Vorschnell, guter Hinweis,…

…aber Bürgerräte haben in der Tat etwas von Verhöhnung, ähnlich wie Bürgerbefragungen. Sie suggerieren mehr als sie sind. Passender wären Volksabstimmungen, siehe unsere Beiträge dazu hier.

Sascha Liebermann

„Heuss hätte vorsichtiger sein sollen“ – plebiszitäre Elemente hielt er aus historisch nicht zutreffenden Erwägungen für gefährlich…

…erläuterte der Trierer Politikwissenschaftler Winfried Thaa in einem Interview mit 16VOR Nachrichten aus Trier schon vor einigen Jahren. Er äußerte sich darin auch zu Bürgerbeteiligungsverfahren („Bürgerhaushalten“). Theodor Heuss‘ Deutung hält sich dennoch hartnäckig, dass der Untergang der Weimarer Republik auch an den plebiszitären Elementen der Weimarer Reichsverfassung hing, doch waren Volksentscheide eher wenig erfolgreich, siehe dazu hier. Angesichts der Einwände, die jüngst wieder gegen Volksentscheide bzw. Volksabstimmungen vorgebracht wurden, ist es hilfreich, sich eine Schweizer Einschätzung dazu anzuhören (siehe hier), in der Andreas Gross, der sich seit Jahrzehnten mit dem Thema befasst, gerade die Konfrontation mit den Folgen einer Abstimmung für die Bürger für äußerst klärend und hilfreich hält.

Weitere Beiträge zu diesem Thema finden Sie hier. Viele Einwände, die gegen direkte Demokratie nach Schweizer Vorbild eingewandt werden, werden auch gegen ein BGE eingebracht.

Sascha Liebermann

„Direkte Demokratie und Bürgerrat sind verschiedene Verfahren“ – ja, aber nicht nur das

Angesichts des Zugangs zu Bürgerräten per Losverfahren und der Unverbindlichkeit ihres Charakters sollte genauer betrachtet werden, ob die üblichen Formen der Willensbildung über die politische Öffentlichkeit, in der intellektuelles Räsonnement gefordert ist, sowie Bürgerinitiativen, die sich anlassbezogen engagieren, nicht dem Geist der Demokratie mehr entsprechen. Siehe unseren Beitrag zum Status von Bürgerräten und Volksabstimmungen hier.

Sascha Liebermann

Unverbindliche Bürgerräte vs. Volksabstimmungen – Partizipation ist selbstverständlich in der Demokratie, die Frage ist nur, mit welchen Verfahren

Bürgerräte erinnern einen an Bürgerbeteiligungsverfahren oder gar an Bürgerdialoge – alle drei haben keinen verbindlichen Charakter. Was sie leisten können, dazu braucht es sie nicht. Volksabstimmungen bzw. Referenden, wie sie in der Schweiz durchgeführt werden, sind wirkungsvoll und verbindlich.

Siehe unseren Beitrag zu Volksabstimmungen hier und hier.

Sascha Liebermann

„Expedition Grundeinkommen“ – wo beginnt direkte Demokratie?

Diese Frage stellt sich angesichts der neuen Initiative „Expedition Grundeinkommen“, die Volksentscheide bzw. -abstimmungen in mehreren Bundesländern anstrebt, um so Grundeinkommensexperimente auf „staatlicher Ebene“ auf den Weg zu bringen. Dazu heißt es auf der Website:

„Unser Reiseplan

Im Oktober haben wir mit einer Petition auf change.org gestartet, die knapp 20.000 Menschen mitgezeichnet haben. In den kommenden Monaten werden wir in mehreren Bundesländern mit euch zusammen Volksabstimmungen starten.“

„Expedition Grundeinkommen“ – wo beginnt direkte Demokratie? weiterlesen

Volksabstimmungen – Segen oder zweifelhaft? Weder noch, bloß bodenständig

Demokratische Instrumente können missbraucht werden – können sie?

Niemand würde wohl bestreiten, dass es einseitige Berichterstattung, Parteinahme, voreingenommene Journalisten und ähnliches gibt. Gerade in den Wochen vor der Bundestagswahl konnte man beobachten, wie stark Moderatoren in Diskussionssendungen teils volkspädagogisch eingriffen. Diese Vorgänge kann man kritisieren, beklagen, bedauern, sich für Veränderungen einsetzen. Sie sind nicht gerade pluralitätsfördernd, doch sind sie schon eine Gefahr?

