Standardisierte Befragungen vs. Forschungsgespräche

Auf diese Differenz weist der Beitrag hier hin, der auf ein Gespräch zwischen Hartmut Rosa und Steffen Mau in der Süddeutschen Zeitung zurückgeht. So treffend der Hinweis ist, dass es einen erheblichen Unterschied macht, ob man Antwortskalen bzw. vordefinierte Antworten Gesprächspartner vorlegt und aus deren Angaben dann Schlüsse zieht oder deren Ausführungen in ihrer konkreten Gestalt untersucht, wie es in ausführlichen Forschungsgesprächen möglich ist, so wenig erschöpft sich letzteres in „ja, aber“-Konstruktionen. Forschungsgespräche geben einen viel detaillierteren Einblick nicht nur in die Denkwelt einer Person, sondern auch in ihre Haltung zur Welt, die sich in den Äußerungen manifestiert. In der öffentlichen Diskussion spielen solche Daten leider eine viel zu geringe Rolle, in der sozialwissenschaftlichen Forschung sind sie zwar etabliert, machen aber auch den kleineren Teil der Forschung aus.

Sascha Liebermann

Auf welcher Basis Politik machen?

Schieritz weist zurecht darauf hin, dass es hier zwei Optionen gibt: Entweder orientiert man politisches Handeln an Stimmungen, ganz gleich ob ihnen eine Realität entspricht, oder man orientiert sich an der Realität, nimmt die Stimmungen ernst und versucht darüber aufzuklären, wo die Stimmungen Vorurteile oder Wahrnehmungsverzerrungen beinhalten. Die Debatte um das Bürgergeld und den Vergleich zu Erwerbseinkommen wäre ein solcher Fall, in dem Aufklärung not tut bzw. tat und die dann auch erfolgte. Letztlich wird man Veränderungen nur entlang möglicher Mehrheiten erreichen können, doch wie sie zustandekommen, ist damit nicht festgelegt. Die Bedeutung guter, aufklärender Argumente sollte man nicht unterschätzen, ebensowenig die Verantwortung keine Stimmungen durch Abwertung anderer anzufachen.

Meinungsumfragen, wie die Allensbacher Studie hier, sollte man ohnehin nicht so hoch aufhängen, Meinungen schwanken stark, Wahlergebnisse sind maßgeblich. Wer über die Sorgen oder Vorschläge der Bürger etwas wissen will, sollte das Gespräch mit ihnen suchen, wer das erforschen will, Forschungsgespräche (nicht-standardisierte Interviews. z.B. hier) statt standardisierte Befragungen durchführen und auswerten.

Sascha Liebermann

„Was machen die eigentlich“…

…so lautet der Titel des Beitrags von Anna Mayr und Mark Schieritz (Bezahlschranke) auf Zeit Online zur Diskussion um das Bürgergeld, die Gründe für den Leistungsbezug und Problemlagen der Bezieher, die in der öffentlichen Debatte häufig übergangen werden.

Die (nicht neue) Aufschlüsselung der Zahlen zum Bürgergeldbezug, die die Autoren vornehmen, zerschlägt schon einmal viele Vorurteile, die kursieren, das ist hilfreich – auch wenn sie fortbestehen mögen, die Vorurteile. Auf das vermeintliche Missverhältnis offener Erwerbsarbeitsplätze und erwerbsfähiger Leistungsbezieher wird eingegangen, so dass deutlich wird, weshalb beide Seiten nicht einfach miteinander verglichen werden sollten.

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„Lohnt sich die Arbeitsaufnahme“…

…Mark Schieritz kommentiert eine jüngst erschienene Studie des ifo-Instituts. Einer der Verfasser kommentiert den Kommentar wiederum, um Missverständnisse auszuräumen:

Hier die Antwort zu Schieritz‘ Kommentar von Andreas Peichl:

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„Zugehörigkeit“ und „Nutzen“…

…ist es aber nicht gerade der Vorrang von Erwerbstätigkeit, der genau Moment der Desintegrationsdynamik ist? Zugehörigkeit im Sinne vollumfänglicher Rechte und eines entsprechenden Status hat man in einer modernen Demokratie zuallererst durch Staatsbürgerschaft. Dadurch wird der entscheidende „Zusammenhalt“ zum Ausdruck gebracht und befestigt, sie ist die stärkste Form der Inklusion oder auch Integration. Ein entsprechender Sozialstaat müsste also diese Zugehörigkeit zum Ausgangspunkt der Einkommenssicherung machen, das widerspricht jedoch dem Vorrang von Erwerbstätigkeit, der unseren Sozialstaat regiert.

