…eine differenzierte Besprechung der jüngsten Berichterstattung von Stefan Sell über eine OECD-Studie zu ungleichen Bildungschancen in Deutschland. Darin nimmt er nicht nur die Schlussfolgerungen aus der Studie und ihre Aufnahme in den Medien unter die Lupe, er zeigt sich auch kritisch bezüglich der Daten, auf die sich die Schlussfolgerungen beziehen: die PISA-Studie 2015. Einen der Vorschläge, Ganztagsschule (siehe auch hier und hier) auszubauen und sich davon Verbesserungen zu erhoffen, stuft er als Glaubensfrage ein. Sell äußert sich zwar nicht weiter dazu, es wäre hier aber zu ergänzen, dass die Ganztagsschule auf Kosten des Familienlebens geht und man sich fragen muss, was damit angerichtet wird, zumal echte Ganztagsschule heißt, dass Kinder sich immer in Beaufsichtigungszusammenhängen aufhalten, die gerade nicht zum Nahraum ihres Lebensumfeldes gehören.
Kategorie: Familie
„Globalisierung und technologischer Wandel führen nicht einfach so zu sinkenden Löhnen und sozialer Ungleichheit“…
…so ist ein Beitrag von Patrick Schreiner über eine Studie des ifo-Instituts übertitelt, der in eine andere Richtung weist, als es in der öffentlichen Diskussion häufig der Fall ist. Ohne die Studie nun selbst geprüft zu haben, sind die Befunde (siehe Titel) nicht wirklich überraschend. Überraschend konnte doch eher die Vorstellung sein, der Nationalstaat sei gegenüber der Globalisierung ohnmächtig und handlungsunfähig. Schreiner weist dann auf eine Schlussfolgerung der Studie hin:
„Ein Versuch, die Einkommensungleichheit alleine durch Qualifizierungsmaßnahmen zu verringern, reicht nicht aus. Um den Rückgang der Lohnquote umzukehren, bedarf es vielmehr eines institutionellen Rahmens, der die Verhandlungsmacht der Arbeit stärker mit der Verhandlungsmacht des Kapitals in Einklang bringt. Unsere Ergebnisse deuten an, dass es möglicherweise nicht ausreicht, den gewerkschaftlichen Organisationsgrad zu erhöhen, um solche gleichen Ausgangsbedingungen zu erreichen. Vielmehr bedarf es eines Policy-Mixes, der darauf abzielt, die institutionelle Macht der Gewerkschaften durch eine höhere Tarifdeckung sowie möglicherweise durch eine bessere Tarifkoordination zu stärken und die strukturelle Macht der Arbeit durch die Verbesserung der Sicherungsnetze der Arbeitnehmer zu erhöhen.“
„Zwei von drei Müttern sind in Teilzeit beschäftigt“…
…eine unscheinbare Meldung in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, die gemeinhin wieder so gedeutet werden wird, dass endlich die Erwerbsmöglichkeiten für Mütter durch ein angemessenes Betreuungsangebot für Kinder verbessert werden sollen, um dem „Problem“ entgegenzutreten. So könne dann mehr Vollzeit erreicht werden.
Wer braucht auch schon „Zeit für Familie“, wie der Achte Familienbericht (2012) einst übertitelt war, der seinem Inhalt nach in vielerlei Hinsicht, vor allem in den Empfehlungen, auf „Weniger Zeit für Familie“ (siehe auch hier und hier) hinauslief. Wer die Familie für das fünfte Rad am Wagen, wer sie für überflüssig wie einen Kropf hält, der soll das doch einfach sagen, statt die immer stärkere Orientierung am Arbeitsmarkt hinter Emanzipationsfloskeln („Vereinbarkeit von Familie und Beruf“) zu verbergen.
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„Den Kindern die Kindheit lassen“…
…ein Gespräch mit dem Jugendpsychiater Michael Winterhoff aus dem Jahr 2017, dass der Deutschlandfunk nocheinmal gesendet hat. Frühere Kommentare von unserer Seite zum Thema Familie finden Sie hier. Interessant sind auch die Ausführungen von Remo Largo in diesem Zusammenhang, siehe unsere Kommentare dazu hier.