Sicher, sich über Sachfragen zu informieren ist durchaus aufwendig, es braucht Zeit, in vielen Fragen fehlt einem der Sachverstand, um die Zusammenhänge beurteilen zu können. Das ist richtig. Geht das Experten aber nicht ebenso außerhalb des Gebiets ihrer Expertise? Die jüngste Ablehnung einer Rentenreform in der Schweiz wird nun wieder einmal als Beispiel dafür angeführt, weshalb Volksabstimmungen doch eine zweifelhafte Angelegenheit sind. Zu diesem Schluss gelangt Albrecht Müller (Nachdenkseiten), kritischer Geist gegen voreingenommene Meinungsbildung. Seine Vorbehalte äußert er nicht das erste Mal. Was schreibt er genau?

Volksabstimmungen – Segen oder zweifelhaft? Weder noch, bloß bodenständig weiterlesen

Volksabstimmung oder Volksabstimmung?! – Ein Nachtrag zur Diskussion bei „hart aber fair“

Volksabstimmung ist nicht gleich Volksabstimmung auf diese einfache Formel brachte es der Politikwissenschaftler Werner Patzelt in der Diskussionsrunde bei hart aber fair, auf die wir kürzlich hingewiesen haben. In der Sendung wurde kaum differenziert, worüber gesprochen wurde, wenn die Begriffe Volksentscheid, -begehren, -gesetzgebung munter durcheinanderflogen. Folglich wusste man bis zum Schluss nicht, was denn nun genau die Diskutanten befürworteten bzw. ablehnten. Auf der einen Seite konnte man überrascht sein, dass in Gestalt von Markus Söder (CSU), dem bayrischen Staatsminister für Finanzen, ein ausgesprochener Befüworter von Volksabstimmungen zu erkennen war. Auf der anderen Seite wiederum konnte erstaunen, mit welchen Vorbehalten der frühere Befürworter Wolfgang Kubicki (FDP) sich gegen Volksabstimmungen aussprach. Er sah die Gefahr, dass mit Stimmungen Entscheidungen herbeigeführt werden könnten – siehe Brexit in seinen Augen – und so die Haltung „wir wollen’s denen dann mal zeigen“ schlussendlich „das arme britische volk […] mit dieser entscheidung“ – allein lasse. Wenn er Bedenken äußerte, zu welchen Konflikten Volksabstimmungen führen könnte, argumentierte er ausschließlich juristisch, nannte das Beispiel der Schweizer Massenzuwanderungsinitiative. Leicht empört verwies er darauf, dass sich die ja gegen Deutsche richtete. Plasberg verwiest zurecht darauf, dass wir dort eben Ausländer seien, Kubicki hingegen hob die Gemeinschaften aufgrund der Sprachen hervor. Was die politische Kultur betrifft, sind die Unterschiede zwischen Deutschland und der Schweiz allerdings erheblich.

Es durfte in dieser Sendung die gute alte Meinungsumfrage nicht fehlten, derzufolge angeblich 71% für Volksabstimmung im Allgemeinen, 53% für Volksabstimmung über Flüchtlingspolitik seien. Doch ihre Aussagekraft ist gering, siehe frühere Kommentare dazu hier und hier.

Es lohnt, um die Diskussion besser einschätzen zu können, ein genauer Blick auf Formulierungen. Sehr klar war Werner Patzelt in seiner Haltung, der die Chance von Volksabstimmungen sah, differenziert auf die Unterschiede zwischen verschiedenen Formen hinwies, wie auch darauf, dass direkte und repräsentative Demokratie keineswegs gegeneinanderstehen. Was aber sagte Markus Söder als Befürworter genau?

