Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder Familie und Kinder als Übel

In der Pressemitteilung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung heißt es:
„Ein aktuelles Gutachten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), das vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) in Auftrag gegeben wurde, zeigt: Die Erwerbsquote der Mütter steigt je nach Szenario um zwei bis sechs Prozent. Mütter, die bereits erwerbstätig sind, erhöhen infolge der Reform ihre Arbeitszeit. Davon profitieren einerseits die Mütter und die Familien selbst,“ – zwar ist man einerseits etwas irritiert, wie denn die Erhöhung der Arbeitszeit den Familien nutzen kann, aber andererseits doch erfreut. – Wie geht es weiter?

„da ihr Bruttoeinkommen steigt.“

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Wenn das eine nicht aus dem anderen folgt – der Sozialphilosoph Axel Honneth zum Grundeinkommen

Axel Honneth, Prof. em. an der Goethe-Universität Frankfurt, äußerte sich in einem Interview mit dem Handelsblatt ausführlich zum Bedingungslosen Grundeinkommen und weiteren Fragen, die damit in Verbindung stehen. Dabei fällt auf, dass Honneth sich recht abstrakt mit gesellschaftlichen Entwicklungen befasst, so z. B. hier:

„[Handelsblatt] Dabei hatte der Mensch wohl noch nie so viel Freizeit wie heute.
[Honneth] Es ist aber eine freie Zeit, die viel stärker als früher gleichzeitig von Forderungen des Arbeitslebens durchzogen ist – was durch die Digitalisierung inzwischen noch gesteigert wurde. Nur die wenigsten von uns sind doch konsequent offline am Abend und am Wochenende.“

Hier wie auch an späteren Stellen verliert Honneth kein Wort darüber, wie sehr die Bedeutung des  „Arbeitslebens“ durch sozialpolitische Reformen verstärkt wurde. Zwar reagierten die Agenda 2010 und ihre Vorläufer schon auf Wandlungen in der Deutung des Stellenwertes von Erwerbstätigkeit, sie haben zugleich aber diese verstärkt. Die Verschärfung von Sanktionsmöglichkeiten so wie die workfare-Ausrichtung der Sozialpolitik haben diese Entwicklung institutionalisiert. Die Entleerung des Leistungsbegriffs (siehe auch hier), die Bejubelung jegliches Zuwachses an Erwerbstätigen, ganz gleich in welchem Umfang, sind Ausdruck dessen. Es sind nicht einfach „Forderungen des Arbeitslebens“, wie Honneth sagt, es handelt sich um einen breiten normativen Konsens bezüglich des Stellenwertes von Erwerbstätigkeit, der dazu führt, dass sich die „Forderungen des Arbeitslebens“ so entwickeln können. Vielleicht würde Honneth das auf Rückfrage ähnlich sehen, es fällt allerdings auf, dass er es gar nicht erwähnt.

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„Das Kind muss weg“ – gemeinsame Erfahrungen in der Familie lassen sich nicht organisieren…

…ein Beitrag von Delna Antia-Tatić im Magazin jetzt der Süddeutschen Zeitung übernommen aus dasbiber.at.

Kürzlich kam ich anlässlich eines Vortrags über Nachhaltigkeit auf die Frage zu sprechen, wie denn eine entsprechende Familienpolitik aussehen könnte, die diesem Anspruch genüge. Als ich darauf hinwies, dass sozialpolitisch gegenwärtig alle Entscheidungen in die Richtung weisen, weniger Zeit für Familie haben zu sollen und man sich fragen müsse, wie viel Familienleben möglich sei, wenn es wenig Zeit für gemeinsame Erfahrungen gebe, stimmte der Moderator ein Lob auf die Kita ab dem ersten Lebensjahr an. Doch woran lässt sich erkennen, wann Kinder von ihrer Entwicklung her auch bereit sind, dorthin zu gehen? Nur wenn sie die Möglichkeit haben, das selbst zu artikulieren – das ist tatsächlich im Alter zwischen drei und viereinhalb Jahren der Fall. Erstaunlich ist in diesem Zusammenhang immer wieder, dass Eltern nicht wahrhaben wollen, wie sehr sich Kinder an Entscheidungen anpassen, die ihre Eltern für sie treffen, ohne dass sie selbst die Eltern entbehren wollen. Es wurde in der Diskussion wieder deutlich, wie ein Bedingungsloses Grundeinkommen den Rahmen schafft, dass Eltern freier als heute darüber entscheiden können, wie sie mit der Herausforderung Elternschaft umgehen wollen, ohne dass das Erwerbsgebot „ruft“.

