Wer formt wen – Institutionen die Bürger oder die Bürger Institutionen? Rutger Bregman macht es sich hier zu einfach

Das oben erwähnte Zitat, auf das ich hier reagiert habe, stammt aus einem Gespräch mit Rutger Bregman, dem Autor von „Utopia for Realists“. Bregman macht es sich hier mit der Erklärung zu einfach, denn nicht nur prägen Institutionen unser Handeln, wir schaffen auch Institutionen und können sie deswegen verändern. Die Beharrlichkeit von Institutionen bzw. Normen, die diese Institutionen fundieren hängt damit zusammen, ob die Problemlösung, die sie bieten, noch für angemessen gehalten wird. Genau das scheint bei aller Kritik am heutigen Verständnis von Sozialstaatlichkeit immer noch der Fall zu sein. Solange das so ist, hat es ein Bedingungsloses Grundeinkommen schwer. Dagegen helfen nur immer wieder: Argumente.

Sascha Liebermann

„A BI would force low wage employers to clean up their act“ says Evelyn Forget

In Deutschland neigt man dazu, den „workers“ nicht zuzutrauen, ihre Verhandlungsmacht zu nutzen, das zeigen Stellungnahmen von verschiedener Seite in der Grundeinkommensdiskussion, die sich alle unter dem Schlagwort „Stillhalteprämie“ versammeln lassen, siehe hier. Das sagt viel darüber, wie über die Fähigkeiten des Individuums gedacht wird, seine Interessen wahrzunehmen.

Sascha Liebermann

„Grundeinkommen: Das wären die Auswirkungen auf die Gesellschaft“…

…ein Beitrag von Wolfgang Strengmann-Kuhn (MdB, Bündnis 90/ Die Grünen) in der Frankfurter Rundschau. Der Autor führt die Erfahrungen mit der „Corona-Krise“ und den Einkommensausfällen als Zeichen dafür an, wie lückenhaft die Sicherungssysteme heute sind und stellt dann, anhand des Endberichts zum Feldversuch in Finnland dar, was ein Grundeinkommen leisten könnte, benennt aber auch die Beschränktheit dieses Versuchs.

Zur Diskussion um die Bedeutsamkeit von Feldexperimenten bzw. ihre Grenzen, siehe hier und hier.

Sascha Liebermann

Erst die Richtungs- bzw. Gestaltungsfrage, dann die Technik – treffende Anmerkung von Michael Opielka…

…nur dann kommt man über das Bestehende hinaus, innerhalb dessen verschiedene Absicherungsansprüche mit Bezug zu Erwerbsaktivitäten vorgehalten werden und Nicht-Erwerbstätige auf „Hartz IV“ verwiesen werden.

Sascha Liebermann

„Unverschuldete“ vs. „verschuldete Arbeitslosigkeit“ – die Unterscheidung vergisst andere Leistungsformen

„Bedingungsloses Grundeinkommen: Die Rückkehr einer sozialen Utopie“…

…ein Beitrag von Aloysius Widmann und Jan Michael Marchart in Der Standard. Die Autoren befassen sich mit der Wiederkehr der Grundeinkommensdiskussion trotz mehrmaligen Scheiterns von Initiativen in Österreich und fragen sich, ob denn nun die Zeit dafür reif sei. Können Maßnahmen wie ein Kurzarbeitergeld den Weg dorthin bahnen? Dazu zitieren sie eine interessante Äußerung von Agenda Austria, die erkennen lässt, dass hier jemand nicht die Tragweite dessen erkannt hat, was Normen sind:

„Die wirtschaftsliberale Agenda Austria ist anderer Meinung. Arbeitslosengeld, Mindestsicherung und Notstandshilfe sowie Kurzarbeit würden in Zeiten der Pandemie wie ein BGE wirken. Die einzige Bedingung, dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stehen, sei wegen der fehlenden Jobs und gesperrten Betriebe eine höchst theoretische.“

„Bedingungsloses Grundeinkommen: Die Rückkehr einer sozialen Utopie“… weiterlesen

„Die Zukunft der Arbeit“ – ein Szenario mit dem Blick nur auf Erwerbstätigkeit…

…das wird angesichts des Beitrags von Helmut Spudich in Der Standard über die Veränderung der Normarbeitszeit und den Rückgewinn an Lebenszeit durch Automatisierung schnell deutlich. Er bewegt sich auffälligerweise nur im Dunstkreis von Arbeit als Erwerbstätigkeit. Entsprechend wird z. B. ein Grundeinkommen nur im Sinne eine Antwort auf Einkommensausfall thematisiert oder die Verkürzung der Arbeitszeit nur auf den Erwerbsarbeitstag bezogen. Für „unbezahlte Arbeit“ gibt es weder Arbeitszeit noch Einkommensausfallssicherung. Für sie stellt sich auch die Frage nach ihrer Zukunft nicht, denn es wird sie geben, solange es Menschen gibt, was für die Erwerbstätigkeit ganz genauso gilt – die Frage ist für letztere allenfalls in welchem Umfang.

Sascha Liebermann

„Das bedingungslose Grundeinkommen – eine Frage des Menschenbildes“ oder des Blicks auf die Realität?

In seinem Beitrag auf FirstLife stellt Hannes Rolfes in groben Zügen Aspekte der Diskussion dar und plädiert für ein positiveres Menschenbild. Das kann man tun und auf die schöpferischen Fähigkeiten des Menschen verweisen, allerdings ist ein Menschenbild ja nicht einfach etwas, das man sich aussucht wie ein Kleidungsstück. Welches Menschenbild wir haben hat seinen Grund darin, wie wir über den Menschen denken. Darüber hinaus aber steht das vom Autor skizzierte negative Menschenbild im Widerspruch zu den praktischen Erfahrungen, die man leicht machen kann, denn auch im Alltag muss jeder Entscheidungen treffen, also „kreativ“ sein in gewisser Hinsicht und sein Leben in die eigenen Hände nehmen. Die Grundfesten unserer Demokratie (Art. 20 (2)) macht die Zumutungen deutlich, die für uns alltäglich sind, dass wir nämlich auf die Mündigkeit der Bürger setzen, ihre Selbstbestimmung bzw. Autonomie. Wer ein negatives Menschenbild hat, muss sich die Frage stellen, ob es mit der Realität übereinstimmt. Das ist der Lackmustest.

Siehe unsere früheren Ausführungen zu Bedeutung des Menschenbildes hier und hier.

Sascha Liebermann