feldexperiment über die Welt mit BGE geschlossen werden, wenn die Bedingungen des Experiments der Welt gerade in entscheidender Hinsicht nicht entsprechen? Aus einem Experiment, das eben nur eine Simulation darstellt und deswegen – anders als Alexander Spermann (hier und jüngst hier) und Johannes Terwitte hoffen – keine Aussagen über Realverhältnisse erlaubt, kann nichts gewonnen werden, das nicht mindestens genauso gut anders herauszufinden wäre, und zwar mit Methoden der fallrekonstruktiven Forschung. Es müsste nur, auf der Basis von Daten aus der Vergangenheit, das Handeln von Menschen daraufhin untersucht werden, was darin für handlungsleitende Überzeugungen zum Ausdruck kommen und wie sie sich gebildet haben. Dabei operiert die fallrekonstruktive Forschung nicht mit Annahmen, wie Terwitte meint, sie untersucht Realphänomene. Wenn diese handlungsleitenden Überzeugungen wesentlich dem entsprechen, was ein BGE erfordern würde, um zu gelingen, wäre Entscheidendes herausgefunden. Wenn sie ihm nicht entsprächen, dann würden auf diesem Wege keine hilfreichen Einsichten zu gewinnen sein. Solche Überzeugungen, Habitus und Deutungsmuster herauszupräparieren, ist eine typische Aufgabe fallrekonstruktiver Sozialforschung.

(Ganz anders als Alexander Spermann sieht sein Kollege Werner Eichhorst das BGE. Seine im Sommer 2013 veröffentlichte Stellungnahme trägt den bezeichnenden Titel „Schaffen statt Schlaraffen“. Man kann sie getrost als Untergangsszenario bezeichnen, in dem auf Basis voraussetzungsvoller Annahmen skizziert wird, was passieren würde, wenn es ein BGE gäbe. Das war nicht seine erste ablehnende Stellungnahme zum BGE. Im Jahr 2005 haben er und ich im Bayern 2 Radio, Sendung Notizbuch Extra, “Arbeitsleben – Was war, was bleibt” miteinander diskutiert. Das Ergebnis war ähnlich, etwas weniger radikal vielleicht.)

Dass die Kultur in ihrer Eigengestalt, samt Werthaltungen, Habitus und Deutungsmustern in so einem Fall immer auch rekonstruiert werden muss, um Handeln zu verstehen, ist an dem Interview mit Sabine Klocke-Daffa über das Projekt in Namibia sehr deutlich geworden. Dazu gehört der Hintergrund vor dem die Menschen dort im Rahmen des Projekts ihre Entscheidungen getroffen haben. In einem Dorf, in dem die Armut so groß, die Versorgungslage so schwierig und die Aussichten auf Besserung so schlecht sind, es also kurz gesagt nicht viel zu verlieren gibt in Hinsicht auf die Zeit nach dem Projekt, greift ein BGE viel unmittelbarer ein, als in Verhältnissen, in denen die Aussichten viel besser, die Möglichkeiten größer und die Verpflichtung, sich für diese Möglichkeiten im Rahmen des normativen Gefüges bereit zu halten – also bei uns –, bestehen.

Die zweite Frage wäre legitimatorischer Natur. Wir würde ein demokratisches Gemeinwesen es rechtfertigen wollen, etwas auszuprobieren, aus dem sich zum einen weder für die Zukunft sichere Befunde darüber erwarten ließen, wie die Menschen tatsächlich mit einem BGE umgehen würden, noch etwas herausgefunden werden könnte, das nicht ohnehin schon elementare Voraussetzung der Existenz eines solchen Gemeinwesens ist? Diese elementare Voraussetzung besteht in der gegenwärtigen politischen Ordnung Deutschlands und anderen modernen Demokratien in einem beinahe banalen, vielleicht gerade deswegen so häufig übersehenen, Zusammenhang. Wenn es im Grundgesetz heißt, dass alle Staatsgewalt vom Volke ausgehe (Grundgesetz Art. 20 (2)), dann bedeutet das nichts anderes, als dass die Souveränität politischer Vergemeinschaftung in der Selbstbestimmung des Volkes liegt. Damit wird nicht behauptet, dass politische Vergemeinschaftungen ohne Rücksicht auf andere und ohne Kooperation mit anderen handeln könnten. Es wird lediglich das Zentrum dessen bestimmt, das darüber befinden muss, in welche Richtung der Weg führen soll und auf der der Basis welcher Werte das zu geschehen hat. Diese Banalität findet nicht nur in der politischen Ordnung Ausdruck, sie prägt die alltägliche, unspektakuläre Lebensführung aller Menschen, denen niemand abnimmt zu beantworten, wohin sie mit ihrem Leben wollen. Das überlässt das Gemeinwesen aus guten Gründen ihnen, weil es genau dieser Haltung bedarf, diese Frage selbst zu beantworten, um als Demokratie fortbestehen zu können. Dass dieser elementare Zusammenhang nicht allzu deutlich im deutschen Selbstverständnis – also der Deutung der eigenen Realverhältnisse – ausgeprägt ist, kann getrost als Symptom eines Problems verstanden werden. Feldexperimente würden angesichts dessen nichts anderes bedeuten, als dem Volk genau die Souveränität abzusprechen, zumindest sie anzuzweifeln – sonst müssten ihre Voraussetzungen ja nicht erprobt werden -, die ihm in der politischen Ordnung schon eingeräumt wird. Sie liefen auf eine Selbstentmündigung hinaus.

