„Misanthropische Arbeitsdienstverpflichtung“…

…das mag hart klingen, wenn Sebastian Thieme das so schreibt, aber was soll aus den Ausführungen (siehe hier) anderes geschlossen werden können? Siehe unsere früheren Kommentare zu Ausführungen Ulrike Herrmanns auch zum Bedingungslosen Grundeinkommen.

Sascha Liebermann

Stefan Heckel, Mitbegründer der Initiative Freiheit statt Vollbeschäftigung, ist verstorben

Vor wenigen Wochen, am 8. November 2022, ist einer der Mitbegründer der Initiative, Dr. Stefan Heckel, durch einen Unfall aus dem Leben gerissen worden.

Noch bevor wir uns als Initiative gegründet hatten, war Stefan an Diskussionen darüber beteiligt, in welche Richtung ein Engagement als Initiative gehen konnte. Er war also nicht nur Mitbegründer, sondern auch einer der Vorbereiter dieser Gründung zu einer Zeit, als der Vorschlag eines Bedingungslosen Grundeinkommens noch eher randständig war oder gar als abwegig galt und selbst im Kreise unserer Kollegen die Skepsis groß war, ob ein solches Engagement denn überhaupt sinnvoll wäre oder auf Gehör hoffen könnte.

Eher im Hintergrund wirkend, da es seine Sache nicht war, sich in der Öffentlichkeit zu exponieren, waren seine Überlegungen und Anmerkungen dazu, weshalb ein BGE sinnvoll sein und wie es in die öffentliche Debatte gebracht werden könnte, äußerst wertvoll. Gerade zu Beginn unserer Aktivitäten war es wichtig, dass wir uns stetig austauschen konnten, waren wir doch alle mehr oder weniger unerfahren darin, in der Öffentlichkeit für eine Sache, hier das BGE, zu werben. Tatkräftig half er dabei, die Möglichkeiten via E-Mail zu nutzen, um unsere Überlegungen zu verbreiten.

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„Wir brauchen einen gesunden Druck“…

…sagt Stefan Graaf, Geschäftsführer der Jobcenter StädteRegion Aachen im Interview auf Zeit Online, das im November veröffentlicht wurde. Worum geht es?

„ZEIT ONLINE: Die Umstellung von Hartz IV auf das Bürgergeld soll den Druck auf Arbeitssuchende verringern, es soll künftig mehr gefördert als gefordert werden. Derzeit werden allerdings in vielen Bereichen händeringend Arbeitskräfte gesucht. Kommt die Reform da nicht zum völlig falschen Zeitpunkt?

Graaf: Die Frage ist doch: Schaffen wir es mit Druck, eine langfristige, erfolgreiche Arbeitsmarktintegration hinzubekommen? Eine kurzfristig erfolgreiche Vermittlung sicher, aber nach meiner praktischen Erfahrung keine langfristige. Eine nachhaltige Arbeitsmarktintegration gelingt nur mit den Menschen und nicht gegen sie. Ja, wir brauchen einen gesunden Druck. Aber das Thema Sanktionen wird immer viel zu hoch gehangen, weil die Mehrzahl der Betroffenen ordnungsgemäß mitwirkt. Das ist teilweise eine Phantomdiskussion, die wir in Deutschland führen. Wichtig ist, dass die Mitarbeiter der Jobcenter ganz eng an den Menschen mit einer guten Beziehungsarbeit dran sein können.“

Graaf spricht aus Erfahrung und gerade deswegen überrascht die Zweischneidigkeit seiner Aussage. Auf der einen macht er deutlich, dass nur „mit den Menschen und nicht gegen sie“ das Ziel der „Arbeitsmarktintegration“ erreicht werden könne. Auf der anderen aber schließt er „Druck“ nicht aus, „gesunden Druck“. Was er damit meint, denn Druck, so wie er es hier verwendet, ist einer, der von außen einwirkt. Inwiefern kann er hilfreich sein und ist es tatsächlich so, dass solcher Druck förderlich ist?

„ZEIT ONLINE: Wie viel Druck ist denn notwendig aus Ihrer Sicht?

