„Happy Bürgergeld: Endlich kein Hartzer mehr, endlich Bürgerin!“…

…mit diesem Beitrag macht Janina Schütt in der Freitag indirekt auf etwas aufmerksam, das schon lange hätte aufgespießt werden können, meines Wissens aber nicht aufgespießt wurde. Auch wenn es in ihrer Stellungnahme nur um den knapp bemessenen Betrag des Bürgergeldes geht, ist dies ein guter Anlass, sich einmal zu fragen, was denn eigentlich ein bzw. der Bürger ist und ob das Bürgergeld dem entspricht und vielleicht sogar das Gegenteil davon darstellt.

Da es sich beim Bürgergeld um eine sozialstaatlich organisierte und damit demokratisch legitimierte Leistung handelt, soll es hier nur um diese Seite des Bürgerbegriffs gehen, den citoyen also (und nicht um den bourgeois). Er kommt in der Diskussion um den Sozialstaat und ebenso um ein Bedingungsloses Grundeinkommen genauso zu kurz wie jetzt beim Bürgergeld (siehe z. B. hier und hier), das hat einen einfachen Grund. Zwar gibt es eine Fürsorgeverpflichtung des Gemeinwesens gegenüber seinen Angehörigen – den Staatsbürgern -, doch ruht diese bislang auf dem normativen Vorrang von Erwerbstätigkeit. Vom Kindergeld einmal abgesehen setzen alle sozialstaatlichen Leistungen zu ihrem Bezug entweder Erwerbsbeteiligung voraus oder haben sie zum Ziel, da gibt es kein Entkommen. Genau genommen steht also nicht der Bürger als Angehöriger des Gemeinwesens (bzw. davon abgeleitet als Person mit Lebensmittelpunkt in Deutschland) im Zentrum des Sozialstaats, sondern der Erwerbstätige. Das ist keine neue Erkenntnis und dennoch ist es verwunderlich, dass an diesem Umstand selbst außerhalb der BGE-Diskussion wenig kritisiert wird, es herrscht vielmehr große Einigkeit, dass diese so sein solle, auch dort, wo Sanktionen kritisiert werden.

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Manchmal überrascht es, welch unterschiedliche Einschätzungen sich in einem Autor verkörpern…

…, z. B. diese Äußerung, die Richard David Precht offenbar in dem Video macht. Wie passt sie zu seiner Einschätzung, dass wir als „Staatsbürger […] halbwegs zu funktionieren“ haben (siehe hier) oder zu dieser:

„Ich möchte nicht, dass jemand, der 1500 Euro Grundeinkommen hat und keine Perspektive auf einen Beruf, auf die Idee kommt, fünf Kinder zu kriegen.“ (siehe unsere Kommentare dazu hier und hier)?

Wie bekommt man das unter einen Hut?

Sascha Liebermann

„Staat ohne Nation – ein Zukunftsmodell?“…

…ein Streitgespräch zwischen Alexander Thiele und Aleida Assmann im Deutschlandfunk aus dem vergangenen April. Eine wichtige Frage angesichts der häufig vorschnellen Verabschiedung des Nationalstaats in deutschen Diskussionen.

Was in der Diskussion – vielleicht auch angesichts der knappen Zeit – zu kurz kommt, ist die Bedeutung der Sozialisation für die Gemeinwohlbindung (hierhier und hier) und damit die Bindung an ein Normengefüge, das zugleich eine konkrete Geschichte hat (das macht Assmann stark). Der Universalismus von Staatsbürgerschaft im Sinne dessen, dass Staatsangehörigkeit erworben werden kann durch Einbürgerung (also kein ethnisches Prinzip, das macht Thiele stark) ist in seiner Existenzfähigkeit an ein Gemeinwesen gebunden, das an diese Normen auf eine Weise gebunden ist, die in Krisen noch Bestand haben kann (siehe den Kriegsfall). Diese Bindungskraft wird in der Regel aber erst durch den langen Prozess der Sozialisation ermöglicht, eine Sozialisation in eine konkrete Vergemeinschaftung (siehe auch hier) und ihr Selbstverständnis (Bürgerethos könnte man dies nennen). Man könnte es also so ausdrücken, dass die Bedingung der Möglichkeit universalistischer Staatsbürgerschaft eine konkrete Vergemeinschaftung ist, die sich zum universalistischen Verständnis bekennt und dies immer wieder befestigen muss.

Sascha Liebermann

Aspekte der Grundeinkommensdiskussion in anderen Zusammenhängen

Siehe hierzu auch hierhier und hier.