Jenseits der Bedürftigkeitsprüfung

Siehe dazu auch „Über Bedarfe und Bedürftigkeit“.

Berechtigte Frage…

…, denn dafür gibt es eine Infrastruktur, könnte sie nicht gerade für Haushalte mit niedrigem Einkommen hilfreich sein und schneller Wirkung entfalten oder schon längst entfalten können? Siehe auch diesen Beitrag von @EconomicEthics.

Sascha Liebermann

Schlechterstellung? Missverständnis,…

…denn eine solche träte ein, wenn es mit Einführung eines BGEs gar keine bedarfsgeprüften Leistungen mehr gäbe, aus einem BGE leitet sich das jedoch nicht ab, auch wenn es Stimmen gibt, die genau eine solche  vollständige Ersetzung befürworten. Die stigmatisierenden Folgen der Bedürftigkeitsprüfung scheinen die ver.di-Jugend hingegen nicht zu stören – ein blinder Fleck?

Sascha Liebermann

Mindesteinkommensvorschläge und Anrechnungsregelungen – Vorschläge aus Politik und Wissenschaft – kompliziert statt übersichtlich…

…das zeigt der Überblick darüber von Henrike Roßbach in der Süddeutschen Zeitung. Deutlich wird bei aller Unterschiedlichkeit der Vorschläge, dass alle gleichermaßen eine Gerechtigkeitsfrage aufwerfen, wenn es um die Anrechnung des Zuverdienstes auf ein wie auch immer gestaltetes Mindesteinkommen geht. Diese Diskussion wird ähnlich bezüglich der Grundrente geführt, die Hubertus Heil vorgeschlagen hat.

Eingewandt wird, dass die einen nach Bedarfsprüfung dann eine Mindestsicherung erhalten und einen bestimmten Anteil des Zuverdienstes behalten können, die anderen ein kaum höheres Einkommen mit regulären Löhnen erreichen, das sei ungerecht. Solange es aber ein Mindest- oder Garantieeinkommen nur nach Bedarfsprüfung geben soll, solange wird es diese Einwände geben, denn das eine hängt mit dem anderen zusammen, Stichwort Transferentzugsrate (hierein gehört ebenso die Diskussion um das Lohnabstandsgebot und die Armutsfalle).

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Bedingungsloses Grundeinkommen passt mit der Mentalität in Deutschland nicht zusammen…

…meinte sinngemäß Ulrich Schneider vom Paritätischen Wohlfahrtsverband in einer Diskussionrunde bei Phoenix. Michael Eilfort, Stiftung Marktwirtschaft, war der Auffassung, dass „wir“ ein BGE angesichts der Vorstellung von Einzelfallgerechtigkeit in Deutschland keine drei Wochen aushalten würden. Es sei die dümmste Idee, die es je gegeben habe (fällt vielleicht auf den zurück, der es äußert). In Deutschland sei die Einzelfallgerechtigkeit wichtig, man stelle sich vor, was ein BGE für jemanden mit Behinderung bedeuten würde – Eilfort unterstellt, es gäbe dann keine bedarfsgeprüften Leistungen mehr. Dass der Charakter der Bedarfsprüfung sich mit einem BGE auch ändern würde, weil dann Autonomiebewahrung im Zentrum stünde und nicht Erwerbsfähigkeit oder Ausgleich der Folgen von Nicht-Erwerbsfähigkeit, sieht er nicht. Schneider zumindest attestiert dem BGE, ein sympathisches Konzept zu sein, da es nicht von der Faulheit des Menschen ausgehe, doch müssten Milliarden umgewidmet werden, um es zu finanzieren, das wäre ein kompliziertes Verfahren. Der Sozialstaat sei doch eine Errungenschaft – was kein Argument gegen, sondern eines für seine Fortentwicklung wäre mit BGE.
Phoenix sendete diese Diskussion am 23. März unter dem Titel „Streit um Hartz IV – Was muss der Staat leisten? Was meinen Sie?“. Die ganze Sendung bei youtube finden Sie hier, bei Phoenix hier. Zur Haltung der Stiftung Marktwirtschaft zum BGE siehe auch hier.

Sascha Liebermann

„Was ein bedingungsloses Grundeinkommen bringt“ oder: wie man auf halbem Wege stehenbleibt

…das lässt sich einem Beitrag von Florian Diekmann auf Spiegel online verfolgen. Der Autor hatte in jüngerer Zeit wiederholt über Armut und Hartz IV geschrieben, siehe hier. Sein Beitrag über das BGE ist sehr informiert, bleibt in seinen Schlussfolgerungen jedoch auf halbem Wege hängen, wie ich an wenigen Passagen zeigen möchte.