Sascha Liebermann

„…von Erwerbsarbeit als Voraussetzung für ein Leben in Würde ist dort nicht die Rede…“

In einem Beitrag über den Deutschen Gewerkschaftsbund schreibt Eva Roth in der Frankfurter Rundschau:

„…Umso erstaunlicher ist die Bescheidenheit der DGB-Spitze. Das Gehalt eines Arbeitnehmers solle zumindest den Lebensunterhalt gewährleisten, heißt es in ihrem Leitantrag zum Thema Arbeit. Denn: „Jeder Mensch hat das Recht auf ein Einkommen aus Arbeit, das ihm ein Leben in Würde [Hervorhebung SL] ermöglicht.“ Mit Verlaub: Dass die Würde des Menschen unantastbar ist, steht bereits im Grundgesetz. Von Erwerbsarbeit als Voraussetzung für ein Leben in Würde ist dort nicht die Rede…“

Scharfsinnig bemerkt die Autorin die Umdeutung der Menschen- in die Erwerbstätigen-Würde. Doch was wäre daraus die Konsequenz? Die Autorin zieht keinen Schluss daraus, der ihrer Bemerkung entsprechen würde. Wenn die Würde nicht von Erwerbstätigkeit abhängen darf, dann gibt es dafür nur eine Alternative: ein Bedingungsloses Grundeinkommen. Die Stellung des Bürgers in der Demokratie wird durch die Bürgerrechte abgesichert, nicht durch Erwerbstätigenrechte. Ein Bedingungsloses Grundeinkommen würde dem genau entsprechen.

Sascha Liebermann

„Demokratie als Anti-Utopie“…

…ein interessanter Vortrag von Frank A. Meyer, der im Deutschlandfunk gesendet wurde. Dazu passt allerdings so gar nicht seine Einschätzung dazu, ob die direkte Demokratie sich auch für Deutschland eigne. Anders hingegen schätzt der Politikwissenschaftler Manfred G. Schmidt das ein. Siehe auch frühere Kommentare hier und hier.

„…an das sich die Gesellschaft erst gewöhnen muss…“ – Interview mit Ralf Welter zum Grundeinkommen

Die Aachener Zeitung hat ein Interview mit Ralf Welter, Mitglied der Katholischen Arbeitnehmerbewegung, veröffentlicht, die sich seit 2007 für ein Bedingungsloses Grundeinkommen einsetzt (Grundeinkommensmodell der KAB Deutschland). Im Interview heißt es unter anderem:

„Welter: In der KAB habe ich einen Sozialverband gefunden, den ich mit dem Thema Grundeinkommen auf den Weg schicken konnte. Aachen war für die KAB der Ursprung für das Modell eines Grundeinkommens, seit 2007 steht auch der Bundesverband hinter dieser Forderung.“

Worin aber bestand das „Modell“ vor 2007? In einer Veröffentlichung aus dem Jahr 2003 klingt der Grundeinkommensvorschlag der KAB Aachen so:

„Jeder Mensch hat ein Recht auf gesicherte Existenz von Geburt an […] Kreis der Bezugsberechtigten: Jeder Mensch, der in Deutschland einer Tätigkeit im Sinne der „Triade der Arbeit“ [Erwerbsarbeit, Familie, Gemeinwesen – SL] nachgeht (es genügt, wenn er in einem Teil der Triade tätig ist), hat ein Recht auf Einkommen“ (in: Ralf Welter, Diözesanverband der KAB Aachen (Hrsg.), Solidarische Marktwirtschaft durch Grundeinkommen, Aachen: Shaker Verlag 2003, S. 218).

