„Frauen arbeiten täglich 4,5 Stunden unbezahlt“…

…darüber berichtet Zeit Online.

Wie ungenügend die statistische Erfassung des Phänomens „unbezahlte Arbeit“ ist, und zwar insbesondere bezüglich dessen, was Beziehungen zwischen Personen in diesen Tätigkeiten auszeichnet, machen Norbert Schwarz und Florian Schwahn in ihrem Beitrag „Entwicklung der unbezahlten Arbeit privater Haushalte“ deutlich. Denn die klassifikatorische Bestimmung des Phänomens durch das Bemühen, den Zeitaufwand abzugrenzen, reicht nicht an das heran, was das Beziehungsgefüge auszeichnet, also z. B. was Eltern für Kinder bedeuten. Klar machen kann man sich das an dem Versuch, Erziehungszeiten zu erfassen, indem festgehalten wird, wieviel Zeit damit zugebracht wird, sich mit dem Kind direkt zu beschäftigen. Doch diese Abgrenzung ist so gar nicht möglich, weil die Beziehung natürlich von Bedeutung bleibt, auch wenn sich ein Elternteil nicht direkt mit dem Kind befasst, sondern in der Küche steht und kocht, das Kind aber in der Nähe spielt. Weil der statistische Zugang nicht anders als klassifikatorisch möglich ist, hat dies Folgen für die Datenerhebung und für die Schlussfolgerungen aus diesen Daten. So suggeriert die vermeintliche klare Abgrenzung des Zeitaufwandes, dass die Frage nach der „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ nur eine Frage der Organisation wäre, sofern im Sinne der Zeitverwendungsstudien dann noch genügend Zeit für Familie übrig bleibt. Das folgt der Annahme, Beziehungserfahrungen könnten terminiert werden, wie es das Schlagwort von der „quality time“ nahelegt. Genau das ist aber nicht möglich, weil die Beziehung damit stets dem Termin untergeordnet wird. Aus diesem Grund ist die Rede von der „Vereinbarkeit“ auch irreführend, weil sie das Spannungsverhältnis zwischen den beiden Sphären Familie (diffuse Sozialbeziehungen, keine Terminierung) und Erwerbsarbeit (spezifische Sozialbeziehungen, Terminierung) unterschlägt.

Sascha Liebermann

„Manipulation mit der „Lebenserwartung“ in der Rentendiskussion“…

Jens Berger auf den Nachdenkseiten über den jüngsten Vorschlag der Deutschen Bundesbank zur Erhöhung des Renteneintrittsalters bis zum Jahr 2070. Die Ausführungen Bergers lassen erkennen, welch voraussetzungsvolle, in diesem Falle nicht einmal mit statistischen Daten gedeckte Annahmen in die Berechnungen Eingang gefunden haben. Die Tücken von Statistik werden allzu deutlich, auch wenn nicht selten gerade solche Berechnungen gerne als „Fakten“ betrachtet werden.

Siehe auch den Beitrag von Gerd Bosbach von Anfang dieses Jahres zur gleichen Thematik hier.

Sascha Liebermann

„I am a stay at home mom…“ – would be helpful for dads as well

„Wäre ich Aktivist, wäre ich für kleine Reformen“ – über Arbeitssozialisation, Feldexperimente und „junge Menschen“…

…darüber spricht Georg Vobruba, Professor emeritus an der Universität Leipzig, anlässlich eines Interviews der Stiftung Grundeinkommen mit ihm. Vobruba ist über lange Zeit schon mit dem Thema Grundeinkommen vertraut. Gleich zu Beginn geht es darum, wie er zur öffentlichen Debatte steht:

„[…] Ich bin eigentlich immer bemüht, mich nicht in die Debatte einzumischen und mich mit meinem Dafür oder Dagegen zurückzuhalten, weil es auf mein Votum nicht ankommt. Ich finde es sinnvoller, die Debatte zu beobachten.“

Angedeutet wird ein wichtiger Unterschied, der zu beachten ist: Einmischung vs. Beobachtung. Letzteres steht bei Vobruba wahrscheinlich für sozialwissenschaftliche Analyse, ersteres für intellektuelles Engagement für eine Sache oder anders ausgedrückt: er differenziert zwischen Theorie und Praxis. Obwohl diese Differenzierung selbstverständlich sein sollte, wird sie ja nicht selten eingerissen oder gar bewusst überschritten. So ist es z. B. häufig nicht klar, wo bei Christoph Butterwegge Analyse und wo intellektuelles Engagement stattfindet. Und in der Tat kommt es auf das Votum des Sozialwissenschaftlers nicht an, auf das des Bürgers allerdings schon. Insofern wäre eine Einmischung möglich, ohne die „Beobachtung“ aufzugeben.

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Basic Income March – 26.10.2019 – in Berlin

„Anreize“ differenziert betrachtet samt eines Blickes auf die Haltung von Lehrern und Studenten…

…darum geht es in einem Beitrag von Walter Edelmann, der schon vor etlichen Jahren erschienen ist, und auf prägnante Weise eine differenzierte Darstellung zu intrinsischer und extrinsischer Motivation gibt sowie darin Anreize einordnet. Das ist deswegen hilfreich, weil an Edelmanns Ausführungen deutlich wird, wie oberflächlich, ja, geradezu krude von Anreizen gesprochen wird, ganz gleich, ob man sich Reden von Politikern, sozialwissenschaftliche Studien oder von der Bundesregierung beauftragte Expertenberichte wie den Achten Familienbericht ansieht.

Quelle siehe Edelmann

Bis in die Alltagssprache hinein ist es zur Selbstverständlichkeit geworden, Anreize für das beinahe alles bewegende Instrument zu halten, wobei der Begriff in den verschiedensten Zusammenhängen und Bedeutungen Verwendung findet. In der Regel geht es darum, dass einer Person eine Karotte vor die Nase gehalten wird, um sie zu etwas zu bewegen. So drückt das kaum jemand aus, genau diese Argumentation ist allerdings in der Verwendung zu erkennen. Die Wirkung wird gemeinhin als mehr oder weniger sicher verbucht.
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