Mehrfach wies er darauf hin, man müsse ja nicht über alles abstimmen, Volksabstimmungen dürften nicht inflationär gebraucht werden – warum so zögerlich, darüber würde doch das Volk selbst befinden müssen, wenn das Instrument eingeführt wäre? Wichtige Fragen aber sollten Gegenstand sein. Nimmt man Schweizer Referenden und das Instrument der Volksinitiative als Vorbild, dann kann bzw. muss ein Referendum von verschiedenen Seiten initiiert werden. Die Volksinitiative zum BGE ging von Bürgern aus, die Unterschriften gesammelt haben, und hatte zum Ziel, die Schweizer Bundesverfassung zu ändern. Söder sprach mehrfach davon, das Volk zu „beteiligen“, so als würde die Regierung oder das Parlament eine Frage an das Volk richten. Das klang wie eine großzügige Geste und nicht wie ein dem Souverän verpflichtetes Verfahren. Denn den Souverän muss bzw. kann man nicht „beteiligen“, er ist immer schon beteiligt, weil er die Geltungsquelle politischer Ordnung darstellt (GG, Art.20 (2) „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“). Will man den Souverän veralbern oder zeigen, wie wenig ernst es einem ist, spricht man sich für „Bürgerbeteiligungen“ aus, die zwar so tun, als gäbe es mehr Mitgestaltung, tatsächlich aber sind sie unverbindlich, weil die Bürger nichts entscheiden in solchen Verfahren.

Bettina Gaus äußerte sich differenziert, wollte auch nicht die behaupteten Gefahren teilen, die manche mit Volksabstimmungen verbanden. In ihren Augen sind sie auf Bundesebene nicht das richtige Instrument, wenn es um komplexe Entscheidungen ging. Darauf entgegnete Söder, dass aber auch Wahlen komplex seien und die Bürger darin ebenso Stellung beziehen müssten. Hinzugefügt werden könnte noch, dass gerade Volksabstimmungen dahin drängen würden, solch komplexe Fragen stärker einer differenzierten Erörterung in der Öffentlichkeit zuzuführen. Denn letztlich geht es nicht zuerst um technische Fragen nach der optimalen Lösung, es geht um die Frage, in welche Richtung eine Lösung führen soll. Womöglich hätte eine Volksabstimmung in Deutschland dazu geführt, härtere Konsequenzen aus der Finanzkrise zu ziehen, z. B. ernsthafter über eine Trennung von Investmenbanking und Kreditvergabe nachzudenken, um die Verantwortung für Spekulationsgeschäfte ganz auf diejenigen zu übertragen, die sie tätigen, ohne dass die Bürger am Ende die Lasten tragen müssen.

Was ist nun also gewollt von Befürwortern wie Markus Söder, Volksabstimmungen mit Initiativrecht, wie sie in der Schweiz praktiziert werden oder nur eine selektive Nutzung dieser Instrumente direkter Demokratie?

Sascha Liebermann

„Volksabstimmungen für alle“…

…eine Diskussionsrunde bei hart aber fair mit einer irreführenden Ankündigung.

Auf der Website der Sendung finden sich informative Hinweise. Deutlich machen sie, sehr klar ist das auf der Seite der Schweizer Bundesverwaltung, dass repräsentative und direkte Demokratie nicht gegeneinanderstehen, wie so oft suggeriert wird. Auch sind Volksabstimmungen nicht einfach JA-NEIN-Entscheidungen, sondern Entscheidungen über einen formulierten Vorschlag, der abgelehnt oder dem zugestimmt wird. Bei Zustimmung sind Regierung und Parlament mit der Umsetzung beauftragt. In der Schweiz werden die meisten Gesetze vom Parlament erlassen und nicht über Volksabstimmungen auf den Weg gebracht. Die Schweizer können aber gegen Parlaments- Kantons- und Gemeindeentscheidungen Referendum ergreifen. 

Mehr Demokratie e.V. hat eine Übersicht zur Haltung der deutschen Parteien zur Volksabstimmung auf Bundesebene angefertigt und zugleich nachgefragt, wie sie dazu stehen. Die Antworten sind interessant und vielschichtig. Die meisten, bis auf die CDU, befürworten Volksabstimmungen in der einen oder anderen Form.
Auf die überraschenden Positionsverschiebungen im Verhältnis zu früheren Diskussionen über Volksabstimmungen hat Frank Lübberding in seinem Kommentar zur Sendung hingewiesen.

Sascha Liebermann