Und wenn nicht, dann gibt es kein Grundeinkommen?! Es handelte sich also nicht um ein BGE im heutigen Sinne, sondern um eine Art Participation Income, wie es etwa Anthony Atkinson in den neunziger Jahren vorgeschlug. Welter vertrat diese Position noch bei einer Veranstaltung mit der SPD Rhein Erft in 2006. Schnee von gestern, da die KAB und Welter ihre Position dazu geändert haben – das ist das Bemerkenswerte, das ohne Erwähnung bleibt. Um so interessanter ist eine andere Passage im Interview, denn sie zählt nicht zur Vergangenheit, sie entspricht dem Gegenwärtigen. Sie spricht etwas an, das in der BGE-Diskussion auch von Kritikern eingewandt wird, sich hier jedoch auf Befürworter-Seite wiederfindet:

Frage: „Sind Sie der Umsetzung denn schon ein Stück näher gekommen?
Welter: Ich würde die Einführung eines Grundeinkommens nie für morgen fordern. Geld allein macht keine besseren Menschen. Die Tätigkeitsgesellschaft ist ein schwieriges Modell, an das sich die Gesellschaft erst gewöhnen muss. Wichtig ist zu verstehen, dass ein Grundeinkommen nur ein Vehikel sein kann, um Lebenszeit neu aufzuteilen. Wir müssen das „nur“ abschaffen: „nur“ Hausfrau, „nur“ Teilzeit, „nur“ ehrenamtlich…“

Wieso etwas zurückweisen, das gegenwärtig unrealistisch ist? Eine morgige Einführung setzt entsprechende Mehrheitsverhältnisse voraus, die gibt es aber nicht. Wenn das also rein pragmatisch gedacht, unrealistisch ist, weshalb es noch zurückweisen? Welter geht es gar nicht um Mehrheitsverhältnisse, es geht um etwas anderes. Worauf will er hinaus? Ein BGE soll nicht zuallererst eine Absicherung schaffen, auf deren Basis der Einzelne darüber freier befinden kann, wohin er mit seinem Leben und wie er zum Gemeinwohl beitragen will. Eine solche Einführung wäre nämlich schlicht von Mehrheitsverhältnissen abhängig. Er macht eine weitere Voraussetzung: die Menschen sollen ja nicht nur mehr Möglichkeiten haben, sie sollen „besser“ werden, bessere Menschen sein, es geht also um Menschenerziehung. Mit dieser Vorstellung fällt er hinter jegliche demokratisch republikanische Ordnung zurück. Sie will nicht Menschen schaffen, sie setzt mündige Bürger voraus und überlässt es ihnen, wie sie ihr Leben gestalten wollen. Dass wir mit dieser Haltung, die gleichwohl unsere politische Ordnung prägt, gewisse Probleme haben in unserem Land haben, kann niemanden überraschen. Die Bürger zuerst erziehen zu wollen, bevor ihnen Möglichkeiten in die Hand gegeben werden, ist verbreitet. So scheint es auch Ralph Welter zu sehen: Weil die „Gesellschaft“ noch nicht auf der Höhe dieses Zieles ist, muss sie sich erst an das „schwierige Modell“ gewöhnen. Wer entscheidet das? Mündigkeit auf Raten oder auf Probe? Erstaunlich wie selbstverständlich sich eine Haltung Bahn bricht, die die Voraussetzungen von Demokratie unterläuft und zugleich den Bürgern abspricht, selbst über ihr Leben befinden zu können. Dem fügen sich die beiden Schlusssätze: wer teilt auf, wer schafft ab? Weshalb abschaffen, dass jemand „nur“ eines davon tut?

[ Update 11.3.2014: Thomas Loer weist darauf hin, dass das „nur“, das Welter abschaffen will, anders gedeutet werden könnte. Nicht solle abgeschafft werden, „nur“ in einem Bereich tätig zu sein. Vielmehr gehe es darum, die degradierende Redeweise abzuschaffen, jemand sei „nur“ Hausfrau und nichts anderes.]

Weshalb es noch kein BGE in Deutschland gibt? Deswegen.

Sascha Liebermann