Experimente zum Grundeinkommen – realistische Aussagen oder Modellsimulation?

Zeit Online veröffentlichte im Januar ein Interview mit Matthias Sutter, Professor für Experimentelle Wirtschaftsforschung, an der Universität Köln. In dem Interview geht es u. a. um Gerechtigkeitsvorstellungen, Kooperation und – in einer Passage – um das Grundeinkommen, das nicht näher spezifiert wird. Darin sagt er folgendes:

ZEIT: Eine radikale Idee des Teilens ist das staatliche Grundeinkommen für alle Bürger. Weiß man aus Experimenten, ob dann noch jemand arbeitet?Sutter:Es wäre nach der langen Diskussion darüber gut, das endlich mal wissenschaftlich zu testen. Zurzeit ist das recht ideologisch. Die Liberalen sagen: Seid ihr verrückt, mit einem Grundeinkommen arbeitet ja keiner. Die Befürworter sagen, dass das nicht stimmt. Es gab immer mal wieder die Idee, das in Proberegionen zu testen. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob man so ein Experiment realistisch abbilden kann, sodass wissenschaftlich fundierte und generalisierbare Ergebnisse herauskommen. Bislang gelang das nicht.“

Was meint er mit „recht ideologisch“? Und was versteht er unter „wissenschaftlich … testen“? Sutter forscht mit Hilfe von spieltheoretischen Experimenten. Er versucht also auf Basis simulierter Entscheidungssituationen herauszufinden, wie Menschen unter bestimmten Bedingungen handeln könnten. Diese Bedingungen sind aber ebenso simuliert wie die Entscheidungen, die dabei herauskommen. Es sind ja nicht Entscheidungen, die tatsächlich lebenspraktisch vollzogen wurden, die er untersucht, sie werden im Experiment nur simuliert – also sind sie noch weniger real als die Ergebnisse von Feldexperimenten. Das muss man wissen, wenn über diese Art der Forschung gesprochen wird, die Forscher selbst sehen das nicht selten durchaus anders und meinen, es handele sich um reale Handlungen samt Handlungsfolgen. Ganz ähnlich verhält es sich mit den immer wieder anzutreffenden Meinungsumfragen darüber, was Menschen denn zukünftig täten, wenn dies oder jenes der Fall wäre. Auch diese Umfagen simulieren nur Handlungen und sagen nichts darüber aus, was tatsächlich geschehen würde. – Erstaunlich genug ist an dieser Stelle Sutters Skepsis, ob ein Experiment überhaupt zu fundierten Ergebnissen in Sachen Grundeinkommen führen würde. Nun, sollte diese Skepsis nicht für die spieltheoretische Forschung im Allgemeinen gelten? (siehe meinen jüngsten Kommentar hier).

Sascha Liebermann

„Bedingungsloses Grundeinkommen – Utopie oder Chance?“ – Diskussionsrunde im Schweizer Fernsehen

Im Schweizer Fernsehen, SRF Club, wurde über das Bedingungslose Grundeinkommen diskutiert (zur Sendung):

„Ein Grundeinkommen für alle, egal ob man arbeitet oder nicht: für die Gegner ein «blauäugiger Sozial-Unsinn», ein Aufruf zu einer «Hängematten-Mentalität», für die Befürworter der Beginn einer visionären, neuen Arbeits- und Gesellschaftsordnung. Was stimmt?…“

Mit diesen Gästen:
Christian Müller, Mitglied Komitee für ein bedingungsloses Grundeinkommen
Jürg Schläpfer, Psychologe
Franziska Schläpfer, Rapperin «Big Zis»
Monika Bütler, Professorin für Volkswirtschaftslehre Universität SG
Katja Gentinetta, Politik-Philosophin
Jeannette Behringer, Politologin, Ethikerin Reformierte Landeskirche Kt. Zürich

Bedingungsloses Grundeinkommen in der Schweiz – nicht national umsetzbar?