„Alleinerziehende in Deutschland – Wenn die Armut droht“…
…ein Beitrag dazu im Deutschlandfunk. Die gegenwärtigen Systeme sozialer Sicherung sehen hierzu nur stigmatisierende Lösungen vor, das ist die Folge, wenn Erwerbstätigkeit der normative Vorrang gilt. Mit einem Bedingungslosen Grundeinkommen würden andere Möglichkeiten geschaffen, die nicht Familie Erwerbstätigkeit nachordnen, sondern ihr ihren eigenen Raum geben würde, ohne sie als Anhängsel des Arbeitsmarktes zu behandeln. Denn bislang wird als bestes Mittel gegen Armut Erwerbstätigkeit gesehen. Dann haben insbesondere Alleinerziehende aber kaum mehr Zeit für Familie.
Siehe unsere früheren Beiträge zu diesem Thema.
Sascha Liebermann
Anerkennung oder Hinterfragung des status quo? Anmerkungen zu einer Studie über Armut
Vor kurzem haben wir auf eine Studie hingewiesen, die sich mit Kinderarmut befasste und dafür die Erwerbssituation der Eltern untersuchte. Entscheidend für die Einkommenssituation sei, ob die Mütter erwerbstätig sind oder nicht. Gemeinhin wird daraus der Schluß gezogen, dass die Erwerbsquote von Frauen insbesondere von Müttern erhöht werden müsse, dazu bedürfe es des Ausbaus von Betreuungsangeboten usw. Denn nur so sei Altersarmut bei Frauen vermeidbar. Für die Nachdenkseiten hat Marcus Klöckner die beiden Sozialwissenschaftler Claudia Wenzig und Torsten Lietzmann, die die Studie durchgeführt haben, interviewt. Was haben sie zu den Befunden zu sagen, welche Schlüsse ziehen sie daraus?
„Torsten Lietzmann: In Paarfamilien beispielsweise leben nahezu alle Kinder in einer abgesicherten Lage, wenn die Mutter dauerhaft Vollzeit oder Teilzeit oder geringfügig arbeitet. Wenn sie dauerhaft nicht erwerbstätig ist, ändert sich das Bild. 32 Prozent der Kinder sind dann in einer dauerhaften oder wiederkehrenden Armutslage. […]
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„Wenn die Mutter nicht arbeitet, bleibt das Kind arm“…
…, wenn das so ist, liegt die Lösung nahe: ein Bedingungsloses Grundeinkommen, das gerade Alleinerziehenden besonders entgegenkäme. In welche Richtung aber gehen die Ergebnisse einer Studie des IAB für die Bertelsmann-Stiftung, über die Spiegel online berichtete? „Müttern muss es erleichtert werden, arbeiten zu gehen“, so Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann-Stiftung. Ergebnisse lassen sich in verschiedene Richtungen deuten und entsprechende Schlüsse ziehen. Was Dräger nicht sagt ist, welche Folgen seine Schlussfolgerung hat: weniger Zeit für Familie, für die Kinder. Diese Zeit ist aber gerade das, was es besonders braucht, wenn es ein Familienleben geben können soll, das sich nicht nur auf die Wochenenden, das Frühstück und das Abendessen bezieht. Die gegenwärtige Familienpolitik lenkt weg von Familie hin zu Erwerbstätigkeit, stärker denn je, alle etablierten Parteien sind sich einig, das zeigt ein Blick in die Programme zur Bundestagswahl. Familie ist ein Anhängsel der Arbeitsmarktpolitik, ihre Eigensinnigkeit wird nicht geachtet (siehe auch hier). Ein BGE würde hier ein starkes Gegengewicht bedeuten, ohne vorzuschreiben, was damit zu tun wäre. Aber alleine, dass die Option, mehr Zeit zuhause zu sein, dem Engagement in Erwerbstätigkeit gleichgestellt wäre, könnte viel verändern.
