„My Second Thoughts About Universal Basic Income“…

…ein Beitrag von Tyler Cowen, der so schließt: „Unfortunately, I don’t have a good answer for how to get there, but I worry that permanent subsidies for those who don’t work wouldn’t lead toward solutions. That means effective safety-net policies will continue to be messy and complex. Although the universal basic income idea sounds like a good direct fix, it probably leads in the wrong direction.“

Forscher empfehlen Entschärfung von Hartz-IV-Sanktionen – sprach denn je etwas dafür?

Report Mainz berichtete als erstes darüber, nun werden die Befunde einer Studie des Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) aufgegriffen – siehe Berliner Zeitung, neues deutschland – und die Aufhebung von Sanktionen im Sozialgesetzbuch gefordert. Dass die Studie neue Details zutagefördert, mag der Fall sein, doch aus dem IAB gab es schon früher Hinweise auf die Problematik, siehe hier und hier. Doch gab es denn je empirische Belege dafür, dass Sanktionen überhaupt etwas bewirken, geschweige denn die für die ihnen zugrundeliegende Behauptung einer Armutsfalle? Es haben sich schon früher Forscher mit dieser Behauptung beschäftigt und belegt, dass in der Realität ihr nichts entspricht. Hier sind einige Arbeiten, die sich mit dem Theorem beschäftigen:

Forscher empfehlen Entschärfung von Hartz-IV-Sanktionen – sprach denn je etwas dafür? weiterlesen

Volksabstimmung oder Volksabstimmung?! – Ein Nachtrag zur Diskussion bei „hart aber fair“

Volksabstimmung ist nicht gleich Volksabstimmung auf diese einfache Formel brachte es der Politikwissenschaftler Werner Patzelt in der Diskussionsrunde bei hart aber fair, auf die wir kürzlich hingewiesen haben. In der Sendung wurde kaum differenziert, worüber gesprochen wurde, wenn die Begriffe Volksentscheid, -begehren, -gesetzgebung munter durcheinanderflogen. Folglich wusste man bis zum Schluss nicht, was denn nun genau die Diskutanten befürworteten bzw. ablehnten. Auf der einen Seite konnte man überrascht sein, dass in Gestalt von Markus Söder (CSU), dem bayrischen Staatsminister für Finanzen, ein ausgesprochener Befüworter von Volksabstimmungen zu erkennen war. Auf der anderen Seite wiederum konnte erstaunen, mit welchen Vorbehalten der frühere Befürworter Wolfgang Kubicki (FDP) sich gegen Volksabstimmungen aussprach. Er sah die Gefahr, dass mit Stimmungen Entscheidungen herbeigeführt werden könnten – siehe Brexit in seinen Augen – und so die Haltung „wir wollen’s denen dann mal zeigen“ schlussendlich „das arme britische volk […] mit dieser entscheidung“ – allein lasse. Wenn er Bedenken äußerte, zu welchen Konflikten Volksabstimmungen führen könnte, argumentierte er ausschließlich juristisch, nannte das Beispiel der Schweizer Massenzuwanderungsinitiative. Leicht empört verwies er darauf, dass sich die ja gegen Deutsche richtete. Plasberg verwiest zurecht darauf, dass wir dort eben Ausländer seien, Kubicki hingegen hob die Gemeinschaften aufgrund der Sprachen hervor. Was die politische Kultur betrifft, sind die Unterschiede zwischen Deutschland und der Schweiz allerdings erheblich.

Es durfte in dieser Sendung die gute alte Meinungsumfrage nicht fehlten, derzufolge angeblich 71% für Volksabstimmung im Allgemeinen, 53% für Volksabstimmung über Flüchtlingspolitik seien. Doch ihre Aussagekraft ist gering, siehe frühere Kommentare dazu hier und hier.

Es lohnt, um die Diskussion besser einschätzen zu können, ein genauer Blick auf Formulierungen. Sehr klar war Werner Patzelt in seiner Haltung, der die Chance von Volksabstimmungen sah, differenziert auf die Unterschiede zwischen verschiedenen Formen hinwies, wie auch darauf, dass direkte und repräsentative Demokratie keineswegs gegeneinanderstehen. Was aber sagte Markus Söder als Befürworter genau?

Mehrfach wies er darauf hin, man müsse ja nicht über alles abstimmen, Volksabstimmungen dürften nicht inflationär gebraucht werden – warum so zögerlich, darüber würde doch das Volk selbst befinden müssen, wenn das Instrument eingeführt wäre? Wichtige Fragen aber sollten Gegenstand sein. Nimmt man Schweizer Referenden und das Instrument der Volksinitiative als Vorbild, dann kann bzw. muss ein Referendum von verschiedenen Seiten initiiert werden. Die Volksinitiative zum BGE ging von Bürgern aus, die Unterschriften gesammelt haben, und hatte zum Ziel, die Schweizer Bundesverfassung zu ändern. Söder sprach mehrfach davon, das Volk zu „beteiligen“, so als würde die Regierung oder das Parlament eine Frage an das Volk richten. Das klang wie eine großzügige Geste und nicht wie ein dem Souverän verpflichtetes Verfahren. Denn den Souverän muss bzw. kann man nicht „beteiligen“, er ist immer schon beteiligt, weil er die Geltungsquelle politischer Ordnung darstellt (GG, Art.20 (2) „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“). Will man den Souverän veralbern oder zeigen, wie wenig ernst es einem ist, spricht man sich für „Bürgerbeteiligungen“ aus, die zwar so tun, als gäbe es mehr Mitgestaltung, tatsächlich aber sind sie unverbindlich, weil die Bürger nichts entscheiden in solchen Verfahren.