Mit dieser Frage beschäftigt sich ein Bericht des tagesanzeigers (auf den sich auch die Neue Zürcher Zeitung beruft, die gleich die Schweiz zum „Schlaraffenland mit gefährlicher internationaler Sogwirkung“ ernennt) und bezieht sich auf Äußerungen Oswald Siggs, der einer der Initianten der Eidgenössischen Volksinitiative ist. Sigg „glaube nicht, dass man das bedingungslose Grundeinkommen in der Schweiz isoliert umsetzen kann“, zitiert ihn der tagesanzeiger. Wegen der durch ein BGE erwachsenden Attraktivität der Schweiz für „all die Arbeitslosen in Europa und für Flüchtlinge“ würde durch die Einführung die Zuwanderung deutlich zunehmen. Sigg plädiere deswegen für einen Pilotversuch in einem Kanton, um zu testen, was passiert, wenn ein BGE eingeführt wird (siehe meinen jüngeren Kommentar zu Feldexperimenten hier). Dabei verweist er laut tagesanzeiger allerdings selbst darauf, dass definiert werden könne, wer in diesem Experiment bezugsberechtigt ist. Damit hat Sigg im Grunde aber schon ausgesprochen, wie mit der Zuwanderung umgegangen werden könnte, wie mit ihr auch heute schon umgegangen werden muss. Es bedarf bei nationaler und selbst europäischer Einführung einer Wartefrist, bis jemand bezugsberechtigt ist. Wie sie aussieht, wäre wiederum Gegenstand politischer Willensbildung bzw. bestehender Gesetzgebung.

Aus der Sicht eines politischen Gemeinwesens, das über sein Leben selbst bestimmen können will, ist eine Fristenregelung die einzige Möglichkeit, mit der auf die von Sigg aufgeworfene Sorge geantwortet werden kann. Über eine ähnliche Frage gab es im letzten Jahr eine Diskussion in Deutschland betreffend den Bezug von Arbeitslosengeld II und Sozialhilfe. Das Bundessozialgericht  (siehe auch hier) stellte fest, dass bei EU-Bürgern geprüft werden müsse, ob Anspruch auf Sozialhilfe bestehe. Nach einer Mindestaufenthaltszeit allerdings bestehe ein Rechtsanspruch. Was Oswald Sigg für die Schweiz befürchtet, ist also in der EU schon Realität und nach Annahme der Masseneinwanderungsinitiative in der Schweiz zu klären, wie auf Zuwanderung reagiert werden kann. Dass es nur eines BGE wegen zu besorgniserregenden Wanderungsströmen kommen würde, ist unwahrscheinlich, dafür gäbe es ja durchaus heute schon Anlass, auch innerhalb der EU, denn das eigene Land zu verlassen, bedeutet ja, nicht nur die eigene vertraute Lebensumgebung aufzugeben, es verlangte ja ebenso, Angehörige und Freunde zurückzulassen.

Gegen Ende des Beitrags heißt es noch:

„All diese Unwägbarkeiten zeigen: Bei einem Ja zum bedingungslosen Grundeinkommen würde die Schweiz in ein grosses Testlabor verwandelt. Denn die Idee wurde noch nirgendwo in diesem Ausmass erprobt. Zwar fanden im Ausland diverse Pilotversuche statt, aber stets in sehr beschränktem Rahmen. Auch wurden dort vor allem die Auswirkungen der ausgeschütteten Gelder getestet, nicht die Folgen der Finanzierung solcher Grundeinkommen.“

Eine besonnene Einführung gehört dazu, ein Umsturz von einem Tag auf den anderen ist nicht zu erwarten. Dem BGE werden teils Probleme zugeschrieben, die es hervorbringen würde, die längst bestehen.

Sascha Liebermann

„Freiheit statt Vollbeschäftigung“ in autorisierter Version auf Twitter

Seit einigen Jahren schon werden Beiträge von uns auf Twitter gepostet, eine ganze Weile, ohne dass wir davon wussten. Für diese Unterstützung sind wir dankbar und wollten deswegen Kontakt zum Betreiber des Accounts aufnehmen. Leider erhielten wird daraufhin keine Antwort. Seitdem wir mehrere Beiträge pro Tag einstellen, hat sich gezeigt, dass der anonyme Twitteraccount nur einen jeweils davon übernimmt. Aus diesem Grund kümmern wir uns nun selbst darum und nutzen dazu den schon existierenden von Netz-BGE, um unsere Beiträge über Twitter zu verbreiten.