„Eine Billion für’s Nichtstun“…

…, wenn so ein sachorientierter Titel aussieht, dann ist von Kolja Rudzios Beitrag auf Zeit Online über die Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) nicht viel zu erwarten. Vielleicht ist der Beitrag aber auch besser als der Titel. Derselbe Autor hat schon zu Beginn der jüngeren Grundeinkommensdebatte seine Einschätzung deutlich gemacht, an der sich trotz intensiver Diskussion wenig geändert zu haben scheint.

Wir lassen den vermeintlich witzigen Auftakt aus, der eine sachliche Auseinandersetzung nicht erwarten lässt, dann aber vom Autor selbst gegen den Strich gebürstet wird. Die Studie wird vorgestellt, die eine Finanzierbarkeit ermittelt zu haben beansprucht, „auch wenn andere Experten das bezweifeln“, wie Rudzio schreibt. Ja, bezweifeln kann man viel, wissenschaftlich ist das nicht relevant, solange es nicht mit konkreten Argumenten unterlegt wird.

Rudzio schreibt dann:

„Eine mögliche Variante für das realistische Grundeinkommen sieht nach den Angaben des Vereins so aus: Jeder Erwachsene erhält 1.200 Euro im Monat, für jedes Kind gibt es 600 Euro. Zugleich wird die Einkommensteuer deutlich erhöht, der Steuersatz beträgt für Einkommen jeder Höhe einheitlich („Flat Tax“) 50 Prozent. Außerdem werden entlastende Regelungen wie etwa der Grundfreibetrag, die Kinderfreibeträge oder die Anrechnung von Werbungskosten abgeschafft. Zusätzlich werden eine Vermögenssteuer und eine hohe CO₂-Steuer (200 Euro pro Tonne) erhoben. Zudem müssten etliche Sozialleistungen wie Elterngeld, Kindergeld, Bafög oder der Unterhaltsvorschuss gestrichen werden. Obwohl das alles nach einer Belastungsorgie klingt, hätten nach der DIW-Modellrechnung im Ergebnis 83 Prozent der Bevölkerung mehr Geld als heute zur Verfügung, nur 10 Prozent wären finanziell schlechter gestellt. Und die Zahl der armutsgefährdeten Menschen würde von 13 auf 4 Millionen sinken.“

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Kein „Geld für’s Nichtstun“…

…, worauf hier treffend hingewiesen wird.

Stefan Bach hat im Interview mit der taz deutlich gemacht, weshalb sie auf die Modellierung von Verhaltensveränderungen verzichtet haben, da sie nicht aussagekräftig sind und auf Annahmen (siehe auch hier und hier) beruhen, die nur in eine Richtung getroffen werden (oder gar mit einem Werturteil verbunden sind). Bach hingegen bezieht die andere Richtung immerhin ein.

Sascha Liebermann

„Mit Widerstand muss man rechnen“…

…ein Interview mit Stefan Bach in der taz zur gestern veröffentlichten Studie zur Finanzierung eines Bedingungslosen Grundeinkommens, indem zugleich die Grenzen der Aussagekraft der Studie klar bestimmt werden. Weshalb die Wirkung eines BGE dabei nur in eine Richtung gedacht wird, kann verwundern.

Zur Frage der Finanzierung sagt Bach:

„Stefan Bach: Teuer wäre es schon, aber grundsätzlich machbar. 1.200 Euro Grundeinkommen für alle Erwachsenen, für Kinder die Hälfte, würde nach Verrechnung mit bestehenden Sozialleistungen, knapp 1.000 Milliarden pro Jahr kosten, immerhin 25 Prozent des BIP. Das muss durch höhere Steuern finanziert werden, oder durch Einsparungen bei den Staatsausgaben.

Der Rechner zeigt, dass ein Grundeinkommen beispielsweise mit Einkommensteuern von 50 Prozent auf alle Verdienste plus weiteren Steuererhöhungen vor allem für Reiche zu finanzieren wäre. Halten sie so etwas für realistisch?

In dieser Variante haben etwa vier Fünftel der Bevölkerung mehr Geld im Vergleich zu heute, während das reichste Fünftel ziemlich stark belastet wird. Ob so etwas praktisch geht, ist eine Frage der politischen Akzeptanz, vor allem bei denen, die draufzahlen.“

Es ist eben, wie immer wieder gesagt, eine politische Frage, also der Akzeptanz. Zugleich nennt er die konkreten Ansatzpunkte, an denen sichtbar wird, dass Elemente eines BGE schon existieren, das Befürworter allerdings schon lange genau so thematisieren.