Siehe unsere früheren Beiträge zu Familie hier und hier.

Sascha Liebermann

„Für Geld allein ändern Mütter ihre Arbeitszeit kaum“ – Warum sollten sie auch…

…und wen kann das Ergebnis der in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung besprochenen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) überraschen? Doch offenbar nur diejenigen, die meinen, am Gelde hänge, zum Gelde dränge doch alles. Doch das Leben ist erheblich komplexer, es geht um Überzeugungen, Wertvorstellungen und um Beziehungen. – Geld hingegen ist inhaltsleer.

Sascha Liebermann

„We should not be pushing everyone to leave the home and go the workforce“…

Eine weitreichende Äußerung Andrew Yangs, die auch hiesiger Sozialpolitik weit voraus ist, man denke nur an den forcierten Ausbau von Ganztagsbetreuung in Vorschule und Schule, wie er im Achten Familienbericht schon vorgeschlagen wurde, der bezeichnenderweise den Titel „Zeit für Familie“ hatte, der allerdings auf weniger oder keine Zeit für Familie hinausläuft.

Weitere Beiträge dazu, siehe hier.

Sascha Liebermann

„Von Arbeit und Muße“…

…ein Beitrag von Ulrike Gebhardt auf riffreporter über den Zusammenhang von Leistungsfähigkeit und Muße. Bei all den Beispielen, die sie für eine disziplinierte, fokussierte Haltung aufführt, deren Komplement ausgedehnte Muße ist, spielt auf letztere Seite das Spielen mit den eigenen Kindern, die in den meisten der genannten Beispiele vorhanden waren, eine erstaunlich geringe Rolle. Gerade sie jedoch lässt einen auf einfache Weise die Welt mit anderen Augen sehen, sie wiederentdecken.

Sascha Liebermann

„Wir müssen das Konzept ‚Hotel Mama‘ dringend überdenken“ – Ablösung und Bedingungsloses Grundeinkommen…

…darum geht es in einem Interview mit Remo Largo in der Neuen Zürcher Zeitung. Largo war vor seiner Pensionierung u.a. für die Zürcher Longitudinalstudien verantwortlich, die am Zürcher Kinderspital durchgeführt wurden. Auf seiner Website finden sich etliche Veröffentlichungen dazu frei zugänglich.  In seinem jüngsten Buch „Das passende Leben“ führt er seine über die Jahre gewonnenen Erkenntnisse zur kindlichen Entwicklung nochmals zusammen und kommt auf ein Bedingungsloses Grundeinkommen zu sprechen (siehe hier und hier). Seine Einsichten sind interessant, weisen auf ganz drängende Fragen dahingehend hin, wie viel Zeit und Raum Familie heute noch hat und wie sehr Kinder in ihrer Entwicklung durch die Vorstellungen der Erwachsenenwelt bedrängt werden.

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„Die Altersarmut kommt“ – und immer dieselben Empfehlungen…

…um dieser Entwicklung zu begegnen, das ist der Fall in Alexander Hagelükens Beitrag in der Süddeutschen Zeitung (siehe auch den Kommentar dazu auf den Nachdenkseiten). Als Gegenmaßnahme wird zu Beginn der Vorschlag einer Grundrente zitiert, der allerdings nur Personen mit 35 Beitragsjahren zustehen soll, also nur wenige erreicht. Die anderen hätten das nachsehen. Hagelüken kommt auch auf „verdeckte Armut“ zu sprechen, in der auch das Phänomen nicht in Anspruch genommener Leistungen zum Ausdruck kommt, weil Betroffene der Stigmatisierung ausweichen. Und dann? Zum Schluss dann die üblichen Empfehlungen:

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„My wife doesn’t work“ – es sollte selbstverständlich sein…

…ist es aber keineswegs. Es gehört noch immer zu den Selbstverständlichkeiten in der Grundeinkommensdiskussion, dass man in einem Vortrag ausführlich über die Seite „unbezahlter Arbeit“ spricht, über die Bedeutung von „Haushaltstätigkeiten“, hier ganz besonders: Erziehung, und in der Diskussion ist dieses Thema dann einfach weg, verschwunden. Allenfalls wird noch erwähnt, dass es besserer Arbeitszeit-Modelle bedarf, was den Vorrang von Erwerbstätigkeit nur im Zeitumfang minderte, nicht aber in seiner normativen Bedeutung.

Sascha Liebermann