…aber die Undifferenziertheit der Diskussion, die Frank Lübberding in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung an der Sendung von Maybrit Illner zur Pandemie und den ergriffenen Maßnahmen kritisiert, ist eine Undifferenziertheit, die ja leider in der BGE-Diskussion auch anzutreffen ist. Darüber hatte Lübberding – allerdings nicht besonders differenziert – auch schon einmal geschrieben, siehe hier. Zu anderen Kommentaren von Lübberding, siehe hier.
…und eine aufschlussreiche Besprechung. Kritische Stimme war hier die Journalistin Jagoda Marinic. Hier geht es zur Sendung. Marinic hat offenbar Sympathien für ein Bedingungsloses Grundeinkommen, siehe hier.
…so war, sinngemäß, Andrea Nahles bei Maybrit Illner in der letzten Sendung zu vernehmen. Es ging um das Konzeptpapier, das die SPD kürzlich vorgelegt hatte, mit dem ein Aufbruch in eine andere Sozialpolitik versprochen wird. Irritierend war dabei zum einen die von ihr geübte Kritik am Karottenmodell der Motivation (Lockmittel vor die Nase halten), das letztlich meint, die Bürger müssten nur angereizt (gelockt oder manipuliert) werden. War es aber nicht kürzlich Bundesarbeitsminister Heil (alle anderen Parteien benutzen diese Redeweise ja auch), der meinte, die hart Arbeitenden hätten sich die Grundrente verdient. Und was ist mit den anderen?
Die Diskussion über eine Grundrente, eine Garantiesicherung oder auch ein Bedingungsloses Grundeinkommen stellt die Frage, nach welchen Prinzipien der Sozialstaat ein Mindesteinkommen sichern soll. Diese Frage ist nicht zu beantworten, ohne einen Blick auf das Fundament des Sozialstaats, die republikanische Demokratie, zu werfen. Wenn in ihrem Zentrum der mündige Bürger steht, wenn ihm Autonomie und Selbstbestimmung abverlangt werden, auch um einen Beitrag zum Gemeinwohl zu leisten, weshalb steht derselbe Bürger nicht im Zentrum des Sozialstaats?
Die Talksendung Anne Will (Kommentare zu früheren Sendungen finden Sie hier) befasste sich in der jüngsten Sendung mit der Diskussion über die heutige Konstruktion des Sozialstaats, die Sanktionen im Arbeitslosengeld und die verschiedenen Vorschläge, die sich die positiven Konnotationen des Wortes „Grundeinkommen“ zunutze machen wollen. Da sollte ein Bedingungsloses Grundeinkommen nicht fehlen, hierfür war Michael Bohmeyer eingeladen. Die einzige, die dafür gewisse Sympathien hatte und die Absurditäten der Sanktionen erkannte, war die Unternehmensberaterin Simone Menne. Die Sendung verlief wie so oft, die Einheitspartei aus Linke, SPD und CDU stritt an der Oberfläche, war sich aber einig, dass der status quo im Wesentlichen verteidigt werden müsse, d. h. an Sanktionen darf nicht gerüttelt werden.
Als die Runde auf das BGE zu sprechen kam, wurde im Einspieler von Anne Will sogleich darauf hingewiesen, dass ja bestimmte Personen dafür einträten, genannt wurden Unternehmer aus dem Silicon Valley (von denen oft nicht bekannt ist, was sie genau meinen), Joe Kaeser (Siemens, der sich nicht für ein BGE ausgesprochen hat) sowie Timotheus Höttges (Deutsche Telekom, der es tatsächlich für sinnvoll hält). Im Grunde war dieser Einstieg ein Versuch, den Vorschlag zu diskreditieren, denn, wenn Vorstände von Unternehmen bzw. Unternehmer dafür sind, kann es sich nicht um einen brauchbaren Vorschlag handeln. Entsprechend reagierten manche in der Runde. Andere wiederum sehen das als Adelung, wenn gerade sie dafür seien, dann müsse auch etwas dran sein. Michael Bohmeyer machte auf die vereinseitigende Darstellung aufmerksam. Wer sich ein wenig informiert, wird schnell herausfinden, dass die BGE-Diskussion seit 2004 öffentlich geführt wird und von ganz anderen als Unternehmern angestoßen wurde (Götz W. Werner ist eine Ausnahme). Unterstützer finden sich in den meisten Parteien, mal mehr, mal weniger, je weiter man in der Funktionshierarchie herabsteigt.
