„Die Arbeitsgesellschaft ist faktisch tot“ – Andre Gorz und seine Ambivalenz gegenüber einem garantierten Grundeinkommen…

…ist deutlich zu erkennen in einem Interview aus dem Jahr 1994, das Martin Kempe geführt hat. Interessant ist das Interview auch als historisches Dokument, das Einblick in damalige Diskussionen gibt, die teils noch aktuell sind. Was sagt Gorz zum Grundeinkommen?

„[Kempe] Wäre ein Grundeinkommen oder Bürgerlohn nicht viel einfacher als Ihr „zweiter Scheck“?

[Gorz]: Weder einfacher noch gerechter. Gegen das bedingungslose Grundeinkommen, das jetzt auch Scharpf und Mitschke [Wirtschaftsberater der SPD, d. R.] propagieren, habe ich immer folgendes eingewendet: Wenn es zu niedrig ist, erlaubt es allen möglichen Profiteuren, in Deutschland chinesische oder ukrainische Löhne für irgendwelche Drecksarbeiten zu zahlen, denn zwei Mark pro Stunde sind ja „besser als nichts“ und ohnehin nur ein „Zusatzeinkommen“. Man subventioniert also nicht die Arbeit, sondern die widerlichsten Ausbeuter. Und wenn das garantierte Grundeinkommen wirklich ausreichend ist, subventioniert und ermutigt man damit die Weigerung, überhaupt etwas zu tun. Man erlaubt dadurch den Arbeitgebern, die ganze notwendige Arbeit den Hochleistern vorzubehalten – die anderen können zu Hause bleiben oder Fußball spielen. In beiden Fällen spaltet sich die Dualgesellschaft immer tiefer. Da finde ich das dänische Modell von Frederickshavn interessanter: gesichertes ausreichendes Normaleinkommen und Pflicht zu einem begrenzten Quantum gesellschaftlich wertvoller Arbeit, die auch selbstbestimmt sein kann und den persönlichen Fähigkeiten und Neigungen Rechnung trägt.“

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„Garantiertes Grundeinkommen und (Sozial-)Rechtsordnung“…

…ein Auszug aus einem Beitrag von Prof. Dr. Wolfgang Spellbrink auf der Website von Wolters Kluwer.

Der Autor ist ehemaliger Vorsitzender Richter am Bundessozialgericht. Es überrascht angesichts dieser Expertise, welche Verkürzungen allein der Auszug enthält, vielleicht werden diese im Gesamtartikel wieder relativiert, das kann ich allerdings noch nicht beurteilen.

Stellvertretend für die Diskussion verweist der Autor zuerst auf zwei der medial mit am bekanntesten Befürworter, Richard David Precht und Götz W. Werner, Verweise auf Fachliteratur tauchen nicht auf, warum nicht? Precht ist auf einen fahrenden Zug aufgesprungen, den er zuvor noch in gewisser Weise belächelt hatte, Werner hingegen war ein Befürworter der ersten Stunde, zumindest der jüngeren Debatte seit 2004, und Unternehmer.

Spellbrink schreibt:

„Unabhängig von den Ausprägungen im Detail und den unterschiedlichsten normativen und gesellschaftspolitischen Vorstellungen weisen alle Ansätze eines garantierten Grundeinkommens die folgenden Gemeinsamkeiten auf:“

Damit charakterisiert er also verallgemeinernd, was die Vorschläge auszeichnet, schauen wir es uns an:

„Jeder Bürger des Gemeinwesens erhält einen bestimmten Grundbetrag ausbezahlt, der grundsätzlich für alle Beteiligten gleich hoch ist. Manche Modelle differenzieren noch nach Altersgruppen (Kinder erhalten weniger; Senioren mehr) – manche wollen nur pro Bürger einmalig einen hohen Gesamtbetrag auszahlen – aber zumeist handelt es sich um eine regelmäßige/monatliche Zuwendung.“

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„Laumann über Armut: ‚Es gibt ganz schlaue Leute, die kotzen mich an'“…