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Erwerbsbeteiligung Alleinerziehender nicht rückläufig und Reaktionen auf die „Anreiz“-Keule…

…, gut, dass hier gegen anscheinend unhaltbare Behauptungen entsprechende Daten genutzt werden. Drastischer fällt die Stellungnahme aus, die sich gegen die Verunglimpfung Alleinerziehender wendet. Dabei geht es um diese Äußerung:

„Wir wollen einerseits die materielle Situation Alleinerziehender verbessern, aber andererseits nicht zusätzliche Anreize geben, sich nicht um Arbeit zu bemühen. Es ist ja eine beklagenswerte Tatsache, dass die Erwerbsbeteiligung von Alleinerziehenden im vergangenen Jahrzehnt trotz des Ausbaus der Kinderbetreuungsstruktur zurückgegangen ist. Also weniger Erwerbsbeteiligung bei Alleinerziehenden während des vergangenen Jahrzehnts. Da dürfen wir kein Signal setzen, dass das verfestigt.“

Der Finanzminister bleibt sich damit treu, wenn man das so sagen kann. Zu „Anreizen“ siehe hier.

Sascha Liebermann

Gegenwärtige Sozialpolitik auf den Punkt gebracht…

…und damit das entscheidende Problem zu erkennen gegeben: dass Unabhängigkeit als wirtschaftliche betrachtet wird, Erwerbsbeteiligung das erste Ziel sein muss und die Vorstellung obsiegt, Transfers würden zum Abhängen verleiten. Manchmal kann man den Eindruck gewinnen, solche Vorstellungen sind schlicht empirieresistent, wenn man sich solche Befunde ansieht:

Zur Kritik des Armutsfallentheorems (Ronald Gebauer und Hanna Petschauer)
Die Arbeitslosigkeitsfalle vor und nach der Hartz-Reform (Georg Vobruba und Sonja Fehr)
Fordern statt Fördern? – Nein! Wege aus Arbeitslosigkeit und Armut erleichtern (Ronald Gebauer)
Arbeit gegen Armut. Grundlagen, historische Genese und empirische Überprüfung des Armutsfallentheorems (Ronald Gebauer)

Sascha Liebermann

„Der Lobbyismus der Privilegierten nervt“…

…darüber schreibt Uta Meier-Gräwe in einem Beitrag im Handelsblatt. So treffend ihre Anmerkungen zur Debatte sind, so sehr zuckt man doch zusammen angesichts einer solchen Formulierung:

„Ausgaben für die Kindergrundsicherung sind keine Konsumausgaben, sondern müssen als Zukunftsinvestitionen in Humankapital begriffen werden.“

Ja, was die Sache betrifft, um die es geht, denn das Leben ist um seiner selbst willen etwas wert und ohne dieses Leben gibt es keine Zukunft, ganz gleich in welcher Frage.

Doch die Begriffe „Humankapital“ und „Investition“ – auch wenn hier darauf hingewiesen werden soll, dass die „Kindergrundsicherung“ eben der Entwicklung des konkreten Lebens förderlich ist und insofern keine Konsumausgabe darstellt – weisen doch in eine verengte Richtung der Verwertung. Investitionen sind solche, auf die ein „return“ folgen soll, also zweckorientiert, ohne dass das Leben selbst der Zweck ist. „Humankapital“ wird häufig direkt in Verbindung mit dem „Leistungsvermögen“ in Erwerbstätigkeit verbunden und damit verengt. Die Kindergrundsicherung ist aber zuerst einmal eine Unterstützung des konkreten Lebens, ganz gleich wie es sich entwickeln wird und es muss nicht zurückgezahlt oder abgeschrieben werden, wenn das „mißlingt“.

Siehe unsere früheren Beiträge zu Ausführungen von Uta Meier-Gräwe hier, zur Kindergrundsicherung hier und zum Elterngeld hier.

Sascha Liebermann

Wohlwollend: Ahnungslosigkeit, sonst Ignoranz bzw. Herabwürdigung…

…, anders lässt sich diese Äußerung von Christian Lindner kaum verstehen. So bezeichnend sie ist, so wenig sollte daraus ein FDP-Bashing folgen, denn die anderen Parteien sehen das ebenso, sonst müssten sie für mehr Zeitsouveränität von Eltern plädieren. Doch bleibt das bestenfalls eine Phrase, denn wo Vollerwerbstätigkeit als Idealzustand beruflichen Engagements gesehen wird, ist für Familie, die mehr als ein Beiwerk ist, wenig Platz.

Siehe frühere Kommentare dazu hier und hier.

Sascha Liebermann