Bettina Gaus äußerte sich differenziert, wollte auch nicht die behaupteten Gefahren teilen, die manche mit Volksabstimmungen verbanden. In ihren Augen sind sie auf Bundesebene nicht das richtige Instrument, wenn es um komplexe Entscheidungen ging. Darauf entgegnete Söder, dass aber auch Wahlen komplex seien und die Bürger darin ebenso Stellung beziehen müssten. Hinzugefügt werden könnte noch, dass gerade Volksabstimmungen dahin drängen würden, solch komplexe Fragen stärker einer differenzierten Erörterung in der Öffentlichkeit zuzuführen. Denn letztlich geht es nicht zuerst um technische Fragen nach der optimalen Lösung, es geht um die Frage, in welche Richtung eine Lösung führen soll. Womöglich hätte eine Volksabstimmung in Deutschland dazu geführt, härtere Konsequenzen aus der Finanzkrise zu ziehen, z. B. ernsthafter über eine Trennung von Investmenbanking und Kreditvergabe nachzudenken, um die Verantwortung für Spekulationsgeschäfte ganz auf diejenigen zu übertragen, die sie tätigen, ohne dass die Bürger am Ende die Lasten tragen müssen.

Was ist nun also gewollt von Befürwortern wie Markus Söder, Volksabstimmungen mit Initiativrecht, wie sie in der Schweiz praktiziert werden oder nur eine selektive Nutzung dieser Instrumente direkter Demokratie?

Sascha Liebermann

Will Andrea Nahles den Grundfreibetrag in der Einkommensteuer abschaffen?…

…darauf müsste sie hinwirken, wenn man ihre Antwort im „Bürgerdialog. Gut leben in Deutschland. Was uns wichtig ist“ ernst nimmt. Wer der Auffassung ist, dass mit einem BGE „Millionen Menschen staatliche Leistungen bekommen sollen, die sie gar nicht brauchen“, der kann am Grundfreibetrag (siehe frühere Kommentare von mir dazu hier und hier), der sich aus dem allgemeinen Existenzminimum herleitet, nicht festhalten.

Hier die Passage aus dem Blog, in dem Andrea Nahles geantwortet hat.

„Sandra78 fordert ein bedingungsloses Grundeinkommen. Damit gäbe es z. B. auch eine Chance, die ländlichen Regionen Deutschlands wiederzubeleben. Auch Rainers findet: „Die Einführung eines Grundeinkommens würde die Menschen von finanziellen Ängsten befreien. Wenn die Grundbedürfnisse gedeckt sind, dann werden die Menschen kreativ sein und mehr für die Gesellschaft leisten.“ Wie stehen Sie zum bedingungslosen Grundeinkommen?

Andrea Nahles: Das bedingungslose Grundeinkommen steht im klarem Widerspruch zu unserem solidarischen Sozialstaat, in dem Bürgerinnen und Bürger füreinander einstehen – Gesunde für Kranke und Pflegebedürftige, Junge für Alte, Arbeitende für Arbeitsuchende. Hinter unserem Modell der Sozialversicherung steht der Gedanke von Geben und Nehmen, der Gedanke also, dass man sich mit eigenem solidarischem Handeln den Anspruch erwirbt, selbst solidarische Unterstützung einzufordern. Man kann ein Sozialsystem nicht gegen das Gerechtigkeitsempfinden der Mehrheit der Bevölkerung organisieren. Wer erklärt denjenigen, die im Schweiße ihres Angesichts hart arbeiten, Steuern zahlen und mit ihrem Einkommen gerade so über die Runden kommen, dass Millionen Menschen staatliche Leistungen bekommen sollen, die sie gar nicht brauchen?“

Zu Nahles Haltung und ihrem Verständnis davon, dass Bürger füreinander einstehen, darf ich auf einen früheren Kommentar verweisen.

Sascha Liebermann

„Volksabstimmungen für alle“…

…eine Diskussionsrunde bei hart aber fair mit einer irreführenden Ankündigung.

Auf der Website der Sendung finden sich informative Hinweise. Deutlich machen sie, sehr klar ist das auf der Seite der Schweizer Bundesverwaltung, dass repräsentative und direkte Demokratie nicht gegeneinanderstehen, wie so oft suggeriert wird. Auch sind Volksabstimmungen nicht einfach JA-NEIN-Entscheidungen, sondern Entscheidungen über einen formulierten Vorschlag, der abgelehnt oder dem zugestimmt wird. Bei Zustimmung sind Regierung und Parlament mit der Umsetzung beauftragt. In der Schweiz werden die meisten Gesetze vom Parlament erlassen und nicht über Volksabstimmungen auf den Weg gebracht. Die Schweizer können aber gegen Parlaments- Kantons- und Gemeindeentscheidungen Referendum ergreifen. 

Mehr Demokratie e.V. hat eine Übersicht zur Haltung der deutschen Parteien zur Volksabstimmung auf Bundesebene angefertigt und zugleich nachgefragt, wie sie dazu stehen. Die Antworten sind interessant und vielschichtig. Die meisten, bis auf die CDU, befürworten Volksabstimmungen in der einen oder anderen Form.
Auf die überraschenden Positionsverschiebungen im Verhältnis zu früheren Diskussionen über Volksabstimmungen hat Frank Lübberding in seinem Kommentar zur Sendung hingewiesen.

Sascha Liebermann