…ein Beitrag von Irene Becker, Expertin auf diesem Gebiet, in den WSI-Mittelungen 2017 (!)
„Deutschland steigt aus“…
…so Alexander Neubacher bei Spiegel Online über das Pilotprojekt von Mein Grundeinkommen. An einer Stelle schreibt er besorgt:
„Nun freue ich mich mit jedem, der seinen Traum lebt, meinetwegen sogar als Mönchsdarsteller auf Mittelaltermärkten. Wenngleich man sich fragt, wer sich um die Kinder im Kindergarten kümmert, seit Michael gekündigt hat.“
Was könnte die Antwort sein, vielleicht Art. 12 GG? Und wäre „Michael“ denn ein guter Erzieher, auch wenn er das gar nicht machen will? Neubacher scheint hier den Von-der-Leyen-Schleckerfrauen-Vorschlag wahlweise auch Von-der-Leyen- Hartz-IV-Bezieher-Vorgschlag wiederbeleben zu wollen. Wie war das noch einmal mit dem Arbeitsmarkt, dort sollen doch Angebot und Nachfrage aufeinander treffen.
Und dann:
Innovativ gegen Grundeinkommen und den „Nanny-Staat“ und für? Den „Nanny-Staat“!
Das #Grundeinkommen ist der falsche Weg. Wir brauchen eine Ökonomie, in der sich alle mit ihren Fähigkeiten einbringen können und nach ihren Bedürfnissen versorgt werden. Ein mit der Gießkanne agierender Nanny-Staat ist der falsche Weg.
— Paul Wassmer (@WassmerPaul) August 18, 2020
Es ist doch immer wieder interessant, welche Einwände gegen ein BGE vorgebracht und welche Alternativen ihm entgegenhalten werden. Der Autor hier will auf keinen Fall einen „Nanny-Staat“, der Inbegriff von Entmündigung und Paternalismus, und was fordert er? Den Nanny-Staat, denn wie sonst sollte erreicht werden, was er anstrebt? Damit sind viele Folgefragen aufgeworfen: wer schüfe diese „Ökonomie“, die es dazu bräuchte? Werden alle Bedürfnisse vollständig abgedeckt und wie werden sie ermittelt? Na, wenn das kein Nanny-Staat wäre.
Sascha Liebermann
„Universal Basic Income: What’s in a Name?“…
…ein Beitrag von Sarah Berger Gonzalez und Juliana Bidadanure auf der Website des Stanford Basic Income Lab. Der Beitrag befasst sich mit der Frage, ob es für die weitere Diskussion und die dann angestrebte Einführung eines UBI/BGE nicht entscheidend wäre, eine einheitliche Bezeichnung zu haben.
Leserbriefe in der Süddeutschen Zeitung – gebündelte Ansichten zum Bedingungslosen Grundeinkommen
„Geld für alle für nix“ – ist die Zugehörigkeit zu einem Gemeinwesen „nix“?
Unendlich viele Artikel und Beiträge zum Bedingungslosen Grundeinkommen nutzen die Gegenüberstellung von Tätigkeit und Nixtun, besser von Ewerbs-Tätigkeit und Nixtun = Faulheit, um deutlich zu machen, worum es beim BGE gehen könnte. Dieser Beitrag in der taz macht dies ebenso, zumindest im Titel, um sogleich in der ersten Zeile ins Spiel zu bringen, dass es um etwas anderes geht: die Existenz einer Person als solches. Im Bericht geht es um eine Feldstudie zum BGE, für die sich Expedition Grundeinkommen (hier ein früherer Kommentar dazu) einsetzt, in Bremen soll sie durchgeführt werden. Die Frage, die sich immer stellt, wenn es um Feldexperimente geht, ist, was soll gezeigt werden? Etwa, dass die Bürger sich nicht in die Hängematte begeben, apathisch werden, sondern ihre „Chancen“ ergreifen? Sind das die Erfolgskriterien? Lässt sich das auf diesem Weg zeigen? Wieviele dürfen in der Hängematte liegen, damit es noch als Erfolg gewertet wird?
Über die Deutung der Ergebnisse entscheidet die politische Debatte, wie es in der Vergangenheit immer war. Dann läge es nahe, die Sache gleich zu einer politischen Angelegenheit zu erheben, zu einer Gestaltungsfrage, über die nach demokratischen Verfahren befunden werden muss. Da entscheidet nicht, was die Bürger tun oder eben nicht, sondern ob sie den Schritt wagen wollen.
Sascha Liebermann
„…we have not found any evidence of a significant reduction in labour supply…“
1/4 „Over 1,200 documents that discuss the UBI/employment relationship have been reviewed… we have not found any evidence of a significant reduction in labour supply; instead we found evidence that labour supply increases globally among adults, men and women, young and old…“
— Karl Widerquist (@KarlWiderquist) September 1, 2020
Widerquist verweist auf die Studie „Is There Empirical Evidence on How the Implementation of a Universal Basic Income (UBI) Affects Labour Supply? A Systematic Review“.
Virginia Woolf on „a fixed income“
Virginia Woolf knew. pic.twitter.com/sgxfds72I4
— Humanity Forward (@HumanityForward) August 31, 2020
Die Passage stammt aus dem Essay „A Room of One’s Own“, S. 57.
Wird darüber nicht schon lange nachgedacht in der Debatte?
Wichtiger Punkt @stefansell : Stromkosten beim ALG II. Übrigens noch so ein Grund, über den Befürworter:innen von BGE-Modellen bzgl. Bedürftigkeit nachdenken sollten.
cc #EconTwitter @EconJena @econ4future @AchimTruger @popp5201 @egghat https://t.co/otfOuPM8mu
— سيباستيان/SeTh (@EconomicEthics) August 31, 2020
Wer vertritt denn in der BGE-Debatte ernsthaft die Position, dass Mehrbedarfe oberhalb des BGE nicht gedeckt werden sollen? Siehe auch meinen Beitrag hier.
Sascha Liebermann
Gutverdienende habe es nicht leicht, denn…
…so Markus Hertwig, Professor für Soziologie an der TU-Chemnitz es sei „der Bevölkerung kaum zu vermitteln, aus welchem Grund Gutverdienende noch ein Extra-Einkommen erhalten sollen“, was ja mit einem Bedingungslosen Grundeinkommen der Fall wäre. Eine schwerwiegende Einschätzung, aber würde er deswegen denn für die Abschaffung auch seines Grundfreibetrags in der Einkommensteuer plädieren, der ja dann letztlich auch ungerecht sei? Und hat er schon davon gehört, dass dieser Freibetrag sich aus der Gewährung des Existenzminimums als Mindesteinkommen ableitet, insofern also nur aufzuheben wäre, wenn auch das Existenzminimum aufgehoben würde. Davon ist in der Pressemitteilung leider nichts zu lesen.
Sascha Liebermann