Sascha Liebermann
„Ich bin Hausfrau. Na und?“…
…ein Beitrag von Dörthe Zimmermann in der taz, der differenziert herausarbeitet, was es heißt, Hausfrau oder -mann zu sein (was heute nicht selten durch „Familienarbeiter“ ersetzt wird) und wie wenig wir heute dafür tun, dass diese Aufgaben ohne die Predigt, wie wichtig Erwerbstätigkeit sei, übernommen werden können. Um so mehr verwundert, dass die Autorin zwar das Bedingungslose Grundeinkommen in einem Nebensatz dahinschmeißt, aber offenbar seine Tragweite nicht erkannt hat. Es wäre eben gerade keine Bezahlung, die zur Vermarktlichung von Familie führte, es wäre eine Ermöglichungspauschale, das tun zu können, was für wichtig und richtig erachtet wird – durch ein BGE wäre es normativ erwünscht. Mehr nicht, weniger auch nicht.
Sascha Liebermann
„Mutter sein reicht nicht mehr“…
…ein Beitrag von Martina Lenzen-Schulte in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung über die Delegitimierung des Mutterseins durch die Idolatrie von Erwerbstätigkeit und die rhetorische Verkleisterung dessen, was es heißt berufstätig sein und zugleich Zeit für Kinder haben zu wollen. Es fehlt in dem Beitrag lediglich der Hinweis darauf, dass sich für Väter die Frage der Vereinbarkeit auch stellt, nur wird ihr in der öffentlichen Debatte weniger Aufmerksamkeit gewidmet. Siehe frühere Kommentare zu dieser Diskussion von unserer Seite hier und hier. Ein BGE wäre die entscheidende Ermöglichungsstruktur, um die Illusion von der Vereinbarkeit fahren zu lassen und zugleich nicht neue Direktiven auf den Weg zu bringen, wie mit der Frage von Elternschaft und Beruf umzugehen sei.
Sascha Liebermann
„…Zeit haben, um durch Erfahrungen mit Gleichaltrigen sozial kompetent zu werden…“…
…darum ging es in einem Interview mit dem Kinderarzt und Entwicklungsforscher Remo Largo in der Neuen Zürcher Zeitung. Siehe auch den Bericht über ein Gespräch mit Jugendlichen in derselben Zeitung hier. Largo hat Langzeitstudien zur kindlichen Entwicklung am Zürcher Kinderspital durchgeführt, woraus seine bekannten Bücher entstanden sind, zuletzt „Das passende Leben“. Darin spricht er gegen Ende über die Chancen, die ein Bedingungsloses Grundeinkommen bedeute, geäußert hatte er sich dazu ebenso in einem Interview. Largo kritisierte immer wieder die Bedingungen des Aufwachsens von Kindern heute, wie wenig kinderfreundlich sie seien. In seinem letzten Buch, wie der Titel schon sagt, geht es um ein Leben, das den menschlichen Bedürfnissen gemäß ist. Irritierend ist an seinen Befunden manchmal, welche Schlüsse er daraus zieht. So hat er wiederholt festgestellt, dass Eltern sich zu wenig Zeit für ihre Kinder nehmen, weil dies so sei, müssten Betreuungseinrichtungen das auffangen. Dabei läge eine ganz andere Antwort nach seinen Forschungsbefunden viel näher. Den Eltern die Möglichkeit zu geben, mehr Zeit mit ihren Kindern zu verbringen. Das Arbeitsethos ist in der Schweiz stark ausgeprägt, es gibt nicht einmal eine dem Elterngeld vergleichbare Leistung und der Wiedereintritt in den Beruf nach dem Mutterschutz (nach vier Monaten) ist nicht ungewöhnlich. Im Grunde müsste Largo für ein BGE plädieren, damit Eltern genau das ermöglicht wird und als erwünscht gilt, mehr Zeit mit den Kindern zu verbringen. Doch diesen Schluß zieht er so klar auch in seinem Buch nicht. Im jüngsten Interview klingt das so:
„…Zeit haben, um durch Erfahrungen mit Gleichaltrigen sozial kompetent zu werden…“… weiterlesen