…diese Frage stellte sich unwillkürlich angesichts der Sendung Maybrit Illner Spezial, in der es um die Situation in der Pflege ging und die Tatsache, dass 73 % der Pflegebedürftigen zuhause durch Angehörige versorgt werden. Würden alle Pflegebedürftigen in Einrichtugnen versorgt werden müssen, bräche das System zusammen, das gestand Jens Spahn, Bundesminister für Gesundheit, offen ein. Nicht nur gehen diejenigen ein hohes Risiko bezüglich langfristiger Einkommenssicherung ein, die diese Pflege übernehmen; die Leistungen der Pflegeversicherung sind unübersichtlich, der Verwaltungsaufwand ist hoch und das Ringen darum, Leistungen auch wirklich zu erhalten erfordert Beharrlichkeit.
Es stellt sich also die drängende Frage, wie denn die häusliche Pflege durch Angehörige gestärkt, wie sie besser unterstützt werden kann. Das Bedingungslose Grundeinkommen kann hierzu einen Beitrag leisten, nicht nur, weil es eine Einkommensabsicherung nach unten bedeutete. Ein Gemeinwesen würde durch die Bereitstellung signalisieren, dass die Entscheidung für die Pflege erwünscht ist. Aus den „stillen Helden“ des Alltags würde eine durch das Gemeinwesen erkannte, anerkannte und tatsächlich unterstützte Leistung dadurch, dass der Einzelne um seiner selbst und um des Gemeinwesens willen wertgeschätzt würde. Das BGE als Ermöglichungsstruktur.
Siehe frühere Kommentare von uns dazu hier. Siehe auch den Kommentar von Hans Hütt in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.
…darüber diskutierte Maybrit Illner mit ihren Gästen in der Sendung vom 22. Februar. An einer Stelle, Minute 13’30 ging es ganz kurz um das Bedingungslose Grundeinkommen, Frau Trinkwalder bringt es ein, Frau Illner würgt das ab – und weg war es.
…doch bei Maybrit Illner war sie in der jüngsten Sendung nicht zu erkennen. Während Ulrich Schneider vom Paritätischen Wohlfahrtsverband auf die Armut in Deutschland hinwies, gegen die etwas unternommen werden müsse (z. B. Regelsatzerhöhrung, Beschäftigungsförderung) hielten die anderen – Jens Spahn, Wolfgang Kubicki, Gabor Steingart – entgegen, einfach mehr Geld auszugeben, helfe auch nicht weiter. Robert Habeck stimmte dem zu, dass Armut ein relevantes Problem sei und dagegen etwas unternommen werden müsse, ohne Schneiders Vorschläge zu teilen. Habeck hatte sich in der Vergangenheit immer wieder einmal für ein Grundeinkommen ausgesprochen, ohne dass klar war, welcher Art es sein sollte, bedingungslos oder nicht. Für welche Art von Sozialpolitik Jens Spahn steht, gab er vor einigen Monaten bei Illner zu erkennen – „so ein bißchen“ Druck brauche doch jeder von uns. Da könnte er sich umstandlos mit Christian Lindner zusammentun, der einen „Arschtritt“ für das patente Mittel hält.
