„Solidarität statt Stigma“ – schön wär’s…

…muss der Titel eines Beitrags von Melanie Reinsch in der Berliner Zeitung ergänzt werden, denn das solidarische Grundeinkommen ist eine Mogelpackung, worauf wir wiederholt hingewiesen haben. Zwar beruht die Annahme einer durch das solidarische Grundeinkommen geförderten Beschäftigung auf Freiwilligkeit, was für eine Freiwilligkeit ist das aber, wenn sonst Arbeitslosengeld II samt Sanktionsdrohungen winkt? Die Stigmatisierung, von der in diesem Zusammenhang immer wieder gesprochen wird, hat mit dem normativen Vorrang von Erwerbstätigkeit zu tun (siehe hier). Wer also diese Auswirkungen nicht mehr haben möchte, muss einen Weg finden, diesen Vorrang aufzuheben, was überhaupt nicht bedeutet, Erwerbstätigkeit zu verdammen. Es würde ihr lediglich der Stellenwert zugewiesen, der ihr angemessen ist.

Sascha Liebermann

„Der Verein „Sanktionsfrei“ setzt auf Vertrauen statt Sanktionen“…

…eine Diskussion im Deutschlandfunk über Sanktionen im Arbeitslosengeld II, ihre Begründungen und Folgen.

Gäste:

  • Helena Steinhaus, Verein „Sanktionsfrei“
  • Tobias Krull, arbeits- und sozialpolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion in Sachsen-Anhalt
  • Rana Martin Bhattacharjee, Jobcenter Köln
  • Prof. Dr. Moritz Kuhn, Institut für Makroökonomik und Ökonometrie an der Universität Bonn

Achten Sie auf die Sprache der Teilnehmer, die das Prinzip von Fördern und Fordern verteidigen bzw. rechtfertigen, ein geradezu pädagogisierender Tonfall wird deutlich. Die durch den Gesetzgeber formulierten sanktionsbewehrten Pflichten werden mit freundlich-verklärenden Worten umschrieben. Siehe hierzu „Aktivieren als Form sozialer Kontrolle“ von Olaf Behrend.

„Fördern UND Fordern“ – doch, wozu?

Das fragt sich angesichts eine Plädoyers in diese Richtung von Kolja Rudzio auf Zeit Online angesichts der bevorstehenden Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts über Sanktionen im Arbeitslosengeld II (siehe unsere bisherigen Kommentare hierzu, zum Autor selbst hier). Nach einleitenden Worten fragt Rudzio:

„Ist nun also die Zeit reif, ein Relikt der Hartz-Reformen abzuräumen – Strafen für Arbeitslose? Wenn man es so formuliert, mag das einleuchtend klingen. Doch für den radikalen Schnitt – ein bedingungsloses Grundeinkommen, vor dem viele Fachleute warnen [andere Fachleute aber nicht, SL] – gibt es keine politische Mehrheit. Und ob viele Menschen es wirklich gerechter fänden, wenn beispielsweise das wiederholte Versäumen von Gesprächsterminen im Jobcenter für Hartz-IV-Empfänger keinerlei Konsequenzen hätte, ist keineswegs klar.“

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„Das kalte Herz des Hartz IV-Gesetzes“ oder die Verklärung des alten Sozialstaats

So könnte Heribert Prantls Beitrag in der Süddeutschen Zeitung überschrieben werden, der sich mit der bevorstehenden Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts über Sanktionen im Sozialgesetzgebuch, die das Existenzminimum beschneiden, befasst. Prantl schreibt dazu:

„Darf der Staat das Existenzminimum minimieren? Die schwarze Pädagogik, die in der Kindererziehung verpönt ist, hat Hartz IV bei erwachsenen Menschen wieder eingeführt. Bei Verletzung der „Mitwirkungspflicht“ droht jedenfalls die „Absenkung der Grundsicherung“, wie das im Behördenjargon heißt.“

So treffend auf den Punkt gebracht wird, was gesetzlich festgeschrieben ist, so ungenau ist Prantl hier. Was genau soll durch Hartz IV eingeführt worden sein? Das Bundessozialhilfegesetz sah mit § 25 genau solche Sanktionen ebenso schon vor (siehe auch hier):

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„Schon morgen? Hartz-IV-Urteil könnte Weg zum bedingungslosen Grundeinkommen ebnen“ – das geht doch nicht…

…darüber schreibt Volker Tietz auf focus. Am Ende findet sich die brisante Schlussfolgerung in aller Deutlichkeit:

„Dem Urteil zu den Hartz-IV-Sanktionen kommt damit Signalwirkung zu. Werden diese verboten, entfällt der Gestaltungsspielraum bei Mitarbeitern im Jobcenter. Das macht die Verfahren gerechter. Aber ein derartiges Urteil wirft ein neues Problem auf: Sanktionen sind ein Druckmittel, um auf das Einhalten der Regeln zu drängen.

Und ohne Druck wird es noch mehr auf den guten Willen der Betroffenen ankommen, ihre missliche Lage beenden zu wollen. Das ist bedenklich, denn: Wer pünktlich und regelmäßig den Einladungen vom Jobcenter folgt und bereit ist, Arbeit zu finden, darf nicht gleichgestellt werden mit denjenigen, die das System ausnutzen. Ansonsten ist ein Urteil zum Verbot von Sanktionen der erste Schritt zum bedingungslosen Grundeinkommen.“

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