Bedingungsloses Grundeinkommen passt mit der Mentalität in Deutschland nicht zusammen…

…meinte sinngemäß Ulrich Schneider vom Paritätischen Wohlfahrtsverband in einer Diskussionrunde bei Phoenix. Michael Eilfort, Stiftung Marktwirtschaft, war der Auffassung, dass „wir“ ein BGE angesichts der Vorstellung von Einzelfallgerechtigkeit in Deutschland keine drei Wochen aushalten würden. Es sei die dümmste Idee, die es je gegeben habe (fällt vielleicht auf den zurück, der es äußert). In Deutschland sei die Einzelfallgerechtigkeit wichtig, man stelle sich vor, was ein BGE für jemanden mit Behinderung bedeuten würde – Eilfort unterstellt, es gäbe dann keine bedarfsgeprüften Leistungen mehr. Dass der Charakter der Bedarfsprüfung sich mit einem BGE auch ändern würde, weil dann Autonomiebewahrung im Zentrum stünde und nicht Erwerbsfähigkeit oder Ausgleich der Folgen von Nicht-Erwerbsfähigkeit, sieht er nicht. Schneider zumindest attestiert dem BGE, ein sympathisches Konzept zu sein, da es nicht von der Faulheit des Menschen ausgehe, doch müssten Milliarden umgewidmet werden, um es zu finanzieren, das wäre ein kompliziertes Verfahren. Der Sozialstaat sei doch eine Errungenschaft – was kein Argument gegen, sondern eines für seine Fortentwicklung wäre mit BGE.
Phoenix sendete diese Diskussion am 23. März unter dem Titel „Streit um Hartz IV – Was muss der Staat leisten? Was meinen Sie?“. Die ganze Sendung bei youtube finden Sie hier, bei Phoenix hier. Zur Haltung der Stiftung Marktwirtschaft zum BGE siehe auch hier.

Sascha Liebermann

„Was für eine Ärztin bin ich bloß geworden?“…

…und was würde sie wohl machen, wenn es ein Bedingungsloses Grundeinkommen gäbe? Würde Sie sich das weiter gefallen lassen? Würde Sie resoluter dafür kämpfen können, dass Zeit für Patienten entscheidend ist und nicht die Behandlungszahl? Siehe den Beitrag bei Spiegel online über den Tagesablauf einer jungen Ärztin. Siehe auch hier.

„Ich bin Hausfrau. Na und?“…

…ein Beitrag von Dörthe Zimmermann in der taz, der differenziert herausarbeitet, was es heißt, Hausfrau oder -mann zu sein (was heute nicht selten durch „Familienarbeiter“ ersetzt wird) und wie wenig wir heute dafür tun, dass diese Aufgaben ohne die Predigt, wie wichtig Erwerbstätigkeit sei, übernommen werden können. Um so mehr verwundert, dass die Autorin zwar das Bedingungslose Grundeinkommen in einem Nebensatz dahinschmeißt, aber offenbar seine Tragweite nicht erkannt hat. Es wäre eben gerade keine Bezahlung, die zur Vermarktlichung von Familie führte, es wäre eine Ermöglichungspauschale, das tun zu können, was für wichtig und richtig erachtet wird – durch ein BGE wäre es normativ erwünscht. Mehr nicht, weniger auch nicht.

Sascha Liebermann

„Das bedingungslose Grundeinkommen kann nur in einer privilegierten Gesellschaft funktionieren“…

…sagte Andrea Komlosy, Professorin für Wirtschafts- und Sozialgeschichte, im Interview mit dem Wiener Standard unter dem Titel „Atypische Arbeit ist heute typisch“. Darin finden sich einige interessante Überlegungen wie die folgende und eine Bemerkung zum BGE:

„STANDARD: Warum ist es wichtig, den Arbeitsbegriff zu erweitern, wie Sie es vorschlagen?
Komlosy: Wenn Arbeit nur als Erwerbsarbeit gilt, die noch dazu mit sozialer Absicherung verbunden ist, dann rutschen alle, die nicht dieser Norm entsprechen, durch. Menschen in unsicheren oder unbezahlten Arbeitsverhältnissen wird so Nichtarbeit unterstellt. Würde man sich angesichts der aktuellen Lage an diesem Arbeitsbegriff festhalten, würden demnach nur sehr wenige arbeiten, weil der Großteil nicht mehr typisch arbeitet, sondern atypisch. Wobei heute das Atypische typisch geworden ist.“

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„Die Lüge von der Leistungsgesellschaft“ und eine schwache Bemerkung zum Bedingungslosen Grundeinkommen…

…dazu äußerte sich in der Wirtschaftswoche Dieter Schnaas mit interessanten Überlegungen zur Nicht-Meßbarkeit von Leistung und ihre Entstehung aus dem Individuum vor- bzw. übergeordneten Zusammenhängen. All die Verve gegen ein individualistisch verkürztes, auf vermeintliche Meßbarkeit orientiertes Leistungsverständnis tendiert indes dazu, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Zwar ist es richtig, dass das Individuum kein isolierter Heroe ist, zugleich ist es jedoch auch der individuelle Impuls, die Beharrlichkeit und Unbeirrtheit, durch die Neues in die Welt kommt. Beides ist also richtig, die Dialektik zu verstehen ist unerlässlich.

Max Weber, der im Beitrag kritisiert wird, war es, der, bei aller Heraushebung der Bedeutung des Individuums für die Entstehung von Neuem, deutlich darüber schrieb, dass Anstrengung, Disziplin und Beharrlichkeit nur eine Seite dessen sind. Die andere ist es, dass man den guten Einfall, die gute Idee, kommen lassen können müsse, über sie verfügt man nicht, sie kommen wie eine Gabe zu einem (Max Weber, Wissenschaft als Beruf). Und es war auch Weber, der mit seinen Untersuchungen zur protestantischen Ethik aufzeigte, wie sehr das Individuum seine Stellung durch ihm vor- bzw. übergeordnete Weltdeutungen erhält.

In einer Passage des Beitrags Dieter Schnaas‘ taucht dann etwas unvermittelt das Bedingungslose Grundeinkommen auf:

„Die Lüge von der Leistungsgesellschaft“ und eine schwache Bemerkung zum Bedingungslosen Grundeinkommen… weiterlesen