Zur Historie eines Bedingungslosen Grundeinkommens – häufige Missverständnisse

In der öffentlichen wie akademischen Diskussion über das Bedingungslose Grundeinkommen werden immer wieder historische Verbindungslinien gesucht und hergestellt, die in die Irre führen. Das mag manchmal daran liegen, dass aus Beiträgen zitiert wird, in denen vermeintliche Vorläufer vorkommen, diese Darstellungen selbst aber nicht mehr mit den Quellen abgeglichen werden. Man vertraut eben auf andere, das ist eine manchmal hilfreiche Abkürzungsstrategie. Manchmal scheinen die Missdeutungen lediglich darauf zurückzugehen, dass zur sehr darauf geachtet wird, was „hinten ‚raus kommt“, also ein Mindesteinkommen, nicht aber wie dieses Mindesteinkommen bereitgestellt wird, ohne also die Bereitstellungspraxis zu betrachten (Bedarfsprüfung, Arbeitspflicht usw.). Ein solcher Fall ist z. B. Thomas Morus Utopia, wie Ronald Blaschke sehr deutlich gemacht hat. Blaschke hat sich mit weiteren Autoren befasst, wie z. B. Lady Rhys-Williams, um sie angesichts der Frage, wie sie denn nun zum BGE oder einer Vorform standen, einzuordnen (siehe hier und hier ab S. 9). Gut nachvollziehbar nutzt Blaschke dazu Originalquellen. Dass er dabei selbst manchmal eigenwillige Deutungslinien verfolgt, ist die Freiheit eines jeden Autors. Für die BGE-Diskussion ist die Darstellung hilfreich, damit nicht falsche Freunde zitiert werden.

Siehe z. B. auch:
„Speenhamland ≠ Bedingungsloses Grundeinkommen“
„Wie etwas loswerden, das man nicht haben will? Jürgen Borchert über das Bedingungslose Grundeinkommen“
„Milton Friedman, F. A. von Hayek, Negative Einkommensteuer und Bedingungsloses Grundeinkommen“ (und hier)

Sascha Liebermann

„Mama wählt nicht“ – über Herablassung und gut Gemeintes

…ein Bericht darüber, weshalb ihre Mutter nicht zur Wahl gegangen ist, über Herablassung mit der über Bedürftige oder Menschen in Armut gesprochen wird, von Anna Mayr bei Spiegel Online. Diese Herablassung ist es auch, die im Zentrum der Diskussion um ein Bedingungsloses Grundeinkommen steht. Mit dieser Haltung wissen die einen immer, was gut für die anderen ist, statt ihnen den Freiraum zu geben, ihr Leben zu leben, siehe z. B. hier.

„Das BGE hat mit Sozialismus nichts zu tun“…

…ein Beitrag von Anabel Schunke auf der Website „Tichys Einblick“, der allerdings ein Bedingungsloses Grundeinkommen mit der Negativen Einkommensteuer gleichsetzt und damit entscheidende Differenzen übersieht. Das führt ebenso in die Irre wie die Bezugnahme auf Friedrich August von Hayek, der ein BGE befürworter gewesen sein soll, was so nicht haltbar ist, siehe hier. Eine genauere Auseinandersetzung damit, wie Hayek sich zum Mindesteinkommen und der Bedürftigkeit geäußert hat, finden Sie hier. Da Anabel Schunke, wie so viele Autoren, auf die „Anreize“ verweist, die so wichtig seien, damit Leistung erbracht wird, sei hier auf Forschungen zum Armutsfallentheorem verwiesen. Sie machen deutlich, wie missverständlich die Rede von „Anreizen“ ist und welche Vorurteile dahingehend herrschen, warum Menschen Dinge tun, die sie tun.

Aus dem Zusammenhang gerissen…

…, einfach nicht richtig zugehört oder auf Skandalisierung ausgewesen – so könnte man auch erklären, wie es zur Berichterstattung des Deutschlandfunks kam, der eine Äußerung der Bundesministerin Andrea Nahles nicht richtig wiedergegeben hatte. Vielleicht ist dem Deutschlandfunk jedoch nur schlicht die Spucke weggeblieben angesichts der zitierten These. Wer mit der öffentlichen Diskussion zum BGE vertraut ist, dem ist diese These als Einwand bekannt, der nicht selten vorgebracht wird. Genau mit dieser Haltung wurde nämlich Clemens Fuest in einem langen Spiegel-Beitrag (20/ 2016, S. 81) zitiert:

„Aber die Erfahrung zeigt doch, dass die Jobs, die keiner gern macht, nur dann erledigt werden, wenn auf den Leuten ein gewisser Erwerbsdruck lastet.“

Aus dem Zusammenhang gerissen… weiterlesen