„Hartz IV hinter uns lassen“ – aber mit Gegenleistungspflicht? Zum Beschluss der BAG Wirtschaft und Finanzen…

…von Bündnis 90/ Die Grünen. Hier geht es zum Beschluss und hier zur Simulation des ifo Instituts zu etwaigen Kosten einer Garantiesicherung.

In Abschnitt 7 auf S. 3 des Beschlusses geht es um „Menschenbild und Arbeitsanreize“. Da ist folgendes zu lesen:

„Unsere Reformvorschläge beruhen auf einer Gerechtigkeitsphilosophie der Reziprozität: Die Mitglieder der Gesellschaft werden unterstützt, weil sie sich auch in die Gesellschaft einbringen und ihre Regeln akzeptieren…“

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„Ein ‚Garantieeinkommen für Alle'“…

…eine Studie von Maximilian Blömer und Andreas Peichl vom Ifo Institut in Zusammenarbeit mit der Bundesarbeitsgemeinschaft Wirtschaft und Finanzen von Bündnis 90/Die Grünen.

„Diese Studie untersucht verschiedene Reformvorschläge, die als Grundelement eine Reform der Transferleistungen vorsehen. Im Gegensatz zu bestehenden Regelungen soll die Transferleistung dabei automatisch (z.B. durch das Finanzamt) ausgezahlt werden, um eine Hundertprozentige Inanspruchnahme-Quote zu erreichen. Damit das „Garantieeinkommen für Alle“ automatisch berechnet und ausgezahlt werden kann, ist der Wegfall der bürokratischen Hürden vorgesehen.“

„Grundeinkommen light – zu Robert Habecks Garantiesicherung“…

…ein Kommentar von Michael Opielka zum Vorschlag von Robert Habeck, der auf Widersprüchlichkeiten hinweist und zugleich die Möglichkeit eines weitreichenden Bruches mit bisherigen Prinzipien des Sozialstaats erkennt. Siehe dazu auch die Beiträge hier und hier.

„Grundeinkommen frisst Hartz IV“…

…so ist der Beitrag von Katharina Schuler und Tina Groll auf Zeit Online übertitelt, mit dem sie die jüngeren Vorstöße zur Reformierung von Hartz IV in Augenschein nehmen (was von den Vorschlägen von Robert Habeck und Andrea Nahles zu halten ist, dazu äußern wir uns demnächst). Habeck schlägt vor, Sanktionen im Arbeitslosengeld II, bei ihm heißt dies dann „Garantiesicherung“ abzuschaffen. Wenn es keine Pflicht zur Arbeitsuche mehr gäbe, denn das wäre die Konsequenz aus Habecks Vorschlag, würde eine Art Grundeinkommen eingeführt, wenngleich noch eine Bedürftigkeitsprüfung vorgenommen weiterhin durchzuführen wäre. Schuler und Groll kritisieren nun, dass sich dadurch doch nicht viel ändere, weil nach einem Jahr Arbeitslosengeld die niedrigere Garantiesicherung winke. Eines übersehen sie dabei aber. Wenn Habecks Vorschlag darauf wirklich hinausliefe, auf Sanktionen zu verzichten, was nur möglich ist, wenn auf Arbeitsbereitschaft verzichtet wird, wäre ein Bruch mit dem jetzigen Sozialstaat vollzogen, denn die Sanktionen bringen zum Ausdruck, wie sehr der Vorrang von Erwerbstätigkeit bewertet wird. Die Veränderung wäre alsonormativ von erheblicher Tragweite, auch wenn die Garantiesicherung in der Höhe zu niedrig und immer noch haushaltsbezogen wäre.

Sascha Liebermann

„Ich glaube, wir unterschätzen, welchen Wert Arbeit hat“ oder die Stigmatisierung durch den Sozialstaat?

Den ersten Teil in Anführungszeichen soll Tarek Al-Wazir, Stellvertreter des Hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier und Minister in seinem Kabinett, laut Angaben des Gießener Anzeigers anlässlich einer Veranstaltung im Rahmen der Landtagswahl in Hessen gesagt haben. Er bezog sich damit auf ein Bedingungsloses Grundeinkommen. Hier das Zitat:

„Ebenfalls uneins mit dem Politiker waren sich zwei Fragesteller in Bezug auf das bedingungslose Grundeinkommen. „Ich glaube, wir unterschätzen, welchen Wert Arbeit hat“, so Al-Wazir, der sich für eine Lösung im bestehenden Sozialsystem aussprach. Insbesondere die Aktivierung von Langzeitarbeitslosen funktioniere nicht und so dürfe es keine Sanktionen, sondern müsse es Angebote geben. „Wir müssen einen sozialen Arbeitsmarkt schaffen“, betonte der Grünen-Spitzenkandidat. „Die Menschen vereinzeln und es fehlt ihnen an gesellschaftlichem Anschluss“. Das bedingungslose Grundeinkommen ist dabei seiner Ansicht nach „keine Lösung“.

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„Grüne sägen Hartz IV ab“ – oder doch nur schöne Gedanken?

Laut dem Beitrag von Ulrich Schulte in der taz sollen Überlegungen in einem Papier von Anton Hofreiter (MdB, Fraktionsvorsitzender) und Sven Lehmann (MdB) als Grundlage für den Bereich Soziales im neuen Grundsatzprogramm der Grünen, das 2020 vorgelegt werden soll, dienen. Von einer „sanktionsfreien Garantiesicherung“ sei in dem Papier die Rede, ohne dass weitere Konkretisierungen genannt werden. Im Frühjahr hatte Wolfgang Strengmann-Kuhn sich zu dieser Frage ebenfalls geäußert (siehe den Kommentar dazu von Thomas Loer). Inwiefern beide Überlegungen miteinander verknüpft ist, geht aus dem Beitrag nicht hervor.

Das Ziel, Sanktionen abzuschaffen, um das Existenzminimum unverfügbar zu machen, strebt auch der Vorschlag einer „repressionsfreien Grundsicherung“ an, die seit längerer Zeit von verschiedenen Seiten in die Diskussion gebracht wurde, siehe unsere Kommentare dazu hier.

Die guten Absichten sind zu erkennen, allerdings stellt sich die Frage, wie es möglich sein soll, eine solche Grundsicherung zu garantieren, sie gar „repressions-“ bzw. sanktionsfrei zu gestalten, wenn das Erwerbsgebot  zugleich nicht aufgehoben werden soll? Denn Grundsicherungsleistungen sind seit Bestehen der Leistungen immer mit Sanktionsmöglichkeiten versehen und sollen nur übergangsweise bezogen werden. Ein dauerhafter Bezug ist nicht erwünscht, wenngleich es praktisch durchaus dazu kommt. Ist die Rede von einer Garantiesicherung nur ein ähnlich schöner Gedanke wie die Behauptung, das „solidarische Grundeinkommen“ sei ein Abschied von Hartz IV?

Sascha Liebermann