Sascha Liebermann

Grundeinkommen und Landwirtschaft

Siehe dazu auch diese Beiträge von uns hier und hier.

Die Unterhaltsfrage…

…stellte sich anders, so ist es. Siehe meine früheren Kommentare dazu hier, die in meinem Buch publizierte Fassung hier.

Sascha Liebermann

20 Jahre Initiative Freiheit statt Vollbeschäftigung,…

…wenn uns das damals jemand vorhergesagt hätte, wie lange wir uns einst engagieren würden, um die Diskussion zum Bedingungslosen Grundeinkommen (BGE) zu fördern, hätten wir wohl eher abgewunken, denn so weit voraus dachten wir gar nicht, vor allem nicht, dass die öffentliche Diskussion eine so zähe Angelegenheit sein würde – in den Debatten, ja geradezu Ausfälligkeiten gegenüber dem „Bürgergeld“ scheint wieder aufzuleben, was man eigentlich für vergangen halten musste. Zugleich wäre es nicht verwegen in unseren Augen, wenn man behauptet, die öffentliche Auseinandersetzung um ein BGE habe einen wichtigen Beitrag dazu geleistet, zumindest zaghafte Schritte zu eröffnen, die Schärfen von „Hartz IV“ zu mildern.

Bevor wir im Dezember 2003 (hier geht es zu den Plakaten) mit einer Plakataktion in Frankfurt am Main an die Öffentlichkeit traten, es war die Hochzeit der Diskussion um die Agenda 2010, mussten wir zuerst einmal überlegen, wie wir vorgehen wollen, das betraf sowohl die Thesen bzw. Argumente als auch die Form, in der sie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollten. Um die Thesen mussten wir lange ringen – die knappe Form, die Zuspitzung, waren ein Prüfstein. Die unbefangenen Blicke anderer, die unvoreingenommen darauf schauten, gaben uns hilfreiche Anmerkungen.

Internetseiten waren damals im Kommen, also griffen wir dazu, zumal es die Möglichkeit bot, auf einfache Weise unsere Überlegungen zu verbreiten. Zu Beginn war sie recht leer, über uns selbst erfuhr man nichts, all das kam mit der Zeit, durchaus auf Anregung anderer, wie auch der Blog erst viel später gestartet (2006) und noch einiges später regelmäßig genutzt wurde, das sieht man an der Beitragsmenge in den jeweiligen Jahren (siehe hier). Gerade in den ersten beiden Jahren war der Aufwand für uns erheblich, denn zum einen sollte der Vorschlag Verbreitung finden, die Aktionen mussten geplant und vor allem, als Folge der Aktionen, die Korrespondenz erledigt werden, das große Interesse überraschte uns. Klar war uns allerdings, dass das nicht ausreicht, es musste eine Auseinandersetzung im öffentlichen Raum stattfinden, entsprechend mussten die Thesen eben dort anzutreffen sein. So kamen wir auf die Idee, Plakate dafür einzusetzen und sie auf Mietflächen anbringen zu lassen, zuerst in Frankfurt am Main, dann in anderen Städten, später kamen noch Fensteraufkleber für U- und Straßenbahnen dazu.

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Ist die Frage nach der Finanzierbarkeit das „wichtigste Argument“ gegen ein BGE?

Marcel Fratzschers Beitrag erschien auf Zeit Online. Er behauptet darin folgendes:

„Das wohl wichtigste Argument dagegen [gegen das BGE, SL] ist die Finanzierbarkeit: Die notwendigen Steuererhöhungen würden das Land in den wirtschaftlichen Ruin treiben.“

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