… Hans Hütt kommentiert die jüngste Sendung von Maybrit Illner, in der Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) und Jens Spahn (CDU) zur Sozialpolitik Stellung bezogen. Der Titel des Beitrags von Hans Hütt bringt schon auf den Punkt, worum es politisch gehen müsste, nicht darum nämlich, was Sozialpolitik statistisch leistet, sondern was sie dem Individuum für Möglichkeiten bietet, sein Leben zu leben. Die Gesetzgebung hat ein Mahlwerk geschaffen, in dem der Einzelne vom herrschenden Verständnis der „Einzelfallgerechtigkeit“ zerrieben wird. Dass weder die Bundesarbeitsministerin noch der Staatssekretär den Blick darauf richten, was die Sozialgesetzgebung konkret für den Einzelnen bedeutet, welche Geringschätzung sie zum Ausdruck bringt, ist nichts Neues. (Siehe auch unseren Kommentar „Jedes Leid hat einen Namen“ und „Die Soziologin spricht über das Leben – und verwechselt es mit Statistik“).
…Viele Politiker empfinden die Abstiegsängste der Bürger als eine Art Wahrnehmungsstörung. Da muss man sich fragen, ob diese Politiker überhaupt wissen, welche Politik sie zu verantworten haben.“
Ein Kommentar von Frank Lübberding in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zur letzten Sendung von Maybrit Illner, in der es um „Abstiegsängste der Bürger“ ging, legt den Finger in manche Wunde. Lübberding zeigt auf, dass es sich bei den angesprochenen Ängsten keineswegs um eine gestörte Wahrnehmung der Bürger handelt, sondern um eine reale Bedrohung durch die Sozialpolitik. Ihr Gebaren, durch Sanktionen Folgsamkeit erreichen zu wollen, spricht Bände. Wer wissen will, was im Fall von Erwerblosigkeit, die länger als ein Jahr dauert, auf ihn zukommt, weiß es: Arbeitslosengeld II. Das sagt alles über unsere Vorstellung von Solidarität, wie wenig wir auf die Bereitwilligkeit vertrauen, dass in der Regel die Bürger beitragen wollen. Aber was heißt hier beitragen? Der Abstiegsangst stand in der Sendung – wieder einmal (siehe frühere Kommentare dazu hier und hier) – die Feier der guten Wirtschaftslage und der hohen Zahl von Erwerbstätigen durch den Ifo-Präsidenten Clemens Fuest und den CDU-Politiker Ralph Brinkhaus gegenüber, dem die SPD-Ministerpräsidentin Malu Dreyer allerdings in nichts nachstand (vgl. dazu „Was die Arbeitslosenstatistik verschweigt“).
Jede Arbeit sei eben besser als keine – und da Haushaltstätigkeiten oder bürgerschaftliches Engagement bekanntlich keine Arbeit sind, keinen Beitrag zum Gemeinwohl darstellen, zählen sie nicht. Von daher kann die steigende Teilzeittätigkeit von Frauen als großer Erfolg gefeiert werden, wie Fuest es tat. Dazu muss man nur darüber hinweggehen, dass die steigende Teilzeittätigkeit zur Kehrseite hat, die Zeit für Engagement in der Familie zu reduzieren. Man kann nicht auf zwei Hochzeiten tanzen, um es salopp auszudrücken. Genau das bestätigt die jüngste Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes zur Betreuungsquote von Kindern unter 3 Jahren. Sicher, wenn Entwicklungen den eigenen Werturteilen entsprechen, dann begrüßt man das, ein Wissenschaftler hingegen hat die Verantwortung, das Ganze in den Blick zu nehmen und Konsequenzen in jede Richtung zu sondieren, die eine Entwicklung hat. Das tat er jedoch nicht.
Dass sowohl die gestiegene Teilzeiterwerbstätigkeit als auch die Abstiegsängste etwas damit zu tun haben, was unsere Sozialpolitik an Solidaritätsvorstellungen aussendet, liegt auf der Hand. Und dennoch sind wir nicht in der Lage bislang, in eine andere Richtung zu blicken. Wie sehr die Diskussionen um Folgen von Digitalisierung, das Renteneintrittsalter, die vermeintliche Reduzierung von Erwerbslosigkeit u.a. von gestern sein könnten, wenn wir ein Bedingungsloses Grundeinkommen hätten; wie sehr dieses dann den Blick auf andere Fragen freigeben würde, lässt sich leicht erahnen.