Diekmann referiert zwei Zugänge in der BGE-Diskussion, die zur Zeit besonders beachtet werden: Digitalisierung und die Abschaffung von Hartz IV. Er nimmt die Rede von der „Arbeitsgesellschaft“ auf und fragt, ob ihr wirklich die Arbeit ausgehe. Dass schon diese Beschreibung unserer Lebensverhältnisse schief ist und die politische Dimension der Bürgergemeinschaft nicht erwähnt wird, muss als Symptom verstanden werden, als Symptom eines Selbstmissverständnisses (siehe hier und hier). Das Problem beginnt schon bei der Frage, ob denn Erwerbsarbeit ausgehe oder nicht, die letztlich für ein BGE unbedeutend ist. Wenn also der „Arbeitsgesellschaft“ die Erwerbsarbeit nicht ausgehe, gleichwohl aber ein tiefgreifender Strukturwandel durch die Digitalisierung befördert werde, dann stelle sich die Lage folgendermaßen dar:

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„Arme Familien wurden reicher gerechnet“…

…so lautet der Titel eines Beitrags in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung über eine Studie, die Wissenschaftler der Ruhr-Universität Bochum auf der Basis neuer Berechnungsmethoden durchgeführt haben. Gegen Ende der Meldung findet sich dann folgender Passus:

„Auch die Einkommensschere zwischen wohlhabenden und armen Familien sei zwischen 1992 bis 2015 weiter aufgegangen, hieß es. In diesem Zeitraum sei es Familien nur durch Ausweitung der Erwerbstätigkeit gelungen, ihre Einkommenssituation zu halten oder zu verbessern. Dabei weiteten meist Frauen ihren Beschäftigungsumfang aus.

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Bedingungsloses Grundeinkommen und bedarfsgeprüfte Leistungen: entwirrt

In der Diskussion um ein Bedingungsloses Grundeinkommen wird nicht selten behauptet, damit es eingeführt werden könne, müssen alle bisher bestehenden Leistungen der Systeme sozialer Sicherung abgeschafft werden. Manche, wie Christoph Butterwegge, nennen das die neoliberale Variante eines BGE – ein einfaches Spiel mit Schubladen. Sie kann nicht als verbreitete Position in der öffentlichen Debatte gelten, wer es also ernst meint mit der Auseinandersetzung, kann sich auf sie nicht berufen. Wer sich dennoch darauf beruft, betreibt bewusste Irreführung. Nur weil Vorstände großer Unternehmen oder Unternehmer für ein BGE sind, so munkeln andere, sei das schon verdächtig. Dabei fällt diese Vorverurteilung auf diejenigen zurück, die sie vornehmen, so, als könne und wolle jeder nur über das nachdenken, was zu seiner vermeintlich sozialen Verortung passe. Auch Thomas Straubhaar räumt in seinem Buch „Radikal gerecht“ ein, dass bedarfsgeprüfte Leistungen sehr wohl beibehalten werden können, letztlich sei es eine Frage des politischen Willens, mag er auch selbst die Beibehaltung nicht favorisieren.

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„…ich möchte unabhängig sein“… oder: Einwände gegen ein Grundeinkommen dafür

Gegen Ende ihres Vortrags auf der re:publica sagte Bundesministerin Andrea Nahles den entscheidenden Satz, der begründen sollte, weshalb sie gegen ein BGE ist (gesamte Videoaufzeichnung, 2:06:30 bis 3:09:00):

„…ich will das nicht haben, ich will weder Geld von meinem Ehemann, ich will auch kein Geld von meinen Eltern, ich will auch kein Geld von meinem Staat, es tut mir leid, es widerstrebt mir […] ich möchte unabhängig sein“

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Wie entscheidet sich, ob eine Lösung die beste ist, politisch oder technisch-funktional?

Lässt sich das überhaupt so gegeneinander stellen, wie es die Überschrift behauptet? Bei der Frage, um die es hier geht, soll mit der Antwort etwas herausgehoben werden, das in öffentlichen Diskussionen nicht selten untergeht. Nicht nur beim Bedingungslosen Grundeinkommen stellt sich die Frage nach der Finanzierung, sie wird immer gestellt, wenn es darum geht zu gestalten. Allerdings kann sie kaum beantwortet werden, wenn nicht klar ist, was gestaltet werden soll. Insofern ist der Hinweis von Thomas Straubhaar, den er jüngst in einem Gespräch bei Phoenix über das Grundeinkommen gab, zutreffend: Ohne über die Gestaltung befunden zu haben, ist über die Finanzierungsrechnung nichts zu sagen, denn sie muss ja der Gestaltung gemäß sein. So weit, so gut. Auch in der allgemeinen Diskussion zu Gestaltungsfragen des Zusammenlebens wird allzuschnell mit der Finanzierungsfrage jegliches Nachdenken abgewürgt. Das kann einen dazu bringen anzunehmen, dass, wenn die Finanzierungsfrage geklärt wäre, diejenigen nichts mehr einzuwenden hätten, die einen Gestaltungsvorschlag zuvor noch abgewehrt haben.

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