Befürworter eines BGE – mit Rechtsextremisten vergleichbar?

Diesen Vorwurf erhob laut zweier Berichte (einer hier, der andere hier) Christoph Butterwegge anlässlich einer Diskussionsveranstaltung in Frankfurt am Main gegen Befürworter eines Bedingungslosen Grundeinkommens. Zuerst hatte er sie – laut der Berichte – mit Rechtsextremisten verglichen, angesichts der Empörung im Publikum dann erklärt, er habe das nur als Vergleich benutzt, um die Verbohrtheit aufzuzeigen. Beispiele werden allerdings nicht einfach so gewählt, sie sprechen für denjenigen, der sie heranzieht. Es ist in der Diskussion nichts Neues, dass Befürworter eines BGE mit Heilspredigern oder Evangelikalen verglichen werden, Butterwegges Äußerung wäre eine Verunglimpfung, die auf ihn selbst zurückfällt. Er reiht sich damit in Äußerungen anderer ein, die jüngst eine Nähe eines BGE zu Populismus und AfD hergestellt hatten.

Diese Entgleisung entspricht Erfahrungen, die ich mit ihm bei einer Diskussion über ein BGE gemacht habe. Eine sachliche Auseinandersetzung lässt sich so jedenfalls nicht führen.

Sascha Liebermann

Freiheit ohne Demokratie? Eine Kontroverse anlässlich einer Twitter-Nachricht

Dieser Kommentar von Holger Schäfer, Institut der deutschen Wirtschaft, reagiert auf einen Tweet von Wolfgang Strengmann-Kuhn. Auf den Kommentar von Schäfer reagiert Timo Bahrs. Es werden hierbei zwei Deutungen von Freiheit artikuliert, die auf Wertpositionen beruhen, in der Diskussion geht es um das Menschenbild. Sie stehen gegeneinander. Keiner von beiden stellt die Frage, auf welchem Menschenbild die Demokratie beruht, dann würde nämlich deutlich, dass Reziprozität nicht im engen Sinn alleine verstanden werden kann (do ut des), wie Schäfer aber behauptet, sondern im weiten einer bedingungslosen Anerkennung als Angehöriger einer politischen Vergemeinschaftung verstanden werden muss. Diese Anerkennung kann sich dann eben auch in einer vorbehaltlosen Sicherung des Existenzminimums ausdrücken, wie ein BGE es vorsieht. Hier vertritt Schäfer die Position, als sei Einkommen, das letztlich ein Anteil an der gesamtwirktschaftlichen Wertschöpfung ist (Bruttoinlandsprodukt), nicht vermittelt über Kollektivleistungen, sondern der Eigenverantwortung des Einzelnen zuzuschreiben. Das ist eine Deutung, die auch der illusionären Deutung des Lohns als Leistungslohn zugrundeliegt. Wenn nun aber zuftrifft, dass Individualleistung immer zugleich von Kollektivleistung abhängt, stellt sich die Frage, wie diese Kollektivleistung verteilt wird und mit Bezugnahme auf welches Legitimationskritierium. Von der Warte einer demokratischen politischen Grundordnung ist das Existenzminimum, ganz gleich, wie das in der Höhe definiert wid, ein Anteil an der Wertschöpfung, der auf alle Bürger als Bürger verteilt wird – und das ohne bedürftig zu sein.

Wenn man das allerdings als Ideologie bezeichnet (das tat einst Sebastian Lotz, ein ehemaliger Kollege Schäfers am IW), also die Bezugnahme auf Prinzipien der politischen Ordnung für Ideologie hält (siehe hier und hier), ist die Relevanz eines BGE nicht zu erkennen. Zu Schäfers Haltung, siehe auch den Beitrag von gestern.

Sascha Liebermann

„Karlsruhe prüft Hungerstrafen“ – Sanktionen vor dem Bundesverfassungsgericht

Darüber berichtet Susan Bonath in junge Welt, in anderen Zeitungen wie der Frankfurter Allgemeinen Zeitung war dies ebenfalls zu lesen. Die Anrufung des Bundesverfassungsgerichts ist schon lange anhängig (siehe hier). Manche hoffen darauf, dass damit die Sanktionierung von Leistungsbeziehern im Arbeitslosengeld II ein Ende haben könnte, darauf würde ich nicht wetten. Ganz gleich wie das Bundesverfassungsgericht entscheidet, wäre damit die politische Frage, ob Sanktionen, die das Existenzminimum betreffen, einer Demokratie angemessen sind, nicht vom Tisch.

Sascha Liebermann

„Die SPD – Partei der Arbeit oder der Arbeitslosen?“…

…ein Beitrag von Florian Gerster, ehemals Vorstandsvorsitzender der Bundesagentur für Arbeit, in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Gerster zitiert teils aus dem Protokoll des Bundesparteitags der SPD 2003, um deutlich zu machen, wie groß die Unterstützung für die Agenda-Politik in der SPD, auch im Parteivorstand, war.

Wie ist der Duktus von Gersters Beitrag? Weitgehend ein Jubeltext auf die Reformen, der mit solchen Beispielen arbeitet:

„Wer Grundsicherungsleistungen für Kinder kritisiert, kritisiert Armutsbekämpfung. Wer Sanktionen zur Vermeidung von Sozialleistungsmissbrauch bekämpft, begünstigt auch das Treiben von Großfamilien vom Balkan, die sich im deutschen Sozial- und Arbeitsrecht bestens auskennen.“

Was die SPD jüngst als Sozialstaatsreform in die Diskussion warf, bezeichnet Gerster zurecht als Wortgeklingel. Es wird mit Begriffen wie „Bürgergeld“ gegen Bedingungsloses Grundeinkommen hantiert, um doch letztlich beim Alten in modifizierter Form zu bleiben.

Sascha Liebermann

„Die Sträflinge der Arbeitsgesellschaft“…

…ein Beitrag von Gabriela Simon in der taz aus dem Jahr 1998.

Manches klingt wie aus der heutigen Grundeinkommensdiskussion, anderes ist vorausweisend auf die Verschärfung der Sozialgesetzgebung, wiederum anderes zeigt, dass die Begründung eines BGE mit der Nicht-Verfügbarkeit von Arbeit für alle nicht allzu weit führt.

Im Beitrag heißt es unter anderem:

„Arbeitslose haben diese Unschuld verloren, und so ist ihr (erzwungenes) Fernbleiben von der Erwerbsarbeit – im Unterschied zu dem der Hausfrauen, Rentner oder Vermögenden – immer illegitim, eine Schuld, die abzutragen ist, wenngleich der Weg dazu versperrt ist.“

Wie sich die Zeiten geändert haben, denn Hausfrau zu sein, ist heute der Inbegriff von Rückständigkeit, worin zugleich eine Verachtung der Haushaltstätigkeiten zum Ausdruck kommt. Gefeiert wird die „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ als ultimatives Ziel, obgleich es hilfreich wäre, ihre Nicht-Vereinbarkeit anzuerkennen, um sich darüber klar zu werden, dass die Spannung zwischen beiden Sphären nicht aufgehoben werden kann.

„Die Sträflinge der Arbeitsgesellschaft“… weiterlesen