…mit diesen Worten wird Karl-Josef Laumann im WDR zitiert, und zwar aus einer Rede, die er im Landtag Nordrhein Westfalens zu Armut gehalten hat. Dort sagte er unter anderem dies:

„Und dann gibt es ganz schlaue Leute, die kotzen mich an, die sagen: ‚Wenn Du armen Leuten mehr Geld gibst, dann versaufen und verrauchen die das und geben es nicht den Kindern.‘ Er kenne keine einzige Statistik oder Studie, die das belegt.“

Klare Worte, in der Tat, vielleicht müsste noch abgewartet werden, was er in der Rede sonst sagte. Was folgt zumindest aus diesen Worten? Laumann hatte einst, als er noch Arbeitsminister in Nordrhein Westfalen war, einen ganz anderen Ton angeschlagen, zumindest gegenüber erwachsenen Beziehern der Grundsicherung für Arbeitsuchende. So zitierte Stefan Sell damals:

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„BGE Experimente sind normativ nichtssagend“…

…, wie BGE Eisenach treffend schreibt, sie sind allerdings noch mehr: Feldexperimente wollen etwas überprüfen, das zu den Existenzbedingungen westlich-liberaler Demokratien gehört, die Selbstbestimmung der Bürger, ihre Mündigkeit – diese Voraussetzungen sind unverfügbar. Es handelt sich dabei nicht um idealisierte oder verklärte Voraussetzungen, es sind reale.

Feldexperimente (siehe hier und hier) laufen letztlich auf einen Bürger-TÜV hinaus und machen den Status der Bürger von der Deutung der Ergebnisse des Experimentes abhängig. Damit graben sie der Demokratie das Wasser ab, und zwar auf subtile Weise, die eher schleichend wirkt, letztlich ein technokratisches Demokratieverständnis erkennen lässt. Wer klären will, ob es ein BGE geben soll oder nicht, muss das über die Willensbildung tun.

Sascha Liebermann

„Mehr Gleichheit wagen“…

…so der Titel eines Beitrags von Thomas Piketty in den Blättern für deutsche und internationale Politik. Darin findet sich ein Abschnitt, in dem er „über die Grenzen des existierenden Sozialstaates hinausdenken“ will. Eine Steuerpolitik mit einer stärkeren Progression bei Einkommen und Vermögen ist für ihn ein wichtiges Instrument, das er mit einem „Grundeinkommen“ kombinieren will, das effektiv ist. Was aber meint er damit? „An zahlreichen Unzulänglichkeiten, die insbesondere ihre Zugänglichkeit für Jüngere und Studierende, aber auch für Obdachlose oder Menschen ohne Bankkonto betreffen, leiden auch die derzeit in den meisten europäischen Ländern geltenden Grundeinkommenssysteme. Im Übrigen ist es entscheidend, das Grundeinkommen auf Personen mit niedrigen Löhnen und Erwerbseinkommen auszudehnen und wie im Fall der progressiven Steuer (die ebenfalls an der Quelle erhoben wird) mit einem System der automatischen, also nicht mehr eigens zu beantragenden, Auszahlung über die Lohnabrechnung zu verbinden. Der bescheidene Betrag, der für das Grundeinkommen vorgesehen ist und im Allgemeinen zwischen der Hälfte und drei Vierteln des Mindestlohns liegt, kann freilich, um auch das zu betonen, bloß eine partielle Waffe im Kampf gegen Ungleichheiten sein. Er taugt dazu, eine Untergrenze festzusetzen, und das ist entscheidend – unter der Bedingung, dass es nicht dabei bleibt.“ (In der Fußnote, die auf diesen Abschnitt folgt, schreibt er: „Dieses System erlaubt es darüber hinaus, den Lohnstatus zu verteidigen und der Zersplitterung der Arbeit entgegenzuwirken.“)

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Allerdings,…

…der Arbeits-„Markt“ kann nicht gewährleisten, dass die Existenzsicherung nicht zur Disposition steht. Deswegen muss sie anders gewährleistet werden.

Sascha Liebermann

„Leistung müsse sich lohnen“