Graaf: Es muss zumindest die Verpflichtung bestehen, einer Einladung des Jobcenters auch Folge zu leisten, und das steht im Gesetzentwurf auch drin. Jetzt kann man sich politisch streiten, ob das erst bei der zweiten Einladung greift, wie es jetzt vorgesehen ist, oder ob es schon bei der ersten Einladung greifen soll. Für uns wäre es einfacher, wenn das schon beim ersten Mal der Fall wäre. Dann hätten wir klare Spielregeln. Aber das ist eine politische Entscheidung, die aus Sicht der Praktiker nicht so zentral ist.“

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Paternalismus nein, Anreize ja – Verhaltensänderungen als Ziel…

…eine treffende Anmerkung von Sebastian Thieme.

Was „Nudges“ betrifft, so scheinen sie mir überschätzt oder ihre etwaige Wirkung unzureichend erklärt, denn letztlich sind sie – wie „Anreize“ auch – nur Handlungsmöglichkeiten, deren etwaige Wirkung nicht durch die Möglichkeiten selbst erklärt werden kann, was in differenzierten Abhandlungen dazu durchaus so gesehen wird. In der öffentlichen, aber auch fachwissenschaftlichen Diskussion wird der Begriff überwiegend verkürzt, krude im Sinne der Außenlenkung von Handeln und teils widersprüchlich verwendet.

Als Lesehinweis sei hier auf einen Aufsatz von Deci und Ryan hingewiesen (deutsche Übersetzung), in dem es um Handlungsmotivierung geht, der eine vergleichsweise differenzierte Erklärung bietet.

Sascha Liebermann

„Happy Bürgergeld: Endlich kein Hartzer mehr, endlich Bürgerin!“…

…mit diesem Beitrag macht Janina Schütt in der Freitag indirekt auf etwas aufmerksam, das schon lange hätte aufgespießt werden können, meines Wissens aber nicht aufgespießt wurde. Auch wenn es in ihrer Stellungnahme nur um den knapp bemessenen Betrag des Bürgergeldes geht, ist dies ein guter Anlass, sich einmal zu fragen, was denn eigentlich ein bzw. der Bürger ist und ob das Bürgergeld dem entspricht und vielleicht sogar das Gegenteil davon darstellt.

Da es sich beim Bürgergeld um eine sozialstaatlich organisierte und damit demokratisch legitimierte Leistung handelt, soll es hier nur um diese Seite des Bürgerbegriffs gehen, den citoyen also (und nicht um den bourgeois). Er kommt in der Diskussion um den Sozialstaat und ebenso um ein Bedingungsloses Grundeinkommen genauso zu kurz wie jetzt beim Bürgergeld (siehe z. B. hier und hier), das hat einen einfachen Grund. Zwar gibt es eine Fürsorgeverpflichtung des Gemeinwesens gegenüber seinen Angehörigen – den Staatsbürgern -, doch ruht diese bislang auf dem normativen Vorrang von Erwerbstätigkeit. Vom Kindergeld einmal abgesehen setzen alle sozialstaatlichen Leistungen zu ihrem Bezug entweder Erwerbsbeteiligung voraus oder haben sie zum Ziel, da gibt es kein Entkommen. Genau genommen steht also nicht der Bürger als Angehöriger des Gemeinwesens (bzw. davon abgeleitet als Person mit Lebensmittelpunkt in Deutschland) im Zentrum des Sozialstaats, sondern der Erwerbstätige. Das ist keine neue Erkenntnis und dennoch ist es verwunderlich, dass an diesem Umstand selbst außerhalb der BGE-Diskussion wenig kritisiert wird, es herrscht vielmehr große Einigkeit, dass diese so sein solle, auch dort, wo Sanktionen kritisiert werden.

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Manchmal überrascht es, welch unterschiedliche Einschätzungen sich in einem Autor verkörpern…

…, z. B. diese Äußerung, die Richard David Precht offenbar in dem Video macht. Wie passt sie zu seiner Einschätzung, dass wir als „Staatsbürger […] halbwegs zu funktionieren“ haben (siehe hier) oder zu dieser:

„Ich möchte nicht, dass jemand, der 1500 Euro Grundeinkommen hat und keine Perspektive auf einen Beruf, auf die Idee kommt, fünf Kinder zu kriegen.“ (siehe unsere Kommentare dazu hier und hier)?

Wie bekommt man das unter einen Hut?